Gelsenkirchen. Voneinander lernen und Träume erfüllen helfen: Das hat sich die AG Jung trifft Alt der Gesamtschule Erle auf die Fahne geschrieben. Ein Besuch.
„Sie hat mich wiedererkannt“, freut sich Emma. Sie, das ist die alte Dame, die sie gerade aus ihrem Zimmer im Seniorenheim im Rollstuhl abgeholt hat. Emma (13) darf das alleine tun, weil sie längst den Rollstuhlführerschein hat. Die Achtklässlerin der Gesamtschule Erle ist fast jede Woche hier im Seniorenheim, muntert mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern der AG „Jung trifft Alt“ die Bewohner auf, sorgt für Kurzweil. Seit mehr als neun Jahren gibt es diese Arbeitsgemeinschaft, die damals von Gerhard Kitza und seiner Frau Anne gegründet wurde. Bei Schulleiter Andreas Lisson hatte das Paar angeregt, die Begegnung von Jung und Alt zu fördern – und rannten damit offene Türen ein.
Das Motto: Aufeinander zugehen, voneinander lernen
Auch aufgrund der räumlichen Nähe bot sich das Awo-Seniorenheim Darler Heide als Kooperationspartner an. Das Motto der Gruppe, die sich aus Fünft- bis Achtklässlern zusammensetzt: „Voneinander lernen“. Und um das stets im Blick zu behalten, wird zum Auftakt jeder dieser Veranstaltungen gemeinsam ein Lied gesungen, in dem es heißt: „Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen“.
Das ist auch an diesem Tag so, auch wenn es heute einen besonderen Anlass gibt: Es wird St. Martin und dessen Wirken gedacht. Selbstgebastelte Laternen, Brezeln, Martinslieder und ein Umzug der Schülerinnen und Schüler durch den abgedunkelten Saal, in dem sich die Bewohnerinnen und Bewohner versammelt haben, stehen auf dem Programm. Einige singen leise und verhalten mit. Die alten Texte, sie „sitzen“ noch.
Langweilig wird es nie – trotz zahlreicher Wiederholungen
Kurze Lesungen von Schülern und Schülerinnen von Texten rund um St. Martin, Bräuche und historischen Hintergrund lockern das Programm auf. Bei Kaffee und Kuchen gesellen sich auch die jungen Gäste zu den Senioren an die schön geschmückten Tische, man tauscht sich aus. Auch wenn mancher am Tisch die Frage in den letzten Minuten schon mehrfach gestellt hat, irritiert das die Heranwachsenden nicht mehr.
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„Es macht Spaß, sich in diese zweite Welt einzuleben“, versichert Luisa, die seit zweienhalb Jahren dabei ist. „Ich finde es nicht langweilig, auch wenn es viele Wiederholungen gibt.“ Beide wollen sich auch über die Schulzeit hinaus sozial engagieren. Beruflich in die Altenpflege einzusteigen ist allerdings eher keine Option für sie. „Das ist ein sehr anstrengender Beruf. Ich möchte eher in den Anwaltsbereich“, sagt Emma.
.„Für manche Schüler im coolen Alter ist es anfangs schwierig, wieder Kinderlieder zu singen. Lieder, die ihre kleinen Geschwister im Kindergarten oder in der Grundschule singen. Aber wenn sie sehen, wie gut diese Erinnerungen den Senioren tun, verlieren sie die Bedenken, Hemmungen“, erklärt Gerhard Kitza. Mit seinen 72 Jahren hat er bereits begonnen, den Fortbestand der Kooperation zu sichern, wenn er eines Tages selbst einmal nicht mehr aktiv dabei sein kann.
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Den Fortbestand wird aber auch die Schule sichern, die die Kinder auf die Begegnungen vorbereitet. Was eine Demenzerkrankung bedeutet, was Betroffene können oder nicht können, dass vieles von der Tagesform abhängt und ständige Wiederholungen krankheitsbedingt sind: All das erfahren die AG-Teilnehmer bereits im Vorfeld, erläutert Musiklehrerin Cecilia Ossendorf-Neeb, die die Lieder am Klavier live begleitet.
Zur Vorbereitung gehört auch der Rollstuhlführerschein, bei dem es um die sichere Handhabung des besetzten Rollstuhls geht, aber auch um die Ansprache der Schützlinge. Die Texte sucht in der Regel Gerhard Kitza aus, die Lieder werden in der Schule geübt. All das geschieht in der Freizeit, nach Schulschluss. Weshalb die Besuche in aller Regel auch Freitagnachmittags laufen, der unterrichtsfrei ist.
Bitte um Spenden aufs Fördervereinskonto
Neben den „normalen“ Besuchen geht es den AG-Aktiven auch darum, den Senioren Wünsche zu erfüllen, die ihre eigenen schmalen Mittel – in der Regel 100 Euro Taschengeld – nicht zulassen. Bei der letzten Befragung stand „noch einmal das Meer sehen“ ganz oben auf der Wunschliste der meisten.
Diesen Traum würde die AG jenen unter den Bewohnern, die noch reisen können, nur zu gern erfüllen. Daher sammelt die AG nun Spenden für dieses Vorhaben, das im Juni 2023 umgesetzt werden soll. Wer dabei helfen möchte, kann auf das Konto des Fördervereins der Gesamtschule Erle mit dem Stichwort „AG Jung trifft Alt“ spenden, auf das Konto bei der Volksbank Ruhr Mitte, IBAN DE71 4226 0001 0233 0003 00