Gelsenkirchen. Das Krimifestival „Mord am Hellweg“ startet im September. Die Nachfrage nach Karten ist eingebrochen. Ein Festivalleiter schlägt jetzt Alarm.
Eigentlich hätten Sigrun Krauß und Dr. Herbert Knorr reichlich Grund zum Feiern: Die beiden Leiter von „Mord am Hellweg“ fiebern der am 17. September startenden, nunmehr zehnten Auflage von Europas größtem Krimifestival entgegen. Erneut werden 150 namhafte Autorinnen und Autoren aus aller Welt zu den Lesungen in weiten Teilen des Reviers erwartet. Doch dem literaturinteressierten Publikum scheinen Lust und Laune auf Live-Erlebnisse abhandengekommen zu sein.
Bislang wurden erst 25 Prozent aller Tickets im Vorverkauf abgesetzt
„Normalerweise haben wir zu diesem Zeitpunkt bereits 80 Prozent aller Karten im Vorverkauf abgesetzt. Im Augenblick liegen wir bei rund 25 Prozent“, schlägt Knorr Alarm, als er in der Stadtbibliothek das Festival-Programm für Gelsenkirchen vorstellt. Bei der bislang letzten Auflage von „Mord am Hellweg“ seien insgesamt rund 27.000 Besucherinnen und Besucher zu Gast gewesen. „Ich bezweifele momentan stark, dass wir diese Zahl bei unserer Jubiläumsausgabe erneut erreichen können“, so Knorr, der selbst in Gelsenkirchen lebt.
Die Gründe für die Zurückhaltung beim Ticketvorverkauf liegen laut Festivalleiter auf der Hand. Es sei diese bedrohliche Mischung aus Ukraine-Krieg, explodierender Inflation und anhaltender Corona-Pandemie, die die allgemeine Stimmung trübe. Und das Krimifestival stehe mit diesem Problem nicht allein da. Egal, wen man in der Veranstaltungsbranche derzeit auch anspricht: Fast alle registrieren einen deutlichen Rückgang bei Kundennachfrage und Ticketkäufen. „Kein Wunder“, sagt Knorr, „wenn ich mir im Augenblick Gedanken darüber machen muss, ob ich im Winter noch das Gas für die Heizung bezahlen kann, dann kaufe ich jetzt bestimmt deutlich weniger Karten für Lesungen, Konzerte oder das Theater“.
Durch die vielen Nachholtermine setzt ein gewisser Übersättigungseffekt ein
Zweiter Grund: Durch die Pandemie seien in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Kulturevents verschoben worden. Diese steigen nun in geballter Aufeinanderfolge in diesem Herbst und Winter – wenn Corona es denn zulässt. Es setze also ein gewisser Übersättigungseffekt ein, so Knorr. Die meisten Tickets aus diesen Jahren hätten ja ihre Gültigkeit behalten. Und deswegen würden viele Kulturinteressierte nun zunächst lieber das Aufgestaute abarbeiten, als sich schon neue Karten zuzulegen.
Weil sich ein Besucherrückgang also schon jetzt abzeichnet, hat die Festivalleitung ihre Kalkulation angepasst. Ein gewisser Anteil des rund eine Million Euro umfassenden Gesamtbudgets für „Mord am Hellweg“ (Kosten für das Vorbereitungsjahr sind laut Knorr da eingepreist) müsse über den Ticketverkauf eingespielt werden. „Diesen Wert haben wir schon nach unten korrigiert“, so Knorr.
Festivalleiter spricht vom „besten Programm aller Zeiten“
Dabei hätte die zehnte Auflage des 2002 gestarteten Krimifestivals ausnahmslos ausverkaufte Häuser verdient. „Aus unserer Sicht haben wir das beste Programm aller Zeiten zusammengestellt“, verkündet Knorr im Brustton der Überzeugung. Rund 120 Veranstaltungen sind zwischen dem (bereits ausverkauften!) Start am 17. September in Unna und dem Abschluss am 12. November in Schwerte geplant. Vier davon steigen in Gelsenkirchen.
„Wir haben wieder Wert darauf gelegt, dass wir dem Publikum nicht nur namhafte Autoren, sondern auch besondere Spielorte bieten“, betont Knorr. In Gelsenkirchen ist dies etwa die Kunststation Rheinelbe. Dort in Ückendorf wird es am Donnerstag, 22. September, eines der sogenannten „Blind Crime Dates“ geben. Dabei wissen die Zuhörer nicht, welcher prominente Lesende auf der Bühne vor ihnen Platz nehmen wird. „Wir wollen nur so viel verraten: Es wird eine Premierenlesung“, so Knorr.
„Tatort“-Kommissar Dietmar Bär wird deutsche Lesestimme des Autors Martin Walker
Im Stadt-Bau-Raum in der Feldmark steigt am Freitag, 14. Oktober, eine südamerikanisch-spanische Nacht. Zu den Autoren Mercedes Rosende (Uruguay), Pere Cervantes und Berna González Harbour (beide Spanien) gesellt sich für die musikalische Begleitung der Ausnahmemusiker Rafael Cortés. Zu den namhaftesten Gästen des Festivals zählt zweifelsohne auch der Schotte Martin Walker, der am 27. Oktober im Traditionskino „Schauburg“ in Buer auftreten wird. Nicht minder prominent ist seine deutsche Lesestimme an diesem Abend: Der „Tatort“-Schauspieler Dietmar Bär ist erstmals in Gelsenkirchen als Festival-Gast dabei.
Gut läuft immerhin bereits der Vorverkauf für die Lesung von Tess Gerritsen: Die US-Amerikanerin tritt am Sonntag, 30. Oktober, in der Heilig-Kreuz Kirche auf und stellt dort in Ückendorf ihren brandneuen Roman „Mutterherz“ vor. „Karten für diese Veranstaltungen sind bei uns in der Stadtbibliothek im Bildungszentrum erhältlich“, sagt deren Leiter Stephan Stober. Zweite Vorverkaufsstelle sei die Stadtteilbibliothek in Buer. An beiden Stellen sei aber nur Barzahlung möglich, so Stober. Tickets gibt’s auch im Netz unter: www.mordamhellweg.de.
Weitere Daten und Fakten
Das Krimifestival „Mord am Hellweg“ findet seit 2002 als Biennale im Zwei-Jahres-Rhythmus statt. Gelsenkirchen ist als Spielort nun zum sechsten Mal dabei. Eigentlich sollte die zehnte Auflage bereits 2020 über die Bühne gehen. Doch aufgrund der Corona-Pandemie wurde sie zweimal verschoben.
Gelsenkirchen ist eigentlich mit fünf Veranstaltungen bei diesem Festival vertreten. Doch der Auftritt des dänischen Bestseller-Autors Jussi Adler-Olsen hat bereits im März 2022 im Hans-Sachs-Haus stattgefunden.. Im Festival-Zeitraum war der Autor terminlich verhindert, daher die Vorverlegung. Vor 400 Besuchern agierte der Schauspieler Peter Lohmeyer als deutsche Lesestimme.
Traditionell ist auch ein Krimiband zum Festival mit zahlreichen Kurzkrimis erschienenen. Jener, der in Gelsenkirchen spielt, stammt aus der Feder von Bernhard Aichner. Kosten: 13 Euro, 350 Seiten, ISBN: 978-3-89425-764-4. Im Buchhandel erhältlich.