Gelsenkirchen. Schalke 04 ist wieder in die zweite Liga abgestiegen, aber diesmal ist vieles anders. Die Fans sind stolz, nicht wütend. Das ist der Grund.
Da war dieser eine Moment, als in der 49. Minute Willi Orban den Ball unglücklich ins eigene Tor lenkte. Tor! 2:2! Schalke war wieder da, die Hoffnung wieder groß. Gelsenkirchen bebte. Die Schalker Gefühlswelt der vergangenen Monate kumulierte in diesem Moment. S04 lag früh mit 2:0 gegen Leipzig zurück – so wie Schalke die Hinrunde vergeigte. Doch Schalke kam wieder zurück, war wieder dran – so wie die Gelsenkirchener sich in der Rückrunde zurück ins Rennen um den Klassenerhalt gerackert hatten.
Das Ende ist bekannt. Es hat nicht gereicht für einen Sieg gegen Leipzig, nicht gereicht für Liga 1. Schalke geht nach nur einem Jahr im Oberhaus des deutschen Profifußballs wieder den schweren Gang in die Zweitklassigkeit.
Schalke steigt schon wieder ab, aber diesmal ist vieles anders
Und doch ist diesmal alles anders. Dieser Abstieg hat inhaltlich nichts mit dem gemein von 2021. Wo vor zwei Jahren noch Wut und Enttäuschung über eine Mannschaft herrschten, die sich kampflos jedem Gegner ergab, verstummten die Gespräche diesmal nur kurz. Ein kurzes Innehalten, ein tiefer Seufzer, ein Schluck Bier.
Und dann: „Schade, aber die Jungs haben in der Rückrunde alles gegeben.“, „Wer absteigen kann, kann auch wieder aufsteigen, wir kommen wieder.“ und „Wenigstens ist Dortmund nicht noch Meister geworden.“ waren Sätze, die an diesem Samstagnachmittag Hunderttausende Male im blau-weißen Kosmos ausgesprochen wurden. Der Abstieg, er tut weh, aber nicht mehr so sehr wie der von 2021.
Damals machten Fans ihrem Ärger Luft, einige sorgten für Bilder, die durch die Republik gingen. Verantwortliche und Spieler der Abstiegsmannschaft wurden bei ihrer Ankunft an der heimischen Arena am späten Abend beleidigt, von einem wütenden Mob sogar über den Arenaring gejagt.
Wütend war diesmal keiner, enttäuscht ja, aber aufgebracht sicher nicht. Der Verein und sein Sicherheitsdienst wollten dennoch auf Nummer sicher gehen, weshalb sie am Samstagabend gar das Gelände absperrten. Die Mannschaft flog mit einer Charter-Maschine von Halle nach Essen/Mülheim, wurde mindestens auf den letzten Metern von einem Streifenwagen eskortiert.
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Diese Vorkehrungen, sie erwiesen sich als gänzlich unnötig. In der Spitze waren bis zu zehn Fans zum Berger Feld gekommen, um zumindest durch den Zaun noch einen Blick auf ihre Mannschaft werfen zu können. Als der Mannschaftsbus um kurz vor 22 Uhr auf das Gelände fuhr, warteten nur noch drei Journalisten, um zu beobachten, wie ein Spieler nach dem anderen mit gesenktem Kopf in sein Auto stieg und davonfuhr. Still senkte sich die Sonne hinter dem großen Schalke-Emblem auf dem Dach des Schalker Verwaltungsgebäudes. Die Kneipen an der Kurt-Schumacher-Straße, Gelsenkirchens „Schalker Meile“, waren da schon so gut wie leer. Es gab eben nichts zu feiern, aber auch keine große Trauer, die es in Bier zu ertränken galt.
„Am Ende ist es nämlich tatsächlich so, dass für Schalker schwerer wiegt, wie man abgestiegen ist und nicht ob. Wer kämpft, darf auch verlieren, wer nicht kämpft, hat bereits verloren“, sagt Schalke-Fan Ralf, der an diesem Abend noch eine Runde mit seinem Fahrrad um die Arena dreht. Mehr Pathos geht kaum. So ist Schalke aber eben, der „Kumpel- und Malocherclub“. In Gelsenkirchen haben sie damit ihren Frieden gemacht – zumindest für den Moment.