Gelsenkirchen-Feldmark. Vernachlässigt die Stadt Gelsenkirchen den Stadtbauraum zu sehr? Managerin Elke Schumacher zieht nun jedenfalls drastische Konsequenzen.

21 Jahre war der Stadtbauraum im Schacht Oberschuir für Elke Schumacher wie ein Zuhause. Für sie ist es „der schönste Pütt der Welt“, dieser historische Ort an der Boniverstraße, der in der Vergangenheit fester Bestandteil als Stätte der Gelsenkirchener Kultur- und Kunstszene war. Am Ende dieses Jahres wird Schluss sein: „Ich kann nicht mehr, es geht nicht mehr“, sagt die Veranstaltungsmanagerin. Die 65-Jährige hat jetzt fristgerecht zum 3. Juli ihren Bewirtschaftungsvertrag mit der Stadt gekündigt.

Ärger um Gelsenkirchens Stadtbauraum: Nun folgen drastische Konsequenzen

Diese Entscheidung ist ihr nicht leicht gefallen, das merkt und hört man ihr an. Und doch ist sie unumgänglich: „Bis zum Jahresende bin ich da definitiv raus und werde bis dahin mein Eigentum entfernen“, erklärt Schumacher. „Ich kann es einfach nicht mehr unter den Bedingungen, das ist wirtschaftlicher Selbstmord.“

Notdürftig gesichert: In Gelsenkirchens marodem Stadtbauraum gibt es mittlerweile einige Stolperfallen, die zur Stolperfalle werden könnten.
Notdürftig gesichert: In Gelsenkirchens marodem Stadtbauraum gibt es mittlerweile einige Stolperfallen, die zur Stolperfalle werden könnten. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Der Bewirtschaftungsvertrag zwischen dem Referat Kultur der Stadt und Elke Schumacher besteht seit 2016. Geregelt ist darin, dass sie einen Festbetrag für die selbstständige Bewirtschaftung des Stadtbauraums erhält. Angepasst wurde dieser Vertrag im August 2022 – „seitdem erhöht sich der Festbetrag, den Frau Schumacher monatlich erhält, um die Mieteinnahmen, die durch die Vermietung des Stadtbauraums eingenommen werden“, heißt es seitens der Stadt.

„Ich kann doch hier keinen reinlassen“ – Gefahr durch bauliche Mängel in Gelsenkirchener Stadtbauraum

Für Elke Schumacher ist das keine erträgliche Lösung, schließlich würden sich auch sämtliche Kosten erhöhen, die mit den Mieteinnahmen einhergehen – wie etwa für die Homepage, Reinigung und Reinigungsmaterial, Rundfunkbeitrag, GEMA, Kleinmaterial, Internet, Kosten für das Equipment, das sie oftmals aus eigener Tasche bezahlt habe. Laut Schumacher reicht das Geld hinten und vorne nicht – zu den Betriebskosten kommen beispielsweise hohe Versicherungsbeiträge. Die Veranstaltungsmanagerin steht vertraglich in der Haftung, sollte Gästen während einer Veranstaltung im sanierungsbedürftigen Stadtbauraum etwas passieren.

Und da gibt es eben ein noch viel größeres Problem: „Ich kann doch hier keinen reinlassen“, sagt Elke Schumacher und verweist auf diverse Mängel innerhalb und außerhalb des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes. Im Sommer des vergangenen Jahres lösten sich Steine vom Gesims, ein etwa 20 Zentimeter großes Stück landete nur knapp neben einer Nachbarin Schumachers. Bei einer Veranstaltung im Stadtbauraum rieselte der Putz ins Buffet. Nach einer weiteren Veranstaltung baut Elke Schumacher die Stühle selbst ab, einen Hausmeister hat sie nicht – und stürzt in ein Loch, ist seitdem angeschlagen. Vielen großen Firmen, die gerne und regelmäßig an die Boniverstraße kamen, musste Schumacher aus Sicherheitsgründen absagen, lukrative Veranstaltungen seien massiv weggebrochen.

