Gelsenkirchen. Ein Tablet für jedes Kind, davon träumten auch Gelsenkirchens Schulen viele Jahre. Jetzt ist es Wirklichkeit. So kommen die Geräte an.

„Ich schicke euch das Arbeitsblatt gleich per AirDrop“, sagt die Mathelehrerin der fünften Klasse und wählt derweil die Farbe Gelb aus, womit Noah die Einsen in der Beispielrechnung markieren soll. Die Zehner und Hunderter bekommen je eine andere Farbe. Stifte braucht es dafür nicht, nur die Auswahl der Farbfunktion im Textbearbeitungsprogramm. Denn hier an der Gesamtschule Horst sowie an allen Schulen in Gelsenkirchen arbeiten alle Schülerinnen und Schüler nun mit eigenen Tablets.

Insgesamt 27.000 Geräte für insgesamt 13,5 Millionen Euro hat die Stadt Gelsenkirchen ausgegeben, die meisten davon aufgrund von eng getakteten Förderprogrammvorgaben in kürzester Zeit ausgeschrieben, gekauft, programmiert und schlussendlich ausgeteilt. „Eine riesige Erfolgsgeschichte“, freut sich Schuldezernentin Anne Heselhaus. „Wir sind sehr stolz, die erste Kommune in NRW zu sein, die allen Schülerinnen und Schülern ein eigenes Tablet zur Verfügung stellen kann.“

So kommen die Tablets an der Gesamtschule Horst an

Und die Lehrer und Schüler? Sie freuen sich auch. „Das Lernen macht mehr Spaß, es ist vielseitiger, effizienter und ökologischer“, sagen sie. Zig Tausende Kopien sind allein an der Gesamtschule Horst, wo nun alle der 1400 Schülerinnen und Schüler je eines der 500 Euro teuren Tablets bekommen haben, bereits gespart worden. Und die Geräte eröffnen neue Möglichkeiten. Nicht nur, dass im Falle eines erneuten Distanzunterrichts nun jede und jeder ein gleichwertiges und gleichleistungsstarkes Gerät zur Verfügung hat, die Schüler entwickeln auch ganz neue Kompetenzen. Etwa, wenn ein Chemieexperiment kurzerhand mit dem Tablet gefilmt wird, die Aufnahme geschnitten, bearbeitet und aufbereitet wird. Oder wenn kurzerhand Präsentationen ansehnlich erstellt werden, an denen mehrere Schüler gemeinsam arbeiten.

Die klassische Handschrift verlernen sie dabei nicht, versichern Lehrer und Schüler. Ob man zum Schreiben die Tastatur nutzt oder den zu den Tablets gehörenden Spezialstift, um auf dem Display zu schreiben, ist den Schülern freigestellt. Nur Füller und Papier werden nicht mehr gebraucht – jedenfalls fast nicht. Denn Klausuren werden noch ganz klassisch geschrieben.

In Horst schwärmen sie jedenfalls unisono von der „neuen Schulrealität“, zeitgemäß arbeiten und lernen zu können. Auch, weil sich mitunter neue Lehrstrukturen entwickelt haben. Etwa, wenn Schülerinnen und Schüler ihren Lehrern zeigen, wie welche Funktion auf dem Tablet aktiviert wird, und wenn ältere Schüler – so genannte Technik-Scouts – jüngeren Mitschülern den richtigen Umgang mit dem neuen Gerät zeigen.

Gelegentlich wackele zwar ein wenig das WLAN, wenn 1400 Geräte gleichzeitig online sind, aber erstens lassen sich viele Anwendungen auch offline durchführen, und zweitens sind alle Gelsenkirchener Schulen ans Glasfasernetz angeschlossen, was grundsätzlich eine stabile Netzleistung gewährleistet, wie Thomas Sowa, Abteilungsleitung Schul-IT, berichtet.

Tablets an Gelsenkirchener Schulen: „Ein wichtiger sozialer Aspekt“

Markus Hogrebe, Schulleiter der Gesamtschule Horst, unterstreicht überdies einen weiteren, „sehr, sehr erfreulichen Punkt“: „Alle Schülerinnen und Schüler haben nun, unabhängig von der finanziellen Ausgangslage ihrer Eltern, dasselbe Gerät. Ein wichtiger sozialer Aspekt“, so Hogrebe.

Möglich ist das alles, weil die Stadt Gelsenkirchen erfolgreich die zur Verfügung gestandenen Fördertöpfe ausgenutzt hat, nicht zuletzt den „React-EU“, der als Teil der Reaktion der Europäischen Union auf die Covid-19-Pandemie auf den Weg gebracht wurde.

Um auch bei steigenden Schülerzahlen jedem Schüler künftig ein Gerät zur Verfügung stellen zu können und die Tablets zu warten, hat die Stadt Gelsenkirchen „trotz ihrer überschaubaren Möglichkeiten zusätzliche Mittel in den Haushalt eingegeben“, betont Klaus Rostek, Leiter des Referates Bildung.

Zumindest in diesem Fall erfüllt die Stadt das Leitbild, das sie sich selbst gegeben hat: „Gelsenkirchen, die ,Digitale Modellstadt’“.