Gelsenkirchen. 40 Jahre Magazin-Bestehen, 20 Jahre Festival in Gelsenkirchen: Macher von „Rock Hard“ haben 2023 gleich doppelten Grund, um es krachen zu lassen.

In diesem Jahr gibt es für die „Rock Hard“-Macher gleich zwei Gründe, um es richtig krachen zu lassen: Das Musikmagazin feiert seinen 40. Geburtstag, das gleichnamige Festival in Gelsenkirchen wird exakt halb so alt. Seit 2003 verwandelt sich das Amphitheater im Nordsternpark stets über Pfingsten in das Mekka aller Metal-Fans. Und auch diesmal werden wieder Tausende Schwermetaller aus der gesamten Republik und dem benachbarten Ausland in Horst erwartet. Der passende Zeitpunkt, um mit Herausgeber und Festival-Gründer Holger Stratmann zurück, aber auch auf die Gegenwart zu blicken.

Bei der Festival-Premiere 2003 gehörten Saxon und Doro Pesch zum Line-Up

Komm her und schüttel dein Haar für mich: Auch die Metaller der Band The Very End lassen ihre Haarpracht gern kreisen.
Komm her und schüttel dein Haar für mich: Auch die Metaller der Band The Very End lassen ihre Haarpracht gern kreisen. © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka

„Bei der Premiere vor 20 Jahren hatten wir vermutlich das beste Line-Up aller Zeiten“, erinnert sich der 57-jährige Stratmann – und nennt bei seiner Aufzählung Bands wie Saxon und In Flames sowie andere Szenegrößen wie Doro Pesch. Und trotz dieser großen Namen, die bei Festival Numero eins mit dabei waren, erwies sich der Start als äußerst schleppend. Zumindest in puncto Publikumsresonanz. „Wir hatten damals gerade mal 4000 Zuschauer. Damit war das Amphitheater nur zur Hälfte gefüllt“, sagt Stratmann. „Danach waren wir alle schon ein bisschen enttäuscht.“

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Dennoch ließen er und sein Team sich dadurch nicht entmutigen. Im Gegenteil. „Wir sind sture Typen. Wenn etwas zu Beginn nicht gleich klappt, dann probieren wir es einfach so lange weiter, bis es funktioniert“, nennt Stratmann die wichtigste Voraussetzung, damit später dann doch noch der Erfolg einsetzen konnte: Eine große Portion Durchhaltevermögen.

Am Anfang war die Ausrichtung des Festivals ein verlustreiches Geschäft

Vor allem nachts entfaltet das „Rock Hard“ seine ganz besondere Festival-Atmosphäre im Amphitheater.
Vor allem nachts entfaltet das „Rock Hard“ seine ganz besondere Festival-Atmosphäre im Amphitheater. © WAZ | Sebastian Konopka

Am Anfang sei die Veranstaltung selbst, aber auch das Gelsenkirchener Amphitheater als Open-Air-Spielstätte in Fankreisen noch nicht bekannt genug, geschweige denn etabliert gewesen. So dauerte es einige Jahre, bis das „Rock Hard“-Festival endlich auch aus finanzieller Sicht funktionierte. „Bis dahin hatten wir aber Verluste in sechsstelliger Höhe angehäuft“, räumt Stratmann offen ein.

Aber wie kam es denn überhaupt dazu, dass er sich als Macher eines anerkannten Musikmagazins zusätzlich noch die Organisation und Ausrichtung eines Festivals ans Bein binden wollte? „Das zählte bis dahin ganz sicher nicht zu unseren Kernkompetenzen“, sagt Stratmann und lacht. Aber sein Magazin hatte in den Jahren zuvor das „Wacken Open Air“ dank ausgiebigster Berichterstattung mit zu dem gemacht, was es heute ist: Das größte Metal-Treffen auf diesem Planeten. „Wir waren für die eine Art Steigbügelhalter. Da haben wir uns dann anlässlich des 20-jährigen Bestehens unseres Heftes im Jahr 2003 gefragt, ob wir das mit dem Festival nicht auch selbst mal versuchen sollten“, so Stratmann. Und die Antwort lautete: Ja!

Musiker und Fans sind im Amphitheater Gelsenkirchen dicht beieinander

Die Nähe zwischen Musikern und Fans – so wie hier im Vorjahr beim Auftritt der Band Night Demon – zählt zu den Besonderheiten des „Rock Hard“-Festivals.
Die Nähe zwischen Musikern und Fans – so wie hier im Vorjahr beim Auftritt der Band Night Demon – zählt zu den Besonderheiten des „Rock Hard“-Festivals. © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka

Inzwischen gehört das „Rock Hard“ zu den Veranstaltungen, die für Freundinnen und Freunde der härteren Musikrichtungen im Jahreskalender als gesetzt gelten. „Jeder, der einmal hier war, ist schwer begeistert und will unbedingt wiederkommen. Das gilt für die Besucher. Und für die Bands“, verdeutlicht Stratmann. Ein Schlüssel des nach und nach eintretenden Erfolgs lag ganz sicher in der Architektur des Amphitheaters. „Musiker und Fans sind hier so nah und dicht beieinander wie fast nirgendwo sonst. Und genau diese Nähe ist für die Bands auch immer noch etwas ganz Besonderes“, weiß der Festival-Gründer aus unzähligen Gesprächen mit den Künstlern.