Ein Baugerüst sichert die Außenfassade des Gelsenkirchener Stadtbauraums: Im vergangenen Jahr hatte sich ein Stück aus dem Gesims gelöst und nur knapp eine Nachbarin verfehlt.
Ein Baugerüst sichert die Außenfassade des Gelsenkirchener Stadtbauraums: Im vergangenen Jahr hatte sich ein Stück aus dem Gesims gelöst und nur knapp eine Nachbarin verfehlt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Seit Jahren weise ich die Stadt immer und immer wieder darauf hin, dass es sicherheitsrelevante Mängel am Gebäude gibt“, sagt Schumacher. Nach dem Vorfall im August 2022 wurden Absturzsicherungen angebracht – seitdem sei nichts passiert, wie Elke Schumacher berichtet. Wasser dringe ein, es gebe massive weitere Schäden. „Ich habe das Gefühl, es besteht kein Interesse daran, das Gebäude zu erhalten“, sagt Schumacher bitter. Sie hätte so viele Jahre gekämpft, „das war ja mal die gute Stube der Stadt, bei uns hat die Hütte gebrannt.“

Fühlt sie sich von der Stadt im Stich gelassen? „Ja, massiv“, ist Elke Schumachers prompte Antwort.

Aber wie sieht die Stadt die Zukunft des Denkmals? „Der Stadtbauraum soll weiterhin als öffentliche Kulturstätte der Stadtgesellschaft zur Verfügung stehen. Die Verwaltung erarbeitet derzeit ein Konzept“, so Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage der Redaktion.

Bereits am 10. Mai stand der Stadtbauraum auf der Tagesordnung des Kulturausschusses. SPD, CDU, Grüne und FDP hatten gemeinsam einen Sachstandsbericht der Verwaltung gefordert. Detlef Voits, Abteilungsleiter im Referat Bau und Liegenschaften, gab Auskunft: „Die Verwaltung ist sich der Bedeutung des Stadtbauraums bewusst“, behauptete er. Die aktuellen Schäden stellten zwar keine akute Gefahr dar – „allerdings sehen wir eine Sanierung als notwendig an, um mittel- und langfristig weitere Schäden abzuwenden.“

Kosten für die Stadtbauraum-Sanierung: „Sicherlich im siebenstelligen Bereich“

Jetzt gehe es aber erst einmal darum, eine genaue Bestandsaufnahme zu machen, so Voits im Mai. „Aktuell läuft eine Ausschreibung, um einen Gutachter zu finden, der dann feststellt, wie groß das Ausmaß der Schäden ist“, erklärte Voits das Vorgehen. Damit könne man dann auf die Denkmalbehörden zugehen, die Kosten schätzen und die Maßnahmen ausschreiben. Voits hofft, dass bis Ende des Jahres ein Sanierungskonzept auf die Beine gestellt werden kann.

Der Verwaltungsmitarbeiter betonte allerdings, dass die Außensanierung Vorrang vor der Innensanierung habe – und stieß mit dieser Haltung auf Kritik bei vielen Ausschussmitgliedern, die wollen, dass auch im Innenraum zügig mit den Arbeiten begonnen wird.

Auf Kosten und mögliche Fördermöglichkeiten angesprochen, wollte sich der Baureferatsmitarbeiter keine konkrete Aussage entlocken lassen – „wir bewegen uns aber sicherlich im siebenstelligen Bereich“, sagte er. Voits wies darauf hin, dass Förderanträge für das kommende Jahr bis Ende September bei der Bezirksregierung eingereicht werden müssten. Dass das noch gelingen kann, bezweifelt Elke Schumacher.

Sie gehe mit „Groll und Zorn“, sagt sie nach über zwei Jahrzehnten Engagement und Einsatz für den Stadtbauraum. Dass sie sich aber nicht komplett zurückzieht, machen ihre Pläne deutlich: Sie hat sich in den vergangenen Wochen darum gekümmert, den Förderverein „Galerie Architektur und Arbeit Gelsenkirchen“ wieder erstarken zu lassen, über 20 neue Mitglieder habe sie schon gewonnen. Eigentum des Fördervereins sind übrigens sämtliche Stühle, Tische und Beleuchtung im Stadtbauraum. Im Zuge einer Auflösung fiele all das an die NRW-Stiftung zurück, erklärt Schumacher. Für den 25. Juli (17.30 Uhr im Stadtbauraum) ist eine Mitgliederversammlung geplant. Elke Schumacher wird dabei sein, sagt sie. „Ich will das Haus nicht alleine lassen.“