Gelsenkirchen. Gefeiert wurde die Premiere Cirque Bouffon in Gelsenkirchen. Was die Zuschauer an Ostern und in den zwei Wochen danach erwartet. Eine Kritik.
Mit stehenden Ovationen honorieren rund 400 Premierengäste die Uraufführung von „Paraiso“, dem neuen Programm des Cirque Bouffon. Dem kunstvoll inszenierten Ausflug ins Paradies dürften viele weitere Mitreisende folgen auf der nach dem 23. April beginnenden Tournee. Musik und Theater, Zauberei und Artistik bilden die Säulen, die das zweieinhalbstündige Programm unter dem Zirkuszelt am Gelsenkirchener Musiktheater auch nach 18 Jahren sicher tragen.
Cirque Bouffon in Gelsenkirchen: Ästhetik schlägt die Zuschauer in ihren Bann
Die Reise ins „Paradies“ fußt auf einer sinnlich-berührenden Ästhetik, mit der vor allem die Akrobatinnen die Zuschauer verzaubern. Traumschön anzusehen ist es, wie am Seil, an der Stange, im Rad oder am Trapez die Grenzen der Physik verschwimmen. Die Arbeitsgeräte von Alexis Hedrick, Helena Lehmann oder Annika Hemmerling gleichen dabei eher einem Tanzpartner, der sie grazil durch die Luft und den Raum schweben lässt.
Momenten zum Schwelgen werden bei „Paraiso“ lebhafte Kontrapunkte entgegengesetzt. Auch hier spielt Akrobatik eine tragende Rolle. Ebenso Komik. Wie sich das einander nimmer grüne Frauen-Duo (Suzanna Da Cruz und Yana Lutsiv als „Les Soeurs Pillers“) im schwarzen Tütü am Trapez um die tragende Rolle balgt, ist urkomisch, wie viel Technik dahinter steckt, geht im Lachen des Publikums beinahe unter.
Ins Herz schließen die Zuschauer auch „Monsieur Flap“, einen kopflosen Mantelträger, der nicht viel mehr als seine Hände und einen Entengang braucht, um ebenso skurrile wie lustige oder berührende Momente zu kreieren. Oder den Zauberer Winston Fuenmayor, aus dessen nackten Händen Karten schießen wie Pistolenkugeln. Woher sie kommen, es bleibt sein Geheimnis. Vielleicht müsste man Spiderman fragen, der kann ähnlich Spektakuläres, nur eben mit klebrigen Spinnen-Fäden.
Zirkusdirektor: „Wir haben noch viel Arbeit“ – Längen nach furiosem Auftakt
„Eine gute Premiere, aber wir haben noch einige Arbeit vor uns“, sagt Zirkusdirektor Frédéric nach dem Auftakt am 1. April zum dreiwöchigen Gastspiel des international besetzten Ensembles in Gelsenkirchen.
Auch ihm wird nicht entgangen sein, dass nach einem furiosen aber dafür kurzen Start der Show – für den sorgt „Schlangenmensch“ Alexander Mitin auf einem Flügel – die nächste Attraktion für einige Zuschauer doch etwas zu lange auf sich warten lässt.
Komponist und Bassist Sergej Sweschinski, Jana Mishenina (Violine), Rudik Yakhin (Akkordeon) glänzen mal mit melancholischer, mal mit lebensfroher Musik, die das Bühnengeschehen akustisch passend untermalt. Doch auch sie dehnen vor dem Finale den tonalen Schlussspurt mit einem langen Solo-Beitrag ein bisschen zu weit aus.
Etwas kompakter dürfte nach der Uraufführung auch Clownin Noémie Pichereau agieren. Sie hat ein paar „gefühlte“ Überbrückungsszenen, in denen der komische Funken erst spät überspringt – vielleicht, weil die entscheidenden Gesten oder Grimassen auf der 360-Grad-Bühne gerade nicht zu sehen sind. Das ließe sich ändern, wenn ihren anderen Fähigkeiten mehr Raum gegeben würde – beispielsweise dem artistischen Radfahren.
Fazit: „Paraiso“ ist eine durchweg familientaugliche Show mit betörender Ästhetik, die an der einen oder anderen Stelle nachpoliert werden muss, um vollends zu glänzen.
Tickets sind zu erstehen über westticket und das Musiktheater im Revier, shop.musiktheater-im-revier.de oder an der Abendkasse am Zirkuszelt. Mittwoch und Donnerstag sind Zirkustage mit rabattierten Tickets (15/25 Euro). Die Ticketpreise beginnen bei 19 Euro.