Gelsenkirchen. Die Zahl der Anträge auf Einbürgerungen ist in vielen Städten deutlich gestiegen. In Gelsenkirchen gar um 50 Prozent.
Die Behörden der 23 bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands haben aktuell mehr als 115.000 Anträge auf Einbürgerung zu bearbeiten. Das geht aus einer Umfrage des Mediendienstes Integration hervor. Am höchsten sind die Aktenstapel demnach in Berlin (rund 26.000 offene Anträge), Hamburg (etwa 19.000) und München (etwa 10.000). Aber auch in Gelsenkirchen ist ein deutlicher Anstieg spürbar.
Experten und Praktiker gehen davon aus, dass die Belastung der Behörden durch gesetzliche Reformen weiter zunehmen wird. Die Wartezeiten der Antragsteller auf einen Bescheid seien unterschiedlich lang, heißt es. Sie reichten im Schnitt von einem bis zu anderthalb Jahren, aber in einigen Fällen auch deutlich länger.
50 Prozent mehr Einbürgerungen in Gelsenkirchen
In vielen Städten ist der Recherche zufolge die Zahl der Einbürgerungen im Jahr 2022 deutlich gestiegen. In Braunschweig, Bremen, Dresden und Düsseldorf hat sie um rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen, in Münster um 40 Prozent und in Gelsenkirchen um 50 Prozent. In Wuppertal stieg die Zahl sogar um 56 Prozent.
So wurden in Gelsenkirchen etwa von 2017 bis 2021 noch zwischen 315 und 378 Anträge gestellt, ehe die Zahl im vergangenen Jahr sprunghaft auf 666 stieg. „Eine Aufschlüsselung nach Staatsangehörigkeiten ist für die letzten Jahre leider nicht möglich. Für 2021 und 2022 konnte ermittelt werden, dass die häufigsten Einbürgerungen bei Staatsangehörigen aus der Türkei und Syrien durchgeführt wurden“, erklärt Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage. Aktuell liegen der Gelsenkirchener Einbürgerungsbehörde noch 1.041 offene Einbürgerungsanträge vor.
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Indes variiert die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Anträge in den Städten deutlich. Während sie in Augsburg, Braunschweig, Essen, Hamburg, München oder Münster beispielsweise rund ein Jahr dauert, geben Aachen, Bremen, Karlsruhe und Stuttgart an, dass die Bearbeitungszeit im Schnitt rund anderthalb Jahre dauert. Chemnitz hat mit bis zu 36 Monaten die längste Zeitspanne unter den befragten Städten angegeben. In Gelsenkirchen hingegen dauere die Bearbeitung eines Antrags auf Einbürgerung nur drei bis sechs Monate, wie die Stadtverwaltung erklärt. Grund dafür sei auch, dass im Rahmen des Kommunalen Integrationsmanagements bei der Einbürgerungsbehörde zwei zusätzliche Planstellen eingerichtet wurden.
Fachmann erwartet auch künftig eine hohe Belastung der Behörden
Peter Schlotzer, langjähriger Dozent für Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrecht, sagte, die Einbürgerungsbehörden seien oft personell unterbesetzt. „Und es ist schwer, passendes Fachpersonal zu akquirieren.“ Der Fachkräftemangel sei auch hier zu spüren. Der Fachmann erwartet auch künftig eine hohe Belastung der Behörden: Die Zahl der Anträge auf Einbürgerung werde sich vermutlich mindestens verdoppeln, denn die Bundesregierung wolle Einbürgerungen unkomplizierter gestalten.
Er beklagte, dass die Arbeit in den Ämtern auch deshalb erschwert werde, weil es keine neuen einheitlichen Verwaltungsvorschriften gebe. „Es ist dringend erforderlich, hier etwas zu ändern, denn die aktuellen Vorschriften stammen noch aus dem Jahr 2000.“
Tarik Tabbara, Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, betonte, die Zahl der Einbürgerungsanträge werde weiter steigen, wenn das bisherige Prinzip, Mehrstaatlichkeit möglichst zu vermeiden, aufgegeben werde. Er verwies zudem darauf, dass die lange Bearbeitungsdauer der Anträge nicht nur mit dem Personalmangel in den Behörden zu tun habe. Das Hauptproblem in den Verfahren sei die langwierige Identitätsklärung durch Antragsteller. Amtliche Dokumente und Pässe im Heimatland zu besorgen, dauere oft Monate. (mit epd)