Gelsenkirchen. Die Wahl-Gelsenkirchenerin Steffi Jones ist eine Ikone des deutschen Frauenfußballs. Ein Gespräch über die aktuelle WM und den Frauenfußball.

Es läuft gerade die zweite Halbzeit des Eröffnungsspiels der Frauenfußball-Weltmeisterschaft zwischen Neuseeland und Norwegen, als wir Steffi Jones sprechen. „Wahnsinn, gleich schon die erste Überraschung“, sagt sie. Denn kurz vor Ende der Partie führt die neuseeländische Mannschaft als Außenseiter immer noch mit 1:0.

Steffi Jones, die Wahl-Gelsenkirchenerin, ist eine Ikone ihres Sports. Der Frauenfußball in den 90er- und Anfang der 2000er-Jahre in Deutschland: Das war Birgit-Prinz-Fußball, das war Martina-Voss-Fußball – und das war eben auch Steffi-Jones-Fußball. Sechsmal wurde die Bueranerin Deutsche und einmal US-Meisterin, dreimal feierte sie den Pokalsieg und streckte zweimal den Uefa-Cup in die Höhe. Weltmeisterin wurde sie 2003, dreimal Europameisterin. Nach ihrer aktiven Karriere wurde Steffi Jones Präsidentin des Organisationskomitees für die Heim-WM der Frauen 2011 und im Anschluss die erste Direktorin beim Deutschen Fußballbund für den Bereich Frauenfußball. Für die Sympathieträgerin folgte die Krönung im September 2016: Sie wurde Bundestrainerin.

Als Spielerin hat Steffi Jones eine außergewöhnlich erfolgreiche Karriere gehabt, als Trainerin der deutschen Nationalmannschaft blieben die Erfolge aus. Trotz ihrer Entlassung nach nur 19 Monaten im Amt, hegt Jones keinen Groll.
Als Spielerin hat Steffi Jones eine außergewöhnlich erfolgreiche Karriere gehabt, als Trainerin der deutschen Nationalmannschaft blieben die Erfolge aus. Trotz ihrer Entlassung nach nur 19 Monaten im Amt, hegt Jones keinen Groll. © dpa | Armin Weigel

Keine Frage also, dass im Hause Jones möglichst jedes Spiel der am Donnerstag gestarteten Frauenfußball-Weltmeisterschaft geschaut wird. „Zugegeben“, sagt Jones, wenn die Spiele – wie bei dieser WM – aufgrund der Zeitverschiebung mitunter mitten in der Nacht oder am frühen Morgen stattfinden, dann ist das für einen euphorischen Turnierverlauf nicht gerade förderlich. Dennoch freuen sich Steffi Jones und ihre Frau Nicole schon sehr auf die nächsten Wochen. Denn die frühere Nationalspielerin und -Trainerin traut der DFB-Auswahl Großes zu bei diesem Turnier.

„Ich glaube daran, dass diese Mannschaft Weltmeister werden kann“, sagt Jones. Schon bei der vergangenen Europameisterschaft habe das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gezeigt, „dass der Mannschaftsgeist sehr stark ist.“ Damals unterlag das DFB-Team England mit 1:2 im Finale. Dazu komme: „Alex Popp“, sagt Steffi Jones. Die Kapitänin der deutschen Mannschaft sei eine außergewöhnlich starke Spielerin, „die alles gibt, die marschiert und vor allem ihre Mitspielerinnen mitreißt“, schwärmt Jones.

Entscheidend für einen guten Turnierverlauf sei aber vor allem das Auftaktspiel (Deutschland gegen Marokko, 24. Juli, 10.30 Uhr). „Wenn man das gewinnt, dann geht man gleich mit einer gewissen Power in die WM“, weiß die Weltmeisterin von 2003 zu berichten. Es ist zu erwarten, dass einige Millionen Menschen in Deutschland das Spiel verfolgen werden. Das war wahrlich nicht immer so.

Glücklich über Stellenwert des Frauenfußballs, „aber noch viel Luft nach oben“

Steffi Jones ist glücklich, dass der Frauenfußball in Deutschland inzwischen einen deutlich höheren Stellenwert beim DFB, in den Medien und der Gesellschaft genießt. „Es wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre“, sagt die 50-Jährige, die mit ihrer eigenen Rolle als frühere DFB-Direktorin, aber vor allem auch als Person lange und viel für die Popularität des Frauenfußballs getan hat.

Und obgleich sich schon vieles positiv entwickelt habe, sei noch viel Luft nach oben, ist die Geschäftsführerin des Gelsenkirchener IT-Dienstleisters 5Minds überzeugt. „Dass die Frauenmannschaft inzwischen eigens vermarktet wird, ist gut, aber damit die Spielerinnen auch davon partizipieren können, muss noch einiges mehr geschehen.“

Viele Bundesligaspielerinnen müssten immer noch „nebenbei“ einem anderen Beruf nachgehen, weil sie von ihrem Fußballerinnen-Gehalt nicht leben können. „Ich halte es daher für geboten, dass die Spielerinnen der ersten und zweiten Bundesliga ein Grundgehalt von 5000 bis 6000 Euro bekommen sollten, damit sie zum einen gut davon leben können und zum anderen für die Zeit nach der Karriere, die in der Regel ja nur etwa zehn Jahre dauert, etwas an die Seite legen können“, so Jones. Schließlich betreiben die Spielerinnen einen Profisport und das sollten die Arbeitgeber, also die Vereine auch angemessen würdigen.

Sie selbst trete kaum noch vor den Ball, gibt Jones zu. Als sie noch Co-Trainerin der 1. Frauenmannschaft beim SSV Buer war, kickte sie noch regelmäßig. Doch seit Ende 2019 komme sie seltener dazu. Jungen Frauen und Mädchen, die den Traum haben, eines Tages einmal selbst Nationalspielerin zu werden, rät Steffi Jones „unbedingt dran zu bleiben.“ Natürlich brauche man auch Talent, aber genau so wichtig sei es, „zu lieben, was man tut“, und sich einen Verein zu suchen, der einen fördert. „Denn es gibt kaum etwas überwältigenderes, als das Trikot seines Landes überzuziehen und auf dem Rasen die Nationalhymne zu hören und zu singen“, schwärmt Steffi Jones. „Das ist Gänsehaut pur.“ So dürfte es in diesem Moment wohl auch den Spierleinnen von Neuseeland gehen. Denn es bleibt bis zum Abpfiff beim 1:0 über Norwegen. Die erste Überraschung des Turniers im ersten Spiel.