Gelsenkirchen. Ein Gelsenkirchener Sportverein klagt seit Jahren über zu wenig Platz. Nun passiert etwas – zu einem teuren Preis. Das ist kein Einzelfall.
- In Horst sollten die Umkleidekabinen des SV Horst-Emscher 08 erweitert werden, doch die Kosten sind von ursprünglich 655.000 Euro auf über eine Million Euro gestiegen.
- Wie schon beim wesentlich teuren Familienzentrum Niefeldstraße begründet die Stadt die Kostensteigerung auch hier mit vorgezogenen Projekten im Schulbereich.
- Die FDP kritisiert die erheblichen Kostensteigerungen und fordert Informationen über Bauprojekte, die bis heute nicht realisiert wurden.
Es geht um Umkleidekabinen in Horst. Und um viel Geld: Auf dem Schollbruch, dort wo der SV Horst-Emscher 08 zu Hause ist, sollte schon vor Jahren ein Erweiterungsbau entstehen. Denn schon 2017 stellte die Stadt Gelsenkirchen fest: „Die zwei vorhandenen Umkleidegruppen reichen bei weitem nicht aus, allen 27 Fußballmannschaften einen geregelten Trainings- und Spielbetrieb zu gewährleisten.“ Dieser Mangel hält nicht nur an. Auch sind für die erweiterten Umkleiden mittlerweile über eine Million Euro veranschlagt - statt 655.000 Euro wie zunächst geplant.
Dass Bauprojekte teurer werden, gerade in Zeiten steigender Zinsen und Materialkosten, das ist nichts Neues. Ungewöhnlich ist aber schon, dass die Stadt innerhalb kürzester Zeit die Kostenexplosion bei zwei kleineren Projekte verkünden muss. Da ist zum einen eben der Schollbruch. Und da ist auch das Familienzentrum Niefeldstraße in Buer, wo die Kosten für den Umbau alter Hausmeisterwohnungen um 266.000 Euro gestiegen sind (die WAZ berichtete). Was beide Projekte gemeinsam haben: Ihre Verzögerung hat mit dem Schulneubau zu tun.
Stadt Gelsenkirchen: Prioritäten im Schulneubau
Die Genehmigung des Bauvorhabens auf dem Schollbruch erfolgte laut Stadt bereits Mitte 2019. Zu diesem Zeitpunkt sei es jedoch die Priorität gewesen, bestimmte Fördergelder abzurufen, also Bauprojekte umzusetzen, die durch das sogenannte Kommunalinvestitionsförderungsgesetz I und II sowie das „Gute Schule“-Programm des Bundes bezuschusst werden konnten. „Andere Projekte mussten zurückgestellt werden, um die Fördermittel nicht zu verlieren“, so Stadtsprecher Martin Schulmann. Auch mit Blick auf das Familienzentrum in Buer begründete die Stadt die Verzögerung mit den „Prioritäten, die derzeit im Bereich des Schulbaus liegen“.
Auf Nachfrage der WAZ, ob es weitere kleinere Projekte gebe, die aufgrund der Schulneubaus hinten angestellt werden müssten und sich deshalb deutlich verteuern, sagte Schulmann: „Beim Referat 65 (Hochbau und Liegenschaften) sind keine weiteren kleineren Projekte, mit Ausnahme der Niefeldstraße und dem Neubau auf dem Schollbruch bekannt, bei denen es durch Verzögerungen zur deutlichen Kostensteigerungen gekommen ist.“
Stadt Gelsenkirchen setzt auf dem Schollbruch auf „ökologische Bauweise“
An der Straße Auf dem Schollbruch sollen die bislang vier Umkleidekabinen durch zwei weitere ergänzt werden. Entstehen sollen auch zwei angegliederte Duschen und WCs, ein Umkleidebereich für Schiedsrichter und weitere Nebenräume. Geachtet werden soll dabei auf „ökologische und nachhaltige Bauweise“. Konkret heißt das, die Stadt setzt auf eine Dachbegrünung sowie Tonziegel mit guter Dämmeigenschaft beim Mauerwerk.
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Dass das Projekt insgesamt nun voraussichtlich die Eine-Million-Euro-Grenze überschreiten wird, begründet die Stadt damit, dass sich die „die Preissteigerungen für sämtliche Baustoffe sehr dynamisch entwickeln“ und die Baupreise „teilweise auf einem sehr hohen Preisniveau stagnieren.“ Je nach Gewerk bzw. Baustoff müsse man Preissteigerungen von mehr als 50 Prozent gegenüber 2021 und 2022 verkraften.
Von den gesteigerten Kosten nicht wirklich tangiert ist der SV Horst-Emscher 08. Dort ist man einfach „glücklich“, dass es dort mit den Baumaßnahmen endlich losgegangen ist, wie Kathrin Vieth vom Vereinsvorstand erzählt. „Es ist schade, dass wir so lange warten mussten, denn wir haben eine große Mangelsituation. Aber jetzt läuft die Abstimmung mit der Stadt hervorragend“, sagt sie. Offiziell gestartet seien die Arbeiten Mitte Juni, mittlerweile wird bereits Beton gegossen, wie aktuelle Bilder zeigen. „Ende Mai 2024 sollen die Gebäude dann stehen, die Arbeiten rundherum sollen im August fertig sein.“
Für die Vereinsmanagerin wird damit eine Zeit enden, die ihr und dem SV Erfindungsreichtum beim Umziehen vor und nach den Spielen abverlangt hat. „Als wir letztes Jahr die Dortmunder bei uns hatten, sagten sie: So ein Zustand wäre für uns nicht akzeptabel.“ „Andere Vereine sind erstaunt, wenn sie nach Gelsenkirchen kommen.“ Bald dürfte die Verwunderung kleiner sein – für einen hohen Preis.
FDP: Frustration können wir uns nicht erlauben
Zu der Kostenexplosion auf dem Schollbruch hat sich auch die FDP zu Wort gemeldet, sie sich bereits über die gesteigerten Kosten beim Familienzentrum Niefeldstraße verärgert zeigte.
Eigentlich wolle Politik mit solchen Beschlüssen doch einem Sanierungsstau entgegenwirken und den in Vereinen ehrenamtlich engagierten Menschen Anerkennung für ihre wichtige Arbeit zollen. „Die Stadtgesellschaft ist gerade in den heutigen Zeiten auf das Engagement der Ehrenamtler angewiesen. Ein solches völlig unnötiges Frustrationspotenzial mit nicht eingehaltenen Versprechungen können und dürfen wir uns nicht erlauben“, sagte der FDP-Bezirksverordnete Thorsten Garbe. „In Zeiten, wo sich immer mehr Menschen laut Umfragen aus der demokratischen Mitte verabschieden, halte ich ein solches Vorgehen für fatal.“ Dies schädige das Ansehen der Politik.
Um einen Überblick vor weiteren unliebsamen Überraschungen zu erhalten, hat die FDP in allen Bezirksvertretungen danach gefragt, welche Bauprojekte, die in der Wahlperiode 2014-2019 beschlossen wurden, bis heute nicht realisiert wurden.