Gelsenkirchen. Soziales statt Beauty-Salon: Alina Nechepurenko hat in Gelsenkirchen einen neuen Weg gefunden. Aber daraus auch einen Job zu machen, ist hart.

Sie war gerade dabei, ihre Selbstständigkeit aufzubauen. Nach zehn Jahren in einer Parfümerie wollte Alina Nechepurenko ihren eigenen Kosmetiksalon eröffnen. Dann kamen die Bombenwarnungen. Sie vertrieben die 32-jährige Ukrainerin nach Gelsenkirchen. Dass die „Beauty-Sphäre“, wie sie es nennt, eigentlich eher ein Hobby war, das realisierte sie dann hier. Denn jetzt steht die dunkelblonde Frau hier, im weißen T-Shirt mit dem DRK-Logo auf der Brust, und bespaßt Kinder in der Notunterkunft für ukrainische Kriegsflüchtlinge an der Mehringstraße. „Vielleicht“, sagt sie, „ist das genau meine Sache.“

Hier an der ehemaligen Hauptschule, da sei „ihr Herz“, beschreibt sie es. „Viele kennen mich, rufen mich an. Das passiert immer, egal zu welcher Zeit.“ Selbst war sie auch hier in Scholven untergebracht, dann zog sie, gemeinsam mit ihrem achtjährigen Sohn, in eine eigene Wohnung, etwa 65 Quadratmeter groß. An der Notunterkunft ist sie trotzdem fast täglich, hier ist ihr soziales Umfeld, hier kann sie sich auch mal in ihrer Heimatsprache verständigen.

Ukrainerin in Gelsenkirchen: „Es ist wie eine Heilung, dass ich anderen helfen kann“

Wobei sich Alina Nechepurenko ein Jahr und zwei Monate nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik, mittlerweile auch gut auf Deutsch verständigen kann. Ukrainerinnen wie sie sind verpflichtet, einen Integrationskurs abzuschließen. Wer den Kurs erfolgreich absolviert, kann ein Sprachniveau von B1 vorweisen, also die Mittelstufe beim Sprachlevel. Während Alina Nechepurenko auf ihre Testergebnisse wartet, lernt sie die Sprache weiter, in Selbstlernkursen beim Deutschen Roten Kreuz. Hier kommt sie auch mit mehr Deutschen in Kontakt. „Ich muss hören, dann verstehe ich.“

Hier, an der Hauptschule an der Mehringstraße, unterstützen ukrainische Flüchtlinge, die vor über einem Jahr gekommen sind, die Neuankömmlinge. Die ehemalige Schule dient als Notunterkunft.
Hier, an der Hauptschule an der Mehringstraße, unterstützen ukrainische Flüchtlinge, die vor über einem Jahr gekommen sind, die Neuankömmlinge. Die ehemalige Schule dient als Notunterkunft. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Für das DRK ist sie mittlerweile einen großen Teil ihrer Zeit ehrenamtlich tätig, hilft anderen ukrainischen Geflüchteten, sich in Gelsenkirchen zu orientieren, betreut Ferienaktionen oder andere Freizeitprojekte. „Viele fragen mich: Alina, warum machst du das? So ohne Geld zu bekommen?“, erzählt sie. Aber für sie sei das „Balsam für die Seele“, „es ist wie eine Heilung, dass ich anderen helfen kann.“ Vor einem Jahr sei sie schließlich in einer ähnlichen Situation gewesen – konnte kein Deutsch, hatte viel Stress, „mein Leben war kaputt.“

Ukrainerinnen wollen nicht nur als Reinigungskräfte oder Altenpflegerinnen arbeiten

Glücklicherweise sei sie dann in Deutschland gut aufgefangen worden. „Hier wird viel gemacht für ukrainische Leute“, sagt sie. In Luxemburg, wo sie nach ihrer Flucht zuerst kurz gewesen sei, da sei es ganz anders gewesen. „Da wirst du alleine gelassen.“

Alina Nechepurenko (re.) beim Sprachunterricht des DRK: „Ich muss hören, dann verstehe ich.“
Alina Nechepurenko (re.) beim Sprachunterricht des DRK: „Ich muss hören, dann verstehe ich.“ © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Hier in Deutschland, da hätten ihr nicht nur die Behörden und Ämter geholfen, vor allem auch die Ehrenamtler vom DRK. Und nun hilft Alina Nechepurenko eben selbst im Dienste des DRK anderen, hofft, dass sie sich auch hauptberuflich in eine ähnliche, eine soziale Richtung entwickeln kann. „Viele Leute möchten Arbeit“, sagt sie über sich und die anderen Ukrainerinnen und Ukrainer, „aber ohne Putzen und nicht nur für Oma und Opa da sein.“ Viele wollten also mehr, als nur die Perspektive als Altenpflegerin- oder Reinigungskraft in Deutschland zu haben – freilich wichtige Berufe, aber eben welche, die auch nicht für jeden etwas sind.

Nur reicht ein B1-Niveau nicht für viele Jobs, denen viele Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrer Heimat nachgegangen sind. Das macht die Job-Vermittlung im Jobcenter schwierig. „Viele Leute hatten einen guten Beruf“, sagt Nechepurenko. Deswegen müsse man immer „weitermachen, immer weiter und weiter“, „nicht ausruhen, weil man Geld vom Jobcenter hat.“ Ohnehin gehe es ihr weniger um das Geld, vielmehr „um die Wertschätzung“. Das habe ihr die ehrenamtliche Arbeit gezeigt. „Die Beauty-Sphäre“, sagt sie, „ist nichts mehr für mich.“