Gelsenkirchen. Europas größtes Krimi-Festival machte am Freitag in Gelsenkirchen Halt: Packende Unterhaltung mit Autorinnen und Autoren aus Spanien und Uruguay.
Sie morden da, wo andere entspannt Urlaub machen: in den Bodegas von Barcelona, in den Gassen von Madrid und am Strand von Montevideo. Unter südlicher Sonne treiben zwei Autorinnen und ein Autor ihr düsteres Unwesen. Am Freitagabend gab das literarische Trio aus Berna Gonzáles Harbour, Pere Cervantes und Mercedes Rosende auf Einladung des Internationalen Krimi-Festivals „Mord am Hellweg“ sehr kurzweilig und informativ Einblicke in sein spannendes Krimi-Schaffen und zog damit rund 70 aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer in seinen Bann.
Literaturgenuss bei flackerndem Kerzenschein und romantischen Gitarrenklängen
Die musikalische Lesung mit Latin Flair fand im charmanten Industrieambiente des Stadt-Bau-Raums in der Feldmark statt, gleich im Schatten des Zechenturms des ehemaligen Schachts Oberschuir der Zeche Consolidation. Ein wunderbarer Ort für zweieinhalb genussvolle, sehr literarische Stunden in blutrotem Licht, bei flackerndem Kerzenschein und romantischem Gitarrenklang. Und bei den sehr unterschiedlich angelegten Mordgeschichten in südamerikanisch-spanischer Nacht fehlten auch glutroter Wein und traditionelle Tapas nicht.
Zum zehnten Geburtstag gönnt sich das alle zwei Jahre stattfindende Festival vom 17. September bis zum 12. November vor allem die ganz großen Namen der internationalen Krimi-Szene, lädt aber auch in Deutschland bislang weniger namhafte Schriftsteller ein. So gestand Moderator Jürgen Alberts, selbst Krimi-Autor, auf dem Podium: „Die drei Gäste waren auch mir bislang unbekannt.“ Dabei sind sie in ihren Heimatländern Spanien und Uruguay längst preisgekrönt.
Mit dem spanischen Krimipreis ausgezeichnet
So wie die mit dem spanischen Krimipreis ausgezeichnete, 57-jährige Berna Gonzáles Harbour. Sie stellte ihren Roman „Goyas Ungeheuer vor“, der im Spanien der Gegenwart spielt. Auch wenn sich der vorgelesene Ausschnitt vor allem drei auf bizarre Weise getöteten Truthähnen widmet, darf die Leserschaft gewiss sein: Da geht noch mehr. Viel mehr. Am Ende führt die Spur direkt in den Prado.
Im Gespräch mit Moderator Alberts, der interviewte, plauderte und übersetzte, verriet die Autorin etwas über ihre große Leidenschaft für die Kunst Goyas. Außerdem: „Lange waren die Helden in den Krimis vor allem Männer. Ich wollte mit der Kommissarin Maria Ruiz eine kluge Frau in den Mittelpunkt stellen.“
Das Kino gibt auch in den dunkelsten Zeiten noch Hoffnung
Schriftsteller und Drehbuchautor Pere Cervantes (51) erzählt in seinem historischen Roman „Die Lichter von Barcelona“ die Geschichte des zwölfjährigen Nil, der 1945 einen Mord beobachtet und viele Jahre lang der Spur seines verschwundenen Vaters folgt. Das Buch, so sagt der Autor im Gespräch, sei auch ein Tribut ans Kino, das selbst in dunkelsten Zeiten den Menschen noch Hoffnung und Träume zu geben vermag.
Cervantes, ein begeisterter Cineast, war einst als Soldat für die UN im Kosovo, kann diese Bilder nicht vergessen und sieht nun mit Entsetzen die vom Angriffskrieg auf die Ukraine: „Es ist damals wie heute: Am Ende müssen die Frauen das wieder aufbauen, was die Männer zerstört haben.“
Frauen kommen selbst im Verbrechen nur selten an die Spitze
Eine mordsmäßig taffe Frau stellt die mit dem uruguayischen Nationalliteraturpreis bedachte Autorin Mercedes Rosende in ihrem Krimi „Der Ursula-Effekt“ in den Mittelpunkt. Eine Mörderin als selbstbewusste Macherin. Rosende lächelt: „Frauen kommen nur selten an die Spitze, selbst im Verbrechen.“ Das wollte sie ändern.
Für den erkrankten Rafael Cortés, sprang Juan Carlos Arancibia Nanja Gawlick und Richard Huckeavarra ein und sorgte für den perfekten, poetisch-melancholischen Gitarrenklang. Das Interesse der Leserschaft hatte das Autorentrio, ausgezeichnet auf Deutsch gelesen von Anja Gawlick und Richard Hucke, am Ende auf jeden Fall geweckt: Der Büchertisch von Buchhändlerin Sabine Piechaczek war anschließend umlagert.