Gelsenkirchen-Buer. Leuchtstoff-Röhren im Kunstmuseum Gelsenkirchen-Buer: Warum sie besonders für Gemälde gefährlich sind. Und was die neue Leitung dazu sagt.
Giotto, Caravaggio, William Turner: Zahlreiche Künstler setzten Licht in ihrer Malerei ein – mit nachhaltiger Wirkung: Noch heute stehen Ausstellungsbesucher bewundernd vor diesen Werken, von denen eine faszinierende Strahlkraft ausgeht. Dass Tages- und künstliches Licht ihnen schaden können, ist bekannt: Im schlimmsten Fall können Risse, Blasen und Ausbrüche entstehen. Daher sind Museen gehalten, solche Arbeiten eben keiner UV-A-Strahlung auszusetzen. Trotzdem lassen sich im städtischen Kunstmuseum in Buer noch zahlreiche Neon-Röhren finden.
Ob die Öl-Gemälde „Waldinneres“ von Christian Rohlfs (1909), „Komposition“ von Serge Poliakoff (1954) oder die grafischen Arbeiten und Fotos von Anton Stankowski aus dem 20. Jahrhundert: Nicht alle, aber etliche Exponate an der Horster Straße werden durch Leuchtstoff-Röhren in Szene gesetzt, die an der Decke angebracht sind. Besonders viele sind im zweiten Obergeschoss installiert, wo Malereien vom 19. Jahrhundert bis heute präsentiert werden.
Europäische Norm empfiehlt dringend, Neon-Röhren auszutauschen
Dabei ist die Europäische Norm 16893 eindeutig: „Lampen sollen keine UV-A-Strahlung (das heißt mit einer Wellenlänge unter 400 Nanometern) emittieren. Lampen oder Glühbirnen (...) müssen geprüft und, wenn festgestellt wird, dass sie UV-A-Strahlung emittieren, ersetzt werden“, heißt es in der Richtlinie, die für Gebäude gilt, in denen Sammlungen des Kulturerbes dauerhaft aufbewahrt werden. Verbindlich ist diese nicht, sie gibt aber den aktuellen Stand der Technik wieder und soll mit ihren „Vorgaben und Leitlinien“ „Architekten, Ingenieure und andere Verantwortliche“ unterstützen, wie es in der Einleitung heißt.
Hintergrund dieser Empfehlung zum Austausch von Neonröhren sind Dehnungen und Schrumpfungen, die Schwankungen bei Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Beleuchtung auslösen können: Je nach Leinwandspannung können diese für eine enorme Belastung von textilem Bildträger und den verschiedenen, darauf aufgetragenen Grundierungs-, Farb- und Schutzschichten sorgen.
Extreme Erwärmung könnte Oberfläche ausbleichen oder für bräunliche Farbe sorgen
Kurz: Gemälde dürfen nicht zu warm, zu trocken oder zu hell hängen. Gerade direktes Sonnenlicht sorgt für eine extreme Erwärmung der Oberfläche, was lichtempfindliche Pigmente in der Malschicht so verändern kann, dass einzelne Bereiche ausbleichen oder eine bräunliche Farbe annehmen.
Maßgeblich dafür verantwortlich ist die UV-A-Strahlung – die Leuchtstoff-Röhren besonders aussenden. Deshalb empfiehlt besagte Norm explizit: „Leuchtstofflampen emittieren UV-A-Strahlung und dürfen in Neubauten nicht eingebaut werden. Die Energieeffizienz der Lampen muss festgestellt und Energiesparlampen müssen bestimmt und eingebaut werden.“
Neue Gelsenkirchener Museumsleiterin will Beleuchtung überprüfen lassen
Dass Neon-Röhren künstlerische Arbeiten schädigen können, ist der Stadtverwaltung durchaus bewusst, wie sie auf Nachfrage der Redaktion einräumt, verbunden mit dem relativierenden Hinweis „bei hoher Strahlungsintensität/Leistung des Leuchtmittels und geringem Abstand – zum Beispiel bei Bilderleuchten.“
Warum die Röhren noch nicht ausgetauscht wurden, konnte die neue Leiterin Julia Höner nichts sagen. „Ich bin ja erst seit rund vier Monaten im Amt“, erklärte sie. Die Überprüfung der Beleuchtung zähle aber zu dem „Blumenstrauß an Aufgaben“, die sie bei ihrem Dienstantritt Ende 2022 übernommen habe. „Dafür brauche ich jedoch die Beratung von Sachverständigen.“ Bei den Bilderleuchten, die einige Exponate gezielt in Szene setzen, handele es sich nicht um schädigendes Neon-Licht, sondern um LED-Strahler, die dem aktuellen Museumsstandard entsprächen.
Gelsenkirchener Museumsleiterin: Restauratoren untersuchen Bestand regelmäßig
Erst vor einigen Jahren habe die Stadt ja bereits reagiert und zum Schutz von Exponaten an Fenstern in Abstimmung mit der damaligen Museumsleiterin Leane Schäfer innenliegende Sonnenschutz-Plissees montiert, so Stadtsprecher Martin Schulmann. Ein Besuch vor Ort freilich zeigt, dass es dennoch einige wenige Fenster gibt, durch die Tageslicht in die Sammlung dringt.
Ob bereits Schäden an einigen Werken feststellbar sind? Auf diese Frage erhielt die Redaktion keine Antwort. Julia Höner betonte aber, dass sämtliche künstlerischen Arbeiten regelmäßig von fachkundigen Restauratoren untersucht würden. „Wenn sie restauratorische Maßnahmen empfehlen, werden sie auch durchgeführt.“
Undichte Türen im Museum: Verwaltung Gelsenkirchen weiß nichts davon
Im Haus gebe es an mehreren Standorten Klima- und Feuchtigkeits-Messgeräte, die für ein stabiles Klima sorgten. Mögliche undichte Türen, wie sie beim Übergang zum Gemälde-Bereich zu finden sind, seien daher zu vernachlässigen. Stadtsprecher Schulmann hatte erklärt, der Verwaltung seien Undichtigkeiten nicht bekannt; es lägen auch keine Schadensmeldungen darüber vor. Bislang fänden lediglich brandschutztechnische Ertüchtigungen statt, in deren Zuge auch brandschutzrelevante Türen erneuert worden seien. Besucher des Museums können den Spalt zwischen Glastür und Zarge aber eindeutig erkennen.
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Auf mögliche Energie-Einsparungen – wie sie etwa bei einem Leuchtstoffröhren-Austausch entstünden – sei das Kunstmuseum noch nicht überprüft worden, erklärte Schulmann weiter.
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Derweil bat die neue Leiterin um Geduld: „Ich bin dabei, mir einen Überblick zu verschaffen und möchte mich in vielerlei Hinsicht engagieren. Genau dafür bin ich ja hier!“ Sie bemühe sich, nicht nur inhaltlich Impulse zu setzen, sondern auch die Präsentationsbedingungen in den Blick zu nehmen.