Gelsenkirchen. Die Kindertagespflege in Gelsenkirchen wird zu schlecht bezahlt, die gute Arbeit zu wenig anerkannt, klagen Tageseltern. Was sich ändern soll.

Vier bis fünf Kinder unter drei Jahren allein über acht Stunden zu bespielen, versorgen und pädagogisch angemessen zu begleiten, ist eine echte Herausforderung. Eine Herausforderung, vor der Mitarbeiterinnen der Kindertagespflege täglich stehen. Rund 100 Frauen und auch einige Männer tun das in Gelsenkirchen im Dienst der Eltern, Kinder und der Stadt. Jetzt haben sich einige von ihnen zusammengetan, um gemeinsam eine höhere Wertschätzung und Bezahlung zu erstreiten.

Fünf Kinder unter drei Jahren maximal je Tagespflegeperson

Kerstin van Bernum und Sandra Veseli sind Gründerinnen und Sprecherinnen der Regionalgruppe Gelsenkirchen, die der Bundesberufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen angehören. Kerstin von Bernum betreut Kleinkinder professionell bei sich daheim, Sandra Veseli tut dies gemeinsam mit einer Kollegin in einer Großtagespflege, in der bis zu neun Kinder aufgenommen werden dürfen. Vier bis fünf Kinder je Betreuungsperson sind die Obergrenze. Beide Frauen sind zwar selbst Mütter, ihre eigenen Kinder sind jedoch älter und nicht unter den betreuten Kindern.

van Bernum: „Wir arbeiten professionell, wir sind qualifiziert“

„Das ist ein häufiges Vorurteil, dass Tagesmütter einfach nur Kinder zu den eigenen dazu nehmen. Aber wir arbeiten professionell, wir sind qualifiziert“, betont Kerstin van Bernum. 300 Stunden Ausbildung müssen Tagespflegeperson absolvieren, plus regelmäßige kostenfreie Fortbildungen in der Freizeit.

„Wir sind selbstständig tätig und bekommen drei Euro je Kind und Stunde. Wer bereits vor den 300 Stunden Qualifizierung der Stadt eine pädagogische Ausbildung hatte, bekommt 50 Cent mehr, muss aber dennoch die 300 Stunden absolvieren. Dieses Geld reicht einfach nicht, um existenzsichernd zu arbeiten“ erklärt Sandra Veseli. „Wir sind Erzieher, Gärtner, Putzfrau, Köchin und Buchhaltung in einer Person. Mit der Betreuungsarbeit allein ist es nicht getan“, ergänzt van Bernum.

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Von den 20 Tagespflegepersonen, die mit ihnen die Qualifizierung durchlaufen haben, seien nur noch fünf als solche tätig, berichtet van Bernum. Die Bezahlung sei einfach zu gering, um ein ausreichendes Einkommen zu sichern. „Fast keine von uns kann es sich leisten, nur 25 oder 35-Stunden-Betreuung anzubieten. In der Regel sind es 40 Stunden je Woche und mehr. Zu den drei Euro je Stunde kommt eine Monatspauschale für den Sachaufwand wie Frühstückverpflegung, Versicherungsbeiträge, anteilige Miet- und Nebenkosten, Fahrtkosten und mehr in Höhe von 300 Euro je Kind. Für das Mittagessen zahlen die Eltern zudem einen Obolus“, berichtet van Bernum.

Wer mit der Tagespflege mehr als 450 Euro verdient, muss die gesetzlich vorgeschriebenen Rentenbeiträge zur Hälfte selbst tragen, den Rest trägt Gekita. Gleiches gilt für die freiwillige Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung. Bei Gekita zeigte man sich auf WAZ-Nachfrage zu den Konditionen überrascht. Die Gruppe selbst habe sich mit ihren Forderungen noch nicht gemeldet. Allerdings ist die Vereinigung auch noch im Aufbau und wirbt um Mitglieder, um gemeinsam für ihre Interessen einzustehen.

Kein bezahlter Urlaubsanspruch

Tagespflegepersonen außerhalb von Kitas sind in Gelsenkirchen nämlich als Selbstständige tätig. Zum Start bekommen gibt es einmalig für die Grundausstattung im eigenen Heim eine Pauschale von 500 Euro für Spielsachen, Treppenabsicherungen und mehr. Was kaputt geht, muss aus eigener Tasche ersetzt werden. Ansonsten werden nur geleistete Betreuungsstunden bezahlt. Für Urlaubs- und Krankheitstage der Tagespflegekraft oder nicht geleistete Stunden wegen Krankheit oder Urlaub des Kindes zahlt Gekita nur bis zu 30 Tage im Jahr den Sockelbetrag, also bis zu 300 Euro je Monat und Kind. Einfacher ausgedrückt: Wenn Betreuer und Kind zusammen auf mehr als 30 Tage Krankheit und Urlaub im Jahr kommen, gibt es keinerlei Ausgleich mehr.

„Die Krankentage reichen bei unserer Arbeit nicht annähernd. Kleinkinder haben sehr, sehr häufig eine Schniefnase oder sind anderweitig krank. Und wir kommen ihnen naturgemäß so nahe, dass wir uns schnell anstecken. Viele arbeiten dann auch krank weiter, einfach weil sie sich den Verdienstausfall nicht leisten können“, klagt van Bernum. Die Bezahlung der Tagespflegepersonen liegt bei der Kommune und ist entsprechend unterschiedlich geregelt. „In anderen Städten wie Herten oder Bochum ist vor allem die Urlaubs- und Krankenregelung deutlich besser“, versichert van Bernum. Herten etwa gewährt 27 Tage bezahlten Urlaub plus 20 Krankentage je Krankheit bei zudem etwas höherem Stundenlohn.

Aktive fordern mehr Wertschätzung und Werbung in der Öffentlichkeit

Mit Hilfe des Zusammenschlusses hoffe man, eine bessere Entlohnung, aber auch mehr Wertschätzung für die Pflegenden zu erreichen. „Für uns wird viel zu wenig geworben. Und wenn Bezahlung und Anerkennung der Arbeit besser wären, würden sich sicher auch mehr Menschen dafür bewerben“, ist Sandra Veseli sicher. Mit der Regionalgruppe hoffe man zudem bekannter zu machen, dass auch in der Tagesbetreuung jenseits der Kitas pädagogisch qualifizierte Arbeit geleistet werde. Ein Extra für Eltern, die die Tagespflegeangebote über Gekita nutzen, gibt es übrigens auch: Bei Erreichen des dritten Lebensjahres der Kinder ist ihnen ein Kitaplatz sicher.

Wer die Arbeit der Regionalgruppe unterstützen möchte, kann sich per E-Mail an rg-gelsenkirchen@berufsvereinigung.de melden oder über www.berufsvereinigung.de informieren