Gelsenkirchen. In der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen steht eine Zeitenwende bevor. Judith Neuwald-Tasbach tritt 2023 nicht mehr zur Vorstandswahl an.

Ehe sie zu reden beginnt, atmet sie noch einmal tief durch. Es ist nicht zu übersehen, wie schwer es