Gelsenkirchen. Eine Aussage von Friedrich Merz (CDU) zum Umgang mit der AfD löst eine Welle der Empörung aus. Gelsenkirchens CDU-Chef spricht von „Sommerloch“.
Nach massiver Kritik auch aus der eigenen Partei hat CDU-Chef Friedrich Merz sich zu einer Klarstellung seiner Haltung zur AfD veranlasst gesehen. „Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt“, schrieb Merz am Montagmorgen auf Twitter. „Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“
Der CDU-Chef hatte am Sonntag eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD auf Landes- oder Bundesebene zwar abermals ausgeschlossen, auf lokaler Ebene Kontakte jedoch für möglich gehalten. Auf Kommunalebene müsse mit demokratisch gewählten Amtsträgern der AfD pragmatischer umgegangen werden, sagte Merz im „Sommerinterview“ des ZDF. „Wenn dort ein Landrat, ein Bürgermeister gewählt wird, der der AfD angehört, ist es selbstverständlich, dass man dann nach Wegen sucht, wie man dann in dieser Stadt weiter gemeinsam arbeiten kann.“
Die widersprüchlichen Aussagen von Merz beschäftigen auch die Gelsenkirchener CDU. Parteichef Sascha Kurth stellt auf WAZ-Nachfrage klar: „Die CDU ist Volkspartei der Mitte. Jegliche Zusammenarbeit mit Extremisten und Radikalen schließt sich aus – das erwarten unsere Wählerinnen und Wähler auch zurecht von uns und darauf können sie auch vertrauen. Die CDU hat dazu auch einen klaren Beschluss, der die Zusammenarbeit mit Linken und AfD, auch kommunal, ausschließt“, betont Kurth.
Einen entsprechenden Beschluss hat darüber hinaus auch die Gelsenkirchener CDU 2019 gefasst. „Für uns ist klar: Es gibt keine und es wird keine Zusammenarbeit mit den politischen Extremen geben! Auch wenn ich mit Sorge sehe, dass in anderen Landesteilen diese klare Abgrenzung auch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse vor Ort wahlweise mit Linkspartei oder AfD in Frage gestellt wird, bleibt die CDU auch weiterhin die einzige große demokratische Partei in Deutschland mit einer solch klaren Abgrenzung gegen die politischen Ränder!“
„Daraus die bekannte Überschrift in überregionalen Medien zu machen, deutet schon auf ein ziemlich großes Sommerloch hin“
Dass Friedrich Merz nach einer Welle der Kritik zurückrudere und seine Aussagen aus dem Sommerinterview nun relativiere, weist Sascha Kurth im Übrigen zurück. „Wer sich trotz des lauten politischen Alltags die Zeit nimmt und das Interview im Original ansieht anstatt reflexartig zu reagieren, kann feststellen, dass unser Bundesvorsitzender eindeutig hinter diesen Beschlüssen steht. Daraus die bekannte Überschrift in überregionalen Medien zu machen, deutet schon auf ein ziemlich großes Sommerloch hin.“
Im fraglichen Teil des Interviews geht es um den Umgang mit hauptamtlich gewählten Vertretern wie aktuell im Kreis Sonneberg. „Die Herausforderung zu ignorieren, dass hier ein AfD-Bürgermeister anderen demokratischen Mehrheiten gegenübersteht, wäre sicherlich auch keine gute Alternative. Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort erwarten einen funktionierenden Staat und Respekt vor ihrer Wahl. Alles andere würde die politischen Ränder stärken“, so Kurth weiter. Deshalb müssten die Abläufe kommunaler Selbstverwaltung auch vor Ort in dieser Situation weitergehen. „Und das geht auch sehr gut ohne eine Zusammenarbeit mit der AfD oder Abkehr von unseren Überzeugungen und Themen“.
Ehemaliger OB-Kandidat der CDU Gelsenkirchen lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab
Auch CDU-Ratsherr Malte Stuckmann, der für seine Partei bei der vergangenen Kommunalwahl als Oberbürgermeisterkandidat ins Rennen gegangen war, lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD deutlich ab. „Ich kann mir keine Zusammenarbeit, übrigens auf keiner Ebene, mit Mandatsträgern und Funktionären einer Partei vorstellen, die im politischen Diskurs auf Spaltung und Konfrontation setzt und deren Gesellschaftsmodell Hass, Nationalismus und Ausgrenzung ist.“
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Stuckmann stellt klar, dass sich seine Partei zwar mit den Wählerinnen und Wählern der AfD auseinandersetzen müsse, da es „unter ihnen einen nicht kleinen Teil gibt, der für einen sachlichen und zukunftsweisenden Dialog noch immer offen ist.“ Aber Koalitionen oder eine sachorientierte Zusammenarbeit mit der AfD lehnt der Gelsenkirchener ab. „Es gibt keine Freifahrtscheine zur Zusammenarbeit mit Extremisten – egal aus welchem Lager“, so Stuckmann, der darüber hinaus deutlich macht, „dass wir das Thema Zuwanderung und Integration als christliche Demokraten vielleicht inhaltlich neu bewerten müssen. Aber an unserem Grundwertegerüst – keine Gewalt, kein Hass, keine Diskriminierung, keine Fremdenfeindlichkeit, ein überzeugtes JA zu Europa und zum Frieden – darf nicht gerüttelt werden.“
So wie Stuckmann weisen auch andere Kritiker darauf hin, dass die Parteibeschlüsse der CDU eine Kooperation mit der AfD im Übrigen auch nicht zulassen. Noch im Dezember 2018 beschloss die Partei etwa: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“
CDU bekräftigte mehrmals den Parteibeschluss, nicht mit der AfD zu kooperieren
Im Juni 2019, nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, beschloss die CDU, dass, wer die AfD unterstützt wissen müsse, er damit bewusst auch rechtsradikalen Hass und Hetze, extreme Polarisierung und persönliche Diffamierungen in Kauf nimmt.
Und im Februar 2020, nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten mit Stimmen von AfD und CDU, hieß es: „Für die CDU Deutschlands gilt: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD – weder in direkter, noch in indirekter Form.“
Ratsherr verließ die Gelsenkirchener AfD
Im Gelsenkirchener Stadtrat stellte die AfD bis vor kurzem mit elf Verordneten ebenso viele gewählte Bürgervertreterinnen und Bürgervertreter wie die Grünen. Doch vor einigen Wochen verließ Thorsten Pfeil die rechte Fraktion. Er begründete seinen Austritt einerseits mit dem „kindischen Verhalten“ der AfD im Stadtrat und will künftig mehr „inhaltlich als ideologisch“ arbeiten. Hinzu komme die Radikalisierung der AfD insbesondere im Osten von Deutschland. „Hinter vielen Sachen, hinter diesem ganzen Völkischen, da stehe ich nicht hinter“, sagte Pfeil gegenüber der WAZ.