Gelsenkirchen. „Viele haben die Nase voll“: Mit einem Protest-Tag wollen sich Apotheken gegen die „Sparpolitik“ wehren. Das hat Folgen für die Kunden.
Bundesweit schlagen Apothekerinnen und Apotheker Alarm. Schon seit längerer Zeit sehen sie sich am Limit, haben mit Lieferengpässen, Personalnot und Unterfinanzierung zu kämpfen: „Die Situation wird immer schwieriger“, sagt Christian Schreiner. Für viele Apotheken sei das langsam existenzgefährdend, so der Sprecher der Gelsenkirchener Apothekerschaft. Am Mittwoch, 14. Juni, wird es deshalb einen bundesweiten Protest-Tag geben, bei dem die Pharmazeuten auf ihre Lage aufmerksam machen wollen: Ihre Apotheken lassen sie dann geschlossen. Die Versorgung mit Medikamenten ist über den Notdienst gewährleistet.
Apotheken am Limit: Bundesweiter Protest-Tag soll auch in Gelsenkirchen stattfinden
Ihren Protest richten die Apotheker Richtung Berlin, wehren wollen sie sich gegen die „Sparpolitik“ der Bundesregierung: „Wir möchten der Politik sagen, dass es so nicht weitergehen kann“, erklärt Christian Schreiner stellvertretend für seine (noch) vielen Kolleginnen und Kollegen. Auch er wird sich beteiligen, will sich an besagtem 14. Juni vor seine Apotheke in Buer stellen, seine Patientinnen und Patienten aufklären, mit Flugblättern, Worten, Erklärungen.
Der Kreisvertrauensapotheker hofft auf mehr Verständnis und eine Veränderung der Wahrnehmung: „Viele Menschen denken: Den Apothekern geht’s doch gut. Wir kommen von diesem Image nicht weg“, sagt Schreiner. Dabei sei das längst nicht mehr überall der Fall. Laut Schreiner verliert Deutschland pro Tag rein statistisch gesehen 1,5 Apotheken. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, kurz Abda, hat Konkretes dazu veröffentlicht: Demnach fiel Zahl der Apotheken in Deutschland in den letzten 15 Jahren von 21.602 auf 18.068 Ende 2022.
Apotheken fehlt der Nachwuchs – Versorgung bald nicht mehr zu gewährleisten?
Viele junge Nachwuchskräfte würden den Schritt in die Selbstständigkeit gar nicht erst wagen, sich fragen: „Warum soll ich das Risiko überhaupt eingehen?“, so Schreiner. Genau dieser Nachwuchs fehle dann am Ende, „wir überaltern extrem“. Wenn die Situation weiterhin so „bedrohlich“ sei, wäre eine flächendeckende Versorgung nicht mehr zu gewährleisten, warnt Schreiner.
Das Problem – und deshalb sehen Schreiner und die vielen anderen Apotheker auch die Gesetzgeber in der Pflicht: Mit den Jahren wurden beispielsweise Apothekerhonorare nicht angehoben, die bislang letzte Erhöhung erfolgte 2013. „Das so genannte Fixum ist seit zehn Jahren nicht erhöht worden“, erklärt Christian Schreiner, seine Kosten aber würden weiter und weiter steigen. Über die Jahre sei das System so komplex geworden, dass es nicht mehr kostendeckend sei, eine Apotheke zu betreiben, so Schreiner. Ein Inhaber verdiene manchmal weniger als seine Angestellten, die Wirtschaftlichkeit steht infrage.
Gelsenkirchens Apothekerschaft: „Viele haben die Nase voll“
Zur Einordnung gibt der Apotheker einen Einblick: 20 Prozent seines Umsatzes macht Schreiner in seiner Apotheke durchs Nebensortiment. Seine Haupteinnahmequelle sind die verschreibungspflichtigen Medikamente. Pro Packung bekommt er eine Pauschale, die nichts mit dem jeweiligen Arzneimittelpreis zu tun hat. Egal also, ob bei Christian Schreiner ein Medikament für 20 oder für 5000 Euro über die Theke wandert, er bekommt immer dieselbe Summe von der Krankenkasse.
Eine weitere Forderung der Apotheker: der Schutz vor Retaxationen. Hinter dem sperrigen Begriff steckt eine einfache Methode: Die Krankenkassen können die Erstattung eines bereits an den Patienten abgegebenen Medikaments verweigern – wenn Formfehler vorliegen, etwa wenn das Rezept falsch ausgestellt wurde oder es nicht mehr gültig ist.
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Christian Schreiner hofft nun, dass sich am 14. Juni möglichst viele seiner Apotheker-Kollegen auch in Gelsenkirchen beteiligen. „Viele haben die Nase voll, jetzt muss endlich etwas passieren.“