Westerholt. Stephanie Wienfort aus Westerholt betreibt mit ihrem Ehemann ein Handwerksunternehmen. Sie findet: Das ist längst nicht mehr nur Männersache.

„Ein bisschen Biss muss man doch überall haben, wenn man mehr will, wenn man Verantwortung übernehmen möchte“, sagt Stephanie Wienfort. Sie ist Gesellschafterin und Prokuristin im Westerholter Familienunternehmen Wienfort, das sie mit ihrem Mann Björn in dritter Generation führt. Ihm ist das Unternehmertum in die Wiege gelegt worden. Ihr nicht. „Den Betrieb gibt es seit 1933, gegründet vom Opa meines Mannes.“

Als Stephanie Wienfort ihren Mann kennenlernt, studiert sie noch Lehramt, lebt in Hessen. Durch das Unternehmen ist er an den Ort gebunden. Und so kommt sie nach Westerholt. „Es ist ein echtes Familienunternehmen. Die Generation vor uns war auch schon gemeinsam hier. Meine Schwiegermutter war im Büro, mein Schwiegervater war draußen. Und mein Mann hat zu mir gesagt: Ich brauche dich hier.“

Stephanie Wienholt musste erst lernen, wie man Mitarbeiter führt

Also steigt sie ein in das Unternehmen, das zum einen Malerarbeiten ausführt und zum anderen eine Lackiererei betreibt. Zuvor macht sie eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten. Später folgt noch eine zur Betriebswirtin für das Handwerk. „Ganz zu Beginn, vor 29 Jahren, habe ich gesagt, ich gehe auch mal mit auf die Baustelle. Aber damals war das noch nicht so üblich, dass Frauen auf der Baustelle waren. Eigentlich war das so vorgesehen: Die Frau ist im Büro und hält dem Mann den Rücken frei.“ So kommt es auch. Stephanie Wienfort steigt voll in den Betrieb ein. „Das Kind ist nebenbei groß geworden“, sagt sie. Nicht selten habe ihr Sohn im Büro im Kinderwagen geschlafen, während sie die Buchhaltung gemacht habe. Mit Folgen: „Er arbeitet heute auch im Betrieb.“

Frauen in einer Führungsposition und dann noch in einem Handwerksbetrieb – weit verbreitet war das vor drei Jahrzehnten nicht gerade. So muss Stephanie Wienfort auch einige ganz persönliche Herausforderungen meistern. „Ich musste lernen, wie das ist, Mitarbeiter zu führen. Da lerne ich heute noch dazu. Jemandem etwas zu sagen, was er tun soll, und das mit Nachdruck, das gehörte bei mir zum Lernprozess. Dass man das Ergebnis auch überprüfen muss, gegebenenfalls das Gespräch suchen muss, das fiel mir am Anfang schwer.“

Die Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spürt sie täglich

In ihrem Element: Stephanie Wienfort vor einem Regal mit Autolacken.
In ihrem Element: Stephanie Wienfort vor einem Regal mit Autolacken. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Notwendig sei es dennoch. Den man führe ja einen Betrieb von dem man möchte, dass er Bestand hat. Folglich muss er wirtschaftlich arbeiten. „An unseren rund 50 Mitarbeitern hängen ja auch Angehörige. Und für alle sind wir verantwortlich, damit sie ihr Auskommen haben.“ Ob sie an diese Verantwortung oft denke? Ja. Mehr noch, erzählt die 55-Jährige. „Es ist auch manchmal eine Belastung – weil es ja nicht immer so läuft, wie man es sich wünscht.“

Stephanie Wienfort aber wirkt mehr als zufrieden mit ihrem Berufsleben. Sie ist eine taffe Frau, die ihren Platz gefunden hat, die selbstbewusst agiert und ein gutes Vorbild ist für junge Frauen. „Ich möchte nicht mehr zurück in ein Angestelltenverhältnis. Anweisungen entgegen nehmen – damit täte ich mich schwer“, sagt sie. „Ich würde diesen Weg immer wieder gehen. Aber du musst bereit sein, für diese Freiheit auf andere Freiheiten zu verzichten.“ Stichwort: Work-Life-Balance, wie man neudeutsch sagt. Als Unternehmerin müsse man dann arbeiten, wenn die Arbeit anfällt.

Die Unternehmerin setzt sich für Frauen im Job ein

Als sie vor knapp drei Jahrzehnten in den Betrieb einsteigt, sucht Stephanie Wienfort nach einem Bereich, in dem sie sich besonders engagieren kann. Im Lackierbetrieb wird sie fündig. „Der war damals das zweite Standbein und die Branche war im Umbruch. Früher lief das alles von alleine. Da warst du der einzige Lackierer und die Autohäuser haben die Autos gebracht.“ Heute ist der Lackierbetrieb modern und gut aufgestellt, gibt Unfallautos ebenso eine schöne neue Lackierung wie Oldtimern oder, auf Wunsch, sogar alten Möbeln und Küchen.

War die Werkstatt damals noch ein Reich nur für Männer, ist das heute anders. Dafür hat sich Stephanie Wienfort eingesetzt. Ganz bewusst fördert sie junge Frauen, die sich für einen „Männerberuf“ interessieren, stellt sie als Auszubildende ein – und findet doch, da geht noch mehr. „Ausbaupotenzial gibt es auf alle Fälle.“ Denn die Unternehmerin sieht große Chancen darin, mehr Frauen im Handwerk einzustellen. Heute seien die Möglichkeiten anders, gebe es viele Hilfsmittel, die fehlende Körperkraft ausgleichen, und die Hilfsbereitschaft der Kollegen sei größer. „Meine Frauen sind manchmal strukturierter im Denken. Das finde ich für eine Frau im Handwerk total wichtig.“ Wobei: „Ich würde diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern auch nicht überbewerten“, sagt Stephanie Wienfort und lacht. „Wenn ich als Frau besser bin als der Kerl, dann bin ich besser. Dann darf und muss ich das auch selbstbewusst verkaufen.“