Gelsenkirchen. Merle Joachim ist Prokuristin im Gartenfachmarkt Düsing und nimmt den Nachwuchs einfach mit ins Büro. Wie sie damit die ganze Firma prägt.
Erst kürzlich habe sie einen Vortrag an der Westfälischen Hochschule gehalten, dort, wo sie auch studiert hat, erzählt Merle Joachim. „Was die jungen Frauen dort am meisten interessiert hat, war die Frage: Wie geht das, Kindererziehung und Beruf zu vereinen?“ Merle Joachim selbst schafft es. „Zu Hause bleiben, das war für mich keine Option. Aber man muss ehrlich sagen, es gibt wenige Vorbilder – und wenig institutionelle Hilfe.“
So aufgeklärt die Zeiten seien, so fest seien manche Bilder in vielen Köpfen verankert, sagt die Prokuristin des Gartenfachmarkts Düsing. Sie lacht, als sie sich an die Zeit erinnert, als sie nach der Geburt des ersten Kindes rasch wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. „Wie oft ich von Lieferanten gefragt wurde, warum sind die denn hier? Wo ist denn ihr Kind? Für viele Menschen ist einfach bis heute klar, die Frau bleibt erst einmal zu Hause.“
Vormittags in der Firma, nachmittags nur Mama und abends wieder am PC
Merle Joachim macht das anders: Sie bringt die Kinder mit – erst vor rund zwei Jahren den kleinen Leo, jetzt ist es der kleine Fiete, der einfach mit dabei ist oder gleich neben Mamas Büro im Familienunternehmen im kleinen Kinderzimmer schläft. „Ich bin damit natürlich privilegiert. Das weiß ich.“ Auch, weil sie sich die Arbeit einteilen kann. „Ich bin im Moment nur vormittags hier. Abends, wenn die Kinder schlafen, gehe ich dann noch einmal an den PC. Das ist schon ein Spagat.“
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Dass sie damit auch im eigenen Unternehmen ein „Role Model“ ist, eine Vorbildfunktion einnimmt, erzählt Merle Joachim fast beiläufig. Ein Beispiel: „Dadurch, dass mein Vater das jetzt bei mir miterlebt, wie schwierig es ist, Beruf und Familie zu vereinen, hat er auch ein größeres Verständnis entwickelt für die anderen Mütter im Unternehmen.“ Auf ihre Bedürfnisse mehr einzugehen, das lohne sich, meint die Unternehmerin. „Diese Frauen sind gute Arbeitskräfte, weil sie es wertzuschätzen wissen und im Gegenzug sehr loyal sind gegenüber dem Unternehmen.“
Erst nach vier Jahren im Job „darf“ Merle Joachim bei Düsing anfangen
So wie ihre Kinder jetzt im Familienbetrieb aufwachsen, so war es bei Merle Joachim selbst nicht. „Mein Vater hat das Unternehmen übernommen, da war ich zwölf Jahre alt. Meine Eltern haben ein klassisches Rollenmodell gelebt und so war ich nicht täglich hier.“ Den Gedanken, bei Düsing zu arbeiten, habe sie dennoch früh gehabt. „Aber ich hatte keine genau Vorstellung, was ich hier machen kann.“
Die Bueranerin studiert zunächst Journalismus und PR an der Westfälischen Hochschule, macht danach ihren Master in Kommunikation und Management in Osnabrück. Nach dem Abschluss will sie eigentlich ins Familienunternehmen einsteigen. „Aber mein Vater hat gesagt, du kommst auf keinen Fall direkt nach dem Studium her. Damals fand ich das blöd. Aber es hat sich gezeigt, dass es richtig war.“ Erst nach vierjähriger Berufserfahrung „darf“ Merle Joachim bei Düsing anfangen.
„Ich musste meine Rolle hier erst finden“
„Das war schon eine Herausforderung. Ich musste meine Rolle hier erst finden – als junge Frau in etablierten Strukturen. Da musste ich mich schon behaupten.“ Und lernen, sich auch mal durchzusetzen. Denn natürlich bringt die heute 34-Jährige neue Ideen ein und neue Aspekte. Ganz ehrlich, sagt sie, es habe ordentlich Diskussionen gegeben um manche Themen. „Wir haben uns 2018 einen Mediator dazu geholt. Da sind wir drei, vier Mal hingegangen.“ Danach sei es einfacher gewesen für Vater Siegfried und Tochter Merle, im Betrieb sachlich miteinander zu diskutieren und gleichsam die Harmonie in der Familie zu bewahren.
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Die beiden sind ein gutes Team. Gemeinsam führen sie das Unternehmen – er als geschäftsführender Inhaber, sie als Prokuristin. Demnächst, erzählt sie, wollen sie die Gestaltung der Übergabe angehen. Ab dem Spätherbst werde auch Fiete halbtags betreut, kann sich Merle Joachim wieder mehr dem Job widmen. Ob die Familienplanung also abgeschlossen ist?
„Auf jeden Fall“, sagt sie und lacht. „Mein Mann sagt immer, wenn wir ein drittes Kind bekommen, können wir uns auch gleich scheiden lassen. Wir sind beide berufstätig und widmen unsere verbleibende Zeit den Kindern. Wir haben kaum Zeit als Paar und schon gar nicht für uns selbst.“
Gartenfachmarkt Düsing in Gelsenkirchen-Beckhausen: Die dritte Generation steht schon bereit
Zurück zum Unternehmen: „Mich hier wieder mehr zu engagieren, da habe ich richtig Lust drauf. Weil ich den Job echt gern mache.“ Der große Wunsch ist, dem Betrieb das berufliche Leben zu widmen und ihn in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft zu führen. „Das wäre schön. Aber dafür braucht es ein gutes Team – und gerne auch weiterhin meinen Vater.“ Derweil habe die dritte Generation das Unternehmen auch schon ins Herz geschlossen, verrät die zweifache Mutter. „Typisch Jungs: Der Leo liebt unseren kleinen Bagger. Und er kann stundenlang dem Mäh-Roboter in unserer Ausstellung zusehen.“