Gelsenkirchen. Es gibt viele Beispiele für gelungene Integration in Gelsenkirchen, aber eben auch zu viele schlechte Kennzahlen. Ein Kommentar von Sinan Sat.
Es ist nicht so, als gäbe es nicht inzwischen viele Bemühungen, Programme und Projekte, die genau dort ansetzen, wo der Schlüssel zum Erfolg liegt: bei der Bildung. Und man muss nicht erst Statistiken bemühen, um zu sehen, dass heute mehr Nichtdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund hohe Schulabschlüsse erlangen als vor Jahren und Jahrzehnten, akademische Laufbahnen einschlagen, Ausbildungen absolvieren, selbst Arbeitsplätze schaffen. Ärzte, Anwälte, Erfinder, Politiker, Lehrer, Erzieher, Pfleger, Handwerker, Gastronomen, Firmeninhaber, Profisportler, Journalisten, Arbeiter… in jeder Branche gibt es viele, viele Beispiele für gelungene Integration von Menschen mit einer „Bindestrich-Identität“ und Menschen ganz ohne deutsche Staatsangehörigkeit - auch in Gelsenkirchen.
Diese Beispiele, so zahlreich sie auch sind, sind aber nur eine Seite der vielschichtigen Integrationsgeschichte Gelsenkirchens. Denn die Daten zur Zuwanderung und Integration des Landes zeigen, dass noch viel zu viele Nichtdeutsche in der Stadt abgehängt sind, die Schule ohne Abschluss verlassen, von Sozialhilfeleistungen leben.
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Das alles ist keineswegs neu, das wissen wir längst aus zahlreichen Studien. Ebenso, dass wenn die Voraussetzungen im Elternhaus vergleichbar sind, die nichtdeutschen Schüler in der Schule nicht schlechter abschneiden als ihre deutschen Klassenkameraden. Das ist in Gelsenkirchen aber eben zu oft nicht der Fall. Kitas, Grundschulen, weiterführende Schulen können das nicht egalisieren, wenn in den Gruppen und Klassen zu viele Kinder zu betreuen und zu beschulen sind, die kaum deutsch sprechen, denen es an Förderung und Vermittlung durch das Elternhaus fehlt. Integration ist dann eben nur begrenzt realisierbar.
In Städten wie Gelsenkirchen, in denen der Anteil der zu integrierenden Kinder und Jugendlichen so groß ist, dass er in mancher Gruppe und Klasse bei über 50 Prozent liegt, kann eigentlich keinem wirklich gerecht geworden werden: nicht dem Kind mit Nachholbedarf, nicht dem Kind, das in seiner Entwicklung schon weiter ist, nicht der Lehrkraft oder dem Erzieher.
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Bildungsfern, arm, unzureichende Deutschkenntnisse – diese Gemengelage stellt viele Lehrer und Schulen in Städten wie Gelsenkirchen vor immense Herausforderungen. Für einen Teil der Schülerschaft ist die deutsche Sprache nur innerhalb der Schule erfahrbar, die Familiensprache zu Hause ist oft die Herkunftssprache und die ständige Verfügbarkeit von Fernsehsendern und anderen Medien in den Heimatsprachen trägt einen weiteren Anteil zur Segregation bei.
Ungleiches ungleich behandeln, das will man in NRW vermeintlich schon lange tun. Soll heißen, ein Sozialindex zeigt auf, an welcher Schule mehr Personal nötig ist, weil die Integrationsherausforderungen eben ungleich größer sind. Bislang ist das, was dabei herumkam, allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein. Unabhängig davon, dass zur Integration neben dem Fördern auch das Fordern gehört, werden Städte wie Gelsenkirchen ohne eine immense Personal- und Bildungsoffensive des Landes ihre erdrückenden Integrationskennzahlen wohl niemals alleine lösen können.