Gelsenkirchen. Angestellter statt Chefarzt-Posten: Warum ein Klinikchef in Gelsenkirchen zurück zu den Wurzeln findet und wie die Praxis sich so neu aufstellt.
Zurück zu den Wurzeln, Angestellter und gleichberechtigter Kollege statt Chefarzt: Diesen ungewöhnlichen Schritt hat Dr. Ralf Jelkmann gemacht. Der erfahrene Soester ist zum Team der Ortho-Praxis-Gelsenkirchen um Mirko Kuhn im Ärztehaus an der Ahstraße 2-4 gestoßen.
„Wir gewinnen mit Ralf Jelkmann einen überaus erfahrenen Kollegen dazu, der dank seines breiten und fundierten Wissens einen weitergefassten ärztlichen Blick auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten hat“, sagt Mirko Kuhn, Orthopäde und Unfallchirurg. Jelkmann, aufgewachsen in der Soester Börde, praktiziert nach kurzer Hospitanz seit Jahresbeginn mit kassenärztlicher Zulassung in der Ortho-Praxis. Zuvor war er 20 Jahre lang als Chefarzt für Innere Medizin/Palliativ- und Altersmedizin sowie als Rheumatologe an mehreren Kliniken.
Ex-Chefarzt hat Kostendruck in Kliniken satt, will mehr Work-Life-Balance
Jelkmann hat im Laufe seiner 34-jährigen Krankenhauskarriere mehrere Chefarztposten bekleidet, darunter in Plettenberg, Leverkusen oder am Klinikum Dortmund-Mitte. Warum aber gibt jemand einen gut dotierten Chefarztposten auf und bevorzugt den Alltag einer Arztpraxis?
„Ich hatte genug davon, ständig nur noch Mangel zu verwalten und mich durch Berge von Verwaltungsdokumenten zu wühlen“, sagt Ralf Jelkmann. Der Zwang zur Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern habe sich in den vergangenen Jahren derart verschärft, dass Patientenfürsorge mit immer weniger Personal geleistet werden müsse. „Das gilt sowohl für ärztliches als auch medizinisches Personal wie Krankenschwestern und -pfleger“, so der verheiratete Familienvater.
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„Im Krankenhaus fährt man immer gleich schwere Geschütze auf, aufwendige Operationen, bildgebende Verfahren wie CT oder MRT, eben teure Großgerätemedizin, auch, damit es sich rechnet.“ In einer Praxis wie hier in Gelsenkirchen habe er die Chance, andere Behandlungswege zu gehen, die ebenso vielversprechend seien, das Gesundheitssystem aber deutlich weniger belasten. Und letztlich auch den Patienten.
Nach Jahren unter Kostendruck und Rentabilitätszwang hat sich der vierfache Vater außerdem sehr nach mehr Work-Life-Balance gesehnt. „Ich habe vier Kinder, das jüngste ist vier, das älteste 32 Jahre alt“, sagt Jelkmann. Gerade für den Kleinen möchte er „mehr Vater sein“, einer zum Anfassen, der wirklich da ist, und der nicht erst gegen zehn Uhr abends heimkommt, wenn der Nachwuchs schon längst schläft. Mittwochs und freitags, so die Absprache mit Mirko Kuhn, endet für den Pendler Jelkmann der Dienst an den Patienten daher früher.
Vorteil Praxis: Alternative, „sanftere“ Therapiemethoden häufiger einsetzen
Was nicht bedeutet, sich weniger intensiv mit der Gesundung der Patienten zu befassen. „Im Gegenteil: Hier kann ich mich viel intensiver der Anamnese, der Diagnostik und der Behandlung widmen“, so der passionierte Segler, dem der unmittelbare und im Vergleich zu früher intensivere Austausch mit den Patienten sichtlich Freude bereitet.
Jelkmann ist zudem Professor für Geriatrie an der „Second Medical University of Shanghai“, die zwischenzeitlich der „Tongji Universität“ angegliedert wurde. Die Tongji-Universität wurde 1907 von der deutschen Regierung zusammen mit deutschen Ärzten in Shanghai gegründet und ist eine der ältesten Universitäten in China.
Professor für Altersmedizin
Ralf Jelkmann studierte an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, wo er auch promovierte. Im Jahre 2003 wurde er für sein langjähriges Engagement zum Thema Geriatrie an der Second Medical University of Shanghai (Teil der Tongji-Universität) zum Professor für Altersmedizin (Loanian bingxue jiaoshou) berufen.
Im Rahmen eines berufsbegleitenden Zweitstudiums absolvierte Dr. Jelkmann den Masterstudiengang „Health-Care-Management“.
In der Praxis könne er im Vergleich zur Klinik jetzt seine Kenntnisse der sogenannten „sanften“ Therapiemethoden zum Beispiel im Bereich der Naturheilverfahren oder der Manuellen Medizin häufiger zum Einsatz bringen.