Gelsenkirchen/Bochum. Rocker-Beerdigung in Gelsenkirchen: 300 Freeway Rider’s haben einen ihrer Kameraden zu Grabe getragen. Über die letzte Reise im Motorrad-Korso.

Gut 300 Rocker der Freeway Rider’s haben ihrem Bruder Bernd „Bär“ O. am Samstag das letzte Geleit gegeben. Nach einer Trauerfeier für den 60-jährigen Bochumer auf dem Gelsenkirchener Clubgelände am Bahnwerk Bismarck (Grimbergstraße) ging es per Motorrad-Korso und Polizei-Eskorte zu seiner letzten Ruhestätte. Beigesetzt wurde „Bär“ auf dem Südfriedhof in Gelsenkirchen-Ückendorf.

Leder und Chrom, so weit das Auge reicht. Abordnungen von mehr als 31 Chaptern (Ortsgruppen) der Freeway Rider’s aus ganz Deutschland haben sich am Samstag auf dem Clubgelände am Bahnwerk Bismarck versammelt.

Rocker-Beerdigung in Gelsenkirchen: Samt, Fackeln und Kutte am Bahnwerk Bismarck

Die Bühne auf dem Gelsenkirchener Clubgelände der Freeway Rider’s am Bahnwerk Bismarck.
Die Bühne auf dem Gelsenkirchener Clubgelände der Freeway Rider’s am Bahnwerk Bismarck. © Foto: Kimerlis

Fackeln flackern an der Bühne, unter der ein Tisch mit einer roten Samtdecke steht, darauf das Kondolenzbuch, in das sich die Biker eintragen. Viele der Rocker tragen ein schwarzes Hemd und rote Krawatte unter ihrer Kutte. Ihr Gang führt sie vorbei an einer Staffelei mit einem Bild ihres einstigen Weggefährten, an seiner silbernen Harley-Davidson, über deren Satteltaschen die Kutte des 60-Jährigen hängt. Und an den Angehörigen, seiner Familie und den engen Freunden, ihnen gebührt die erste Reihe, ihnen sprechen sie hier und später am Grab ihr Mitgefühl aus.

Auf dem Weg zur letzten Ruhestätte auf dem Gelsenkirchener Südfriedhof folgen die Rocker dem Wagen mit der Urne.
Auf dem Weg zur letzten Ruhestätte auf dem Gelsenkirchener Südfriedhof folgen die Rocker dem Wagen mit der Urne. © Foto: Kimerlis

Es ist keine Andacht im christlichen Sinne, die auf dem Clubgelände stattfindet, mit Geistlichen, Gebet und Co.. Nach Rocker-Art wird sich in mehreren kurzen Reden an das erinnert, was den Bochumer Bernd O. ausgemacht hat.

Der 60-jährige gelernte Stuckateur und spätere Bauunternehmer war demnach unter anderem ein Schelm, der diebische Freude daran hatte, anderen einen Streich zu spielen, da machte er auch vor den drei Kindern oder seiner Frau Karin nicht Halt.

„Ein absoluter Familienmensch, der seinen Kindern nichts abschlagen konnte“, heißt es, und der abseits des Berufs- und mitunter wilden Clublebens Entspannung und Ruhe fand, wenn er Gas und Kupplung gegen „Angel und Köder tauschen konnte“.

Untermalt wird das Gedenken mit Lieblingsliedern des Verstorbenen, beispielsweise mit dem Song „Bad News“ des US-amerikanischen Sängers und Songwriters John David „Moon“ Martin. Oder mit „Brothers in Arms“ von den Dire Straits. Was auffällt, insbesondere auf dem Friedhof später: Es ist sehr still, Schulklassen sind da mitunter lauter im Unterricht – ein Indiz für eiserne Disziplin der Rocker beim „goodbye“.

Das ist die Harley-Davidson des verstorbenen Freeway Rider’s Bernd O..
Das ist die Harley-Davidson des verstorbenen Freeway Rider’s Bernd O.. © Foto: Kimerlis

Motorrad-Korso der Freeway Rider’s zum Gelsenkirchener Südfriedhof

Laut wird es erst, als sie ihre schweren Maschinen anschmeißen und Aufstellung nehmen, um Bernds Urne von Bismarck nach Ückendorf zu geleiten. Über die Grimbergstraße, Ostpreußenstraße und Günnigfelder Straße geht es im knatternden Korso zum Südfriedhof. Die Polizei vorneweg, dahinter die Biker und der silberne Van von Silke Tibulsky-Haker vom Beerdigungsinstitut Aust mit der Urne.

Hier an der Stadtgrenze zu Wattenscheid sollen die sterblichen Überreste des 60-Jährigen, der Mitglied im Bochumer Chapter war, beigesetzt werden. Auf dem Weg dahin bleiben viele Passanten stehen, recken die Köpfe oder zücken ihre Handys.

Das liegt an der beeindruckenden Länge des Trosses von mehreren Hundert Metern. Und an der Polizei, die mit Blaulicht die Eskorte bildet und dafür sorgt, dass die Trauergäste problemlos ihr Ziel erreichen und dafür, dass es keine Verkehrsbehinderungen gibt. „Es hat alles gut geklappt“, sagt Christoph Hachulla, Einsatzleiter der Gelsenkirchener Polizeibehörde. Es habe keinerlei Probleme oder besondere Vorkommnisse gegeben.

Angekommen auf dem Gelsenkirchener Südfriedhof. Gleich wird sich die Trauergesellschaft der Freeway Rider’s auf den Weg zum Urnengrab machen. Im Hintergrund rechts das Gebäude von Lavia - Institut für Familientrauerbegleitung.
Angekommen auf dem Gelsenkirchener Südfriedhof. Gleich wird sich die Trauergesellschaft der Freeway Rider’s auf den Weg zum Urnengrab machen. Im Hintergrund rechts das Gebäude von Lavia - Institut für Familientrauerbegleitung. © Foto: Kimerlis

Auf dem Südfriedhof versammeln sich die Freeway Rider’s zunächst um eine Beisetzungslafette. Bestatterin Silke Tibulsky-Haker hat die Urne inmitten von Kränzen und Rosen drapiert, auch die Kutte von „Bär“ liegt bei den Grabbeigaben. Seine Mutter sitzt im Rollstuhl daneben, die alte Dame behält tapfer die Contenance, wenn sich die Rocker zu ihr hinunterbeugen und ihr ihr Beileid aussprechen.

Abschied von einem „Freeway Rider’s“-Rocker: Ein letztes Bier und eine Punk-Hymne

Und wieder setzt sich ein Tross in Bewegung, dieses Mal allerdings zu Fuß. Wenn überhaupt, wird leise miteinander geredet. Ein Clubfotograf dokumentiert dabei Bernds letzten Weg.

An seiner letzten Ruhestätte erinnert Schwiegersohn Theo daran, wie sein späterer Schwiegervater als „Free Wheeler“ den Weg zu den Freeway Rider’s fand. Der Verstorbene gehörte früher den „Free Wheel’s“ an, einem Unterstützer-Club der Rider’s. Gut 15 Jahre ist das Kennenlernen der beiden her. Er ist es auch, der „Bärs“ Maschine zum letzten Mal bewegt. Theo gibt „alle denen, die nach uns kommen“ mit auf den Weg, dass „jeder Patch, jeder Stich mit Stolz zu tragen ist“. Patches sind die Aufnäher und Abzeichen auf der Kutte.

Die Urne mit den sterblichen Überresten des Freeway Rider’s Bernd O.. Der 60-Jährige wurde in Gelsenkirchen beigesetzt.
Die Urne mit den sterblichen Überresten des Freeway Rider’s Bernd O.. Der 60-Jährige wurde in Gelsenkirchen beigesetzt. © Foto: Kimerlis

Mit „Das letzte Geleit“ von der Berliner Punkband „Berliner Weisse“ senkt sich die Urne dann ins Grab. „Bärs“ Frau und die Kinder geben ihm noch einen letzten Schluck Bier mit. Krefelder, das liebte der 60-Jährige so sehr. Dazu tönt es aus einem Lautsprecher: „Mach’s gut mein Freund, mach’s gut mein Bruder, meine Liebe und mein Glück. Ich bin überzeugt, wir sehen uns wieder. Und holen die alte Zeit zurück.“