Gelsenkirchen. Die Stadt Gelsenkirchen hängt bei den Gewerbesteuereinnahmen plötzlich alle anderen Kommunen im Ruhrgebiet ab. Was mit dem Geld passiert.

Deutlich mehr Gewerbesteuern eingenommen haben die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr. Insgesamt 15,4 Milliarden Euro flossen nach Angaben des Statistischen Landesamtes in die Stadtkassen der Kommunen – und damit rund 15 Prozent mehr als 2021. Bemerkenswert: Gelsenkirchen hat seine Gewerbesteuern sogar mehr als verdoppelt, ein solches Plus hat keine andere Revier-Kommune geschafft.

Gelsenkirchen nimmt 2022 rund 219 Millionen Euro an Gewerbesteuern ein

In der Emscherstadt wuchsen die Gewerbesteuereinnahmen von rund 102 Millionen Euro auf rund 219 Millionen Euro (plus 117 Millionen Euro). Ein ähnlich großes Wachstum hat nur noch Duisburg zu verzeichnen, die an Einwohnern beinahe doppelt so große Stadt verzeichnete 112 Millionen Euro mehr auf der Habenseite. Beide Kommunen zählen auch im NRW-Vergleich nach Düsseldorf zu den Städten mit dem stärksten Wachstum.

Düsseldorf konnte seine Einnahmen um 277 Millionen Euro auf nunmehr rund 1,3 Milliarden Euro steigern, die Landeshauptstadt hat damit allein mehr eingenommen als die drei größten Revierstädte Dortmund (rd. 428 Millionen Euro), Essen (rd. 412 Millionen Euro) und Duisburg (rd. 348 Millionen Euro) zusammen – das Trio kommt auf insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro.

Statistiker: Corona-Hilfen könnten zu den hohen Zuwächsen geführt haben

Umgerechnet kommt Gelsenkirchen den Statistikern zufolge pro Kopf auf rund 837 Euro an Gewerbesteuereinnahmen. Damit liegt die Emscherstadt auch vor Dortmund (722 Euro/je Einwohner), Essen (707 Euro je Einwohner) und Duisburg (696 Euro je Einwohner). Düsseldorf als näher gelegene Stadt sticht in dieser Statistik mit 1996 Euro an Gewerbesteuereinnahmen je Einwohner erneut heraus.

Die Gewerbesteuer gehört neben der Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen einer Stadt. Steuerpflichtig sind die Gewerbetreibenden vor Ort. Die Höhe des Steueraufkommens spiegelt daher sowohl die Ertragskraft der lokalen Wirtschaft wider als auch die konjunkturelle Lage.

Als möglichen Grund für die teils hohen Zuwächse vermutete das Statistische Landesamt „Kompensationszahlungen“, also Corona-Hilfen, die den Betrieben in der langen Krise zugutekamen. 2020 waren die Unternehmensgewinne aufgrund der Pandemie stark eingebrochen. Ein Jahr später erreichten sie schon wieder Vorkrisenniveau.

Gelsenkirchens Kämmerer Luidger Wolterhoff will die Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer nach Möglichkeit dafür benutzen, Corona-Schulden zu bezahlen.
Gelsenkirchens Kämmerer Luidger Wolterhoff will die Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer nach Möglichkeit dafür benutzen, Corona-Schulden zu bezahlen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Gelsenkirchener Kämmerer: Mit Mehreinnahmen die Corona-Schulden begleichen

Gelsenkirchens Kämmerer Luidger Wolterhoff bestätigt den Zusammenhang mit der Pandemie, erklärt das außergewöhnliche Einnahmenplus mit „Nachholeffekten“ nach der Corona- und Energiekrise. „Es wurde danach wieder mehr gekauft und bestellt“, so Wolterhoff, der zugleich aber klarstellte, dass es sich nach seiner Lesart um einen „Einmaleffekt“ handelt.

„Es wäre ein Fehler, diese Einnahmen als Aufsetzpunkt für die künftigen Gewerbesteuereinnahmen in Gelsenkirchen anzusehen“, sagt Wolterhoff. Der Kämmerer betrachtet das Mehr auf der Habenseite als unverhoffte Gelegenheit, „angesammelte Schulden aus der Corona-Krise bis 2026 auslösen zu können“. Damit entfiele die vom Bund vorgesehene Option, Corona-Schulden über eine Spanne von 50 Jahren zu strecken.

Wolterhoff sieht dabei allerdings auch die Gefahr, dass weitere massive Preissteigerungen dazu führen könnten, dass das Plus aus den Gewerbesteuereinnahmen „im nächsten Haushalt eingesetzt werden müsste und damit schnell aufgebraucht würde“.

Für 2021 stehen „22,4 Millionen Euro an Schulden“ in den Büchern. Für den Zeitraum 2023 bis 2026 „rechnet die Stadt mit 142 Millionen Euro – darin enthalten sind nicht nur coronabedingte Minuserträge wie noch in 2021, sondern auch kriegsbedingte Schulden, etwa für die Unterbringung von Flüchtlingen“.