Gelsenkirchen. Von den Grünen bis zum Arbeitgeberverband ist man alarmiert: Es geht um angebliche neue Pläne für die Arbeitsagentur in Gelsenkirchen.

Sowohl beim örtlichen Arbeitgeberverband wie auch bei den Gelsenkirchener Grünen ist die Sorge groß: Sollen die Arbeitsamtsbezirke in Gelsenkirchen/Bottrop und im Kreis Recklinghausen tatsächlich zusammengelegt und einer gemeinsamen Geschäftsführung unterstellt werden? Die als gut informiert geltende Grünen-Ratspolitikerin Ingrid Wüllscheidt hat nach eigener Aussage von mehreren Stellen von einem entsprechenden Plan gehört – und will sich nun schnellstmöglich dagegen wehren.

„Eine Fusion der Arbeitsamtsbezirke würde eine Schwächung der Ressourcen der Agenturleitung für Gelsenkirchen bedeuten“, ist die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Ratsfraktion und stellvertretende Fraktionsvorsitzende sicher. „Wir Grüne appellieren daher an die Bundesagentur für Arbeit ihr eigenes Motto ,Krisen bewältigen – Neues bewegen‘ ernst zu nehmen und von einer Fusion abzusehen“.

Arbeitgeberverband: Fusion von Gelsenkirchen und Recklinghausen wäre ein „verheerendes Signal“

Von den Gerüchten gehört hat auch Michael Grütering, Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände Emscher-Lippe. Und auch er lehnt entsprechende Überlegungen entschieden ab. „Das wäre ein verheerendes politisches Signal“, sagt der Rechtsanwalt. Zwischen dem Kreis Recklinghausen und Gelsenkirchen existierten „gravierende Unterschiede“, eine Zusammenlegung werde der „besonderen Situation“ Gelsenkirchens nicht gerecht. Sollte die Agentur für Arbeit zu dem Ergebnis kommen, dass eine Zusammenlegung „rein mathematisch“ leistbar und aus Effizienzgründen anzupeilen sei, so müsse man dennoch „gründlichst überlegen, bevor man einen solchen Schritt geht“, so Grütering.

Die Unterschiede der Bezirke zeigen sich alleine mit Blick auf die Arbeitsmarktzahlen. So lag die Arbeitslosenquote im März 2023 in Gelsenkirchen beispielsweise bei 14,7 Prozent, im gleichen Zeitraum im Kreis Recklinghausen hingegen nur bei 5,7 Prozent. Diese Statistik umfasst sowohl die Empfänger von Arbeitslosengeld I wie auch alle Bürgergeld-Berechtigten (ehemals Hartz IV).

Grünen-Ratspolitikerin Ingrid Wüllscheit: „Die Bundesagentur für Arbeit sollte von einer Fusion absehen.“
Grünen-Ratspolitikerin Ingrid Wüllscheit: „Die Bundesagentur für Arbeit sollte von einer Fusion absehen.“ © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

Die Bundesagentur für Arbeit befasst sich zwar schwerpunktmäßig mit dem wesentlich kleineren Kreis der Arbeitslosengeld-I-Empfänger (Rechtskreis SGB III), während das Jobcenter jene Klienten betreut, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Allerdings spielt die Bundesagentur für Arbeit etwa auch bei der „Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz für junge Leute eine entscheidende Rolle“, wie Michael Grütering anmerkt. Und auch hier steht Gelsenkirchen vor besonderen Herausforderungen: Beispielsweise bricht hier fast jeder dritte Azubi seine Ausbildung ab, während es NRW-weit nur jeder vierte ist. Auch die Jugendarbeitslosigkeit und die Zahl der jungen Leute, die die Schule ohne Abschluss verlassen, ist in der Emscherstadt besonders hoch.

Gelsenkirchener Grüne wollen handeln, bevor „Grundsatzentscheidungen getroffen werden“

Doch was sagt die Bundesagentur für Arbeit selbst? Stimmen die Fusionsgerüchte? Auf Nachfrage der WAZ gibt es von der Behörde weder ein klares Ja noch ein klares Nein. „Im Hinblick auf die Befürchtungen der Grünen-Ratsfraktion Gelsenkirchen möchten wir feststellen, dass uns noch keine konkreten Inhalte zu einer möglichen Fusion vorliegen“, heißt es von Sprecherin Nathalie Ullrich zwar. Aber die Rahmenbedingungen für die Agenturen unterlägen eben auch einem stetigen Wandel. Dabei sei es der Bundesagentur wichtig, „ihr Verwaltungshandeln stets zu prüfen und zu optimieren“, so Ulrich. „Und dazu werden immer wieder interne Strukturen hinterleuchtet und zur Diskussion gestellt.“

Sollten dabei auch Überlegungen zu einer möglichen Fusion von Recklinghausen und Bottrop/Gelsenkirchen getätigt werden, so werde man die Lokalpolitik hier aber auch rechtzeitig einbinden, versichert Ulrich.

Die Grünen wollen allerdings nicht darauf warten, sondern das Thema schon einmal selbst auf die Themenpalette der Politik setzen. Für den Sozialausschuss am 3. Mai beantragt die Fraktion deshalb einen Tagesordnungspunkt, „um Gefahren einer möglichen Zusammenlegung zu benennen, zu bewerten und frühzeitig deutliche Signale nach Nürnberg und Düsseldorf zu setzen“. In Nürnberg liegt die Zentrale der Bundesagentur, in Düsseldorf die Regionaldirektion NRW. „Frühzeitig“ heißt für Wüllscheidt: „Bevor dort Grundsatzentscheidungen getroffen werden, die dann möglicherweise zwar noch lokal diskutiert werden können, aber dann schon unumkehrbar sind.“