Gelsenkirchen-Hassel. Kinder der Mährfeld-Grundschule in Gelsenkirchen haben zusammen mit einem Polizisten morgens Autos angehalten und die Fahrer zur Rede gestellt.
Wenn man schon von der Polizei angehalten wird, dann doch bitte so: Polizeibeamter Thomas Wilger hält die Kelle hoch und deutet zum Straßenrand – dort stehen schon die Grundschulkinder Ben, Maila, Ela und Baturan und lächeln. Die Ansage an die Autofahrer kommt nämlich an diesem Tag ausnahmsweise nicht von dem Mann mit der Schirmmütze und der Uniform, sondern von den Viertklässlern.
Ben, Maila, Ela und Baturan besuchen die Mährfeld-Grundschule in Gelsenkirchen-Hassel. Zurzeit ist die Schule ein Provisorium: Das neue Gebäude entsteht auf einer Baustelle nebenan – 2024 soll es fertig werden – die Kinder, Lehrerinnen und Lehrer sind seit 2019 in Containern untergebracht. Das Schulgelände liegt mitten in einer Wohngegend abseits der Polsumer Straße – und das trägt zu dem Problem bei, das die Kinder mithilfe der Polizei in dieser Woche angehen.
Gelsenkirchener Schüler wollen Autofahrer für das Thema sensibilisieren
Das Problem hat einen Namen, und der lautet: Elterntaxis. „Irgendwie hat es sich in den vergangenen Jahren eingebürgert, dass Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen“, berichtet Schulleiterin Annegret Treichel. Und das, obwohl die meisten Familien, deren Kinder die Mährfeldschule besuchen, weniger als 1,5 Kilometer entfernt wohnen. Das führt dazu, dass die ohnehin schon engen Straßen rund um die Schule kurz vor Schulbeginn oft durch Elterntaxis verstopft sind – zusätzlich belastet wird die Situation noch durch die Baustellenfahrzeuge.
Mit der mehrtägigen Aktion sollen die Autofahrer für das Thema sensibilisiert werden: „Wir haben die Hoffnung, dass die Eltern einsichtiger sind, wenn sie von den Kindern gesagt bekommen, dass sie ihr Verhalten überdenken sollen.“
Kinder schlagen Alternativen zum Halten vor der Schule vor
Jetzt hat es einen weißen Opel „erwischt“: Die Fahrerin hat ihr Kind einige Meter zuvor aussteigen lassen, bevor Polizist Thomas Wilger sie mit der Kelle herangewunken hat. Wilger hat mit den Schülerinnen und Schülern zuvor geübt, was genau sie den Autofahrern sagen sollen, wenn sie sie angehalten haben. Viertklässlerin Maila macht es vor: „Es ist gefährlich für uns Kinder, wenn Sie hier morgens herfahren“, sagt sie – und bietet Alternativen an: „Sie können Ihr Kind am Voßweg aussteigen lassen, am Penny-Parkplatz oder am Marktplatz. Das ist nicht weiter als zwei Minuten zu Fuß entfernt.“ Die Fahrerin nickt verständig. „Denken Sie darüber nach“, schiebt Thomas Wilger hinterher.
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Schulleiterin Annegret Treichel hat wenig Verständnis für Elterntaxis und beklagt das zum Teil rücksichtslose und gefährliche Verhalten vieler Fahrerinnen und Fahrer. „Viele parken in zweiter Reihe, lassen ihre Kinder an der Fahrbahnseite aussteigen – dadurch entstehen einfach zu viele gefährliche Situationen“, sagt sie. Auch sie berichtet, dass die Schule den Eltern andere Möglichkeiten aufgezeigt habe. „Wenn Kinder unbedingt mit dem Auto gebracht werden müssen, dann ist es besser und ungefährlicher, wenn die Eltern am Penny-Parkplatz oder am Hasseler Markt halten und die Kinder den Rest des Weges zu Fuß gehen.“
Statt Knöllchen gibt es Zettel mit Smileys
Außerdem sei es ja auch aus anderen Gründen durchaus sinnvoll, die Kinder den Schulweg zu Fuß antreten zu lassen. „So lernen die Kinder schon früh, sich selbstständig auf der Straße zu bewegen“, sagt die Schulleiterin. „Es tut ja auch gut, vor und nach der Schule durch die Bewegung ein wenig den Kopf frei zu bekommen.“ Da passe es gut, dass die Mährfeldschule am Projekt „SpoSpiTo“ teilnimmt. Die Abkürzung steht für „Sporteln, Spielen, Toben“: Die Kinder, die mitmachen, verpflichten sich, mindestens 20 Mal binnen sechs Wochen den Schultag mit Bewegung zu beginnen, kommen also zu Fuß, per Rad oder Tretroller zur Schule, auf keinen Fall aber mit dem Auto.
Ein „Knöllchen“ bekommen die Autofahrer, die von Thomas Wilger und den Kindern angehalten werden, nicht: Streng genommen haben die Fahrerinnen und Fahrer, die an diesem Morgen kontrolliert worden sind, gegen keine Verkehrsregel verstoßen (Parken/Halten in zweiter Reihe). Stattdessen drücken ihnen die Kinder einen Zettel mit einem Smiley darauf in die Hand. Der soll sie daran erinnern, dass sie an diesem Vormittag in eine ganz besondere Verkehrskontrolle geraten sind – und dass sie ihr Kind demnächst vielleicht besser zu Fuß in die Schule schicken.