An welche Ereignisse aus den vergangenen 20 Jahren erinnert er sich denn besonders zurück? „Da fällt mir natürlich sofort Ronnie James Dio ein“, sagt Stratmann. Der im Jahr 2010 verstorbene Sänger, einst die Stimme von Kultbands wie Black Sabbath, Rainbow oder Dio, sollte im Spätherbst seiner Karriere beim „Rock Hard“-Festival auftreten. In der Nacht zuvor verstarb dann seine Mutter. Doch der Sänger sagte den Gig im Amphitheater am nächsten Tag trotzdem nicht ab. „Er hat hochprofessionell einen richtig starken Auftritt hingelegt. Das ist mir menschlich sehr nah gegangen und hat mir großen Respekt eingeflößt“, so Stratmann.

Erinnerungen an die Begegnungen mit Opeth oder Michael Schenker

Spuckte große Töne – und Flammen: Der Sänger der Band Immortal beim „Rock Hard“-Festival 2008.
Spuckte große Töne – und Flammen: Der Sänger der Band Immortal beim „Rock Hard“-Festival 2008. © Sebastian Konopka

Erinnerungen werden in ihm aber auch sofort an den Auftritt von Opeth im Jahr 2009 wach. Denn es war die allerletzte Metal-Show, die diese schwedische Formation auf die Bühne bringen sollte. Danach hätten sie „einen krassen Stilwechsel“ vollzogen, so Stratmann, der aber bei den eigenen Fans überraschenderweise auch auf große Akzeptanz gestoßen sei. „Diesen letzten Metal-Auftritt haben wir verewigt und dann auf CD in unserem Magazin herausgebracht“, so Stratmann.

Gern denkt er auch an seine Begegnung mit Michael Schenker zurück. Der deutsche Super-Gitarrist unter den Hard Rockern wollte nämlich bei seinem letzten Festival-Auftritt in Gelsenkirchen nicht mit seiner Band, sondern allein vom Hotel zum Spielort gefahren werden. „Und da habe ich ihn dann einfach mit meinem alten Mercedes W 123 eingesammelt und zum Amphitheater kutschiert“, erzählt Stratmann und schmunzelt. Unterwegs habe man sich total nett und ungezwungen unterhalten. „Ich glaube, dass das auch ein Grund für unsere Beliebtheit unter den Musikern ist: Gerade hinter der Bühne pflegen wir bis heute eine sehr familiäre Atmosphäre.“

Thin-Lizzy-Songs und ein komplettes Celtic-Frost-Set

Schenker zählt bei der Festival-Auflage 2023, zu der insgesamt 22 Bands im Nordsternpark erwartet werden, erneut zu den Headlinern und wird am Pfingstsonntag als Top Act des Abends auf der Bühne stehen. Gespannt ist Stratmann aber auch auf Brian Downey’s Alive and Dangerous. Der frühere Schlagzeuger von Thin Lizzy wird zahlreiche Songs seiner alten Band zum Besten geben. „Und der neue Sänger klingt fast genauso wie damals im Original Phil Lynott“, lobt Stratmann. Sein dritter Favorit sind die Jungs von Triptykon, die am Freitagabend ein volles Set mit alten Celtic-Frost-Songs spielen.

Den doppelten runden Geburtstag will Stratmann aber auch nutzen, um sich für die gigantische Treue vieler Leser und Festivalbesucher in den vergangenen Jahrzehnten zu bedanken. „Für viele Heavy-Metal-Fans sind wir ein elementarer Bestandteil ihres Alltags. Und es beeindruckt mich immer wieder, welch wichtige Rolle wir in ihrem Leben einnehmen. Das gibt uns Kraft und ist sinnstiftend für unsere Arbeit.“

Zahlen, Daten und Fakten zum „Rock Hard“-Festival

Holger Stratmann (57) ist Gründer und Herausgeber des Musikmagazins „Rock Hard“.
Holger Stratmann (57) ist Gründer und Herausgeber des Musikmagazins „Rock Hard“. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Rund 8000 Metal-Fans werden auch diesmal wieder beim „Rock Hard“-Festival in Gelsenkirchen erwartet. Der Vorverkauf laufe bislang sehr gut, so die Macher. Das Drei-Tages-Ticket kostet diesmal 120 Euro, wer dazu noch campen will, zahlt 152 Euro. „Auch wir mussten die Preise etwas anheben“, sagt Festival-Chef Stratmann mit Blick auf die Inflation. „Aber wir sind hier immer noch im Ruhrgebiet, zu teuer darf man also nicht werden.“ Karten sind erhältlich auf der Homepage: www.rockhard.de.

Aufgrund der Corona-Pandemie konnte das Festival zwei Mal nicht stattfinden. In dieser Zeit sind zahlreiche langjährige Festival-Arbeiter abgesprungen und haben sich beruflich neu orientiert, um ihren Lebensunterhalt irgendwie weiter bestreiten zu können. „Deshalb haben wir etwa unseren bisherigen Gelände-Manager verloren“, sagt Stratmann. Dieser sei für die Planung des gesamten Festival-Geschehens abseits der Bühne verantwortlich gewesen. „Das hat ein richtig fettes Loch in unsere Organisationsstruktur gerissen“, so Stratmann. „Wir mussten deshalb erstmal selbst wieder lernen, wie man so ein Festival stemmt.“