Gelsenkirchen. Den harten Alltag an Bord eines Kriegsschiffes thematisiert die Oper „Billy Budd“ von Benjamin Britten. Gelsenkirchener Premiere am 25. März.
Die Besatzung des britischen Marineschiffs „Die Unbezwingbare“ war zur Zeit der Napoleonischen Kriege gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine reine Männergesellschaft. An Bord herrschten strenge Regeln und hierarchische Strukturen, die das monatelange Zusammenleben auf engstem Raum, ohne jede Privatsphäre, überhaupt erst möglich machten. In diesem Umfeld spielt „Billy Budd“, jene Oper von Benjamin Britten, die auf dem gleichnamigen Roman von Herman Melville basiert – und die am Samstag, 25. März, im Großen Haus des Musiktheaters im Revier (MiR) in der Inszenierung von Intendant Michael Schulz Premiere feiert.
Werke von Benjamin Britten stehen im MiR regelmäßig auf dem Spielplan
„Wir sind hier alle ganz große Britten-Fans“, erzählt Schulz bei einem Probenbesuch. Seit Beginn seiner Amtszeit am MiR hat er ein halbes Dutzend Werke des 1976 verstorbenen Komponisten aus Großbritannien auf den Spielplan gehoben. Den Anfang machte „Peter Grimes“ im Jahr 2009. Zuletzt wurde mit Brittens „Curlew River“ sogar die Spielzeit 2021/22 eröffnet. „Und Billy Budd ist definitiv einer der Höhepunkte in dieser Reihe“, ordnet Schulz ein und verspricht: „Und es ist ganz gewiss auch noch nicht der Schlusspunkt.“
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Beim Blick auf die Bühne schaut das Publikum in einen großen, tiefen, pechschwarzen Schlund. Umgeben ist er von dunklen Wänden und stählernen Treppen. Obwohl der Raum eigentlich riesig ist, wirkt er irgendwie gedrungen, hat eine beengende Wirkung. Keine Frage: Das Klaustrophobische, das unter Deck eines Schiffes oft herrscht, es kommt auch hier spürbar und glaubhaft zur Geltung.
Intendant Schulz und Bühnenbildner Becker arbeiten seit über 20 Jahren zusammen
Für das Bühnenbild zeichnet Dirk Becker verantwortlich. „Wir arbeiten schon seit über 20 Jahren zusammen“, sagt Intendant Schulz. „Und unsere Findung der richtigen Bilder verläuft stets sehr demokratisch.“ Becker nickt zustimmend und ergänzt: „Wir versuchen zunächst immer gemeinsam, den Kern des Stückes zu ergründen. Dabei fertige ich dann erste Zeichnungen von Ideen an, die mir dabei durch den Kopf gehen“, schildert er das Prozedere. Manchmal dauere es länger, bis eine für alle gute Lösung erarbeitet sei, sagt Becker. „Für Billy Budd lagen wir aber gleich mit unseren ersten Entwürfen richtig. Es hat alles schnell und reibungslos geklappt.“
In der Probe ist dann auch kurz die Kapitänskajüte zu sehen, die Becker entworfen hat. Sie wird vom Technik-Team aus dem Boden nach oben gefahren, ist der einzige saubere Raum auf einem ansonsten düster-verdreckten Kriegsschiff. Hier agieren gerade die drei Protagonisten dieser Oper in einer Szene zusammen. Das ist zum einen Kapitän Vere, gesungen von MiR-Ensemblemitglied Martin Homrich, sowie Waffenmeister Claggart und Matrose Billy Budd.
Sänger Michael Tews gehörte drei Jahre fest zum Ensemble des MiR
Letztere Rollen werden von Gastsängern übernommen. Wobei diese Bezeichnung auf Michael Tews, der den Claggert singt, nur bedingt zutrifft. „Er war drei Jahre bei uns fest im Ensemble und gehört eigentlich gefühlt immer noch zur Familie“, erklärt Intendant Schulz die enge Verbindung. Die Titelrolle hat er indes an Dominik Köninger vergeben, der zuvor lange fest an der Komischen Oper in Berlin sang. Nun feiert er nicht nur seine persönliche MiR-Premiere, sondern gibt auch sein Rollendebüt als Billy Budd.
Die Titelfigur ist ein ehrlicher, loyaler, gutherziger Typ, der aber stottert. Und mit Hilfe von Holzblock-Klängen und kurzen, abgehackten Trompetentönen wurde eben jener markante Sprachfehler von Britten auch ins Musikalische übersetzt. Genauso gekonnt sind seine Passagen, in denen er die Weite, die Kraft und die betörende Schönheit des Meeres in ein Hörerlebnis verwandelt – sozusagen: eine Oper zur See.
Auch GMD Rasmus Baumann bezeichnet sich als einen „riesigen Britten-Fan“
Auch wegen solch gekonnter Kompositionskniffe outet sich auch Rasmus Baumann als riesiger Britten-Fan. „Für mich ist er der Mozart des 20. Jahrhunderts“, sagt der Generalmusikdirektor (GMD) der Neuen Philharmonie Westfalen (NPW). Je öfter man Brittens Stücke höre, umso mehr könne man darin entdecken, so Baumann. „Sie werden für mich sogar mit jedem Mal besser.“ Ein Vorteil sei es auch, dass das Gelsenkirchener Publikum inzwischen sehr Britten-affin sei und diese so eigene Tonsprache des Komponisten längst kennen und schätzen gelernt habe.
Das Publikum darf sich zudem auf eine Giganten-Besetzung freuen. Die NPW sitzt mit einem 70-köpfigen Team im Orchestergraben. Auf der Bühne sind es noch einmal genauso viele Akteure. Zu den 14 Solisten kommt ein 40-Mann-Chor plus eine 15-köpfige Statistenriege, die in einem Casting-Prozess extra ausgewählt wurde, weil sie glaubhaft malochende Matrosen verkörpern sollen. So wird die Bühne zur maskulinen Spielwiese. Doch diese reine Männergesellschaft wird gewiss vor allem dem weiblichen Publikum gefallen.
Namen und Fakten
Dramaturgin von „Billy Budd“ ist Hanna Kneißler, für die Kostüme zeichnet Renée Listerdal verantwortlich. Bei dieser Produktion mit an Bord sind neben der NPW auch das Opernstudio NRW, das Junge Ensemble am MiR, der Herren- und Projektchor sowie die Statisterie.
Nach der Premiere am 25. März wird „Billy Budd“ am MiR noch zu folgenden Terminen aufgeführt: 2. April (18 Uhr) und 15. April (19.30 Uhr) sowie 13. und 20. Mai, 3. und 22. Juni (alle 19.30 Uhr). Karten gibt es an der Theaterkasse oder unter: 0209 40 97 200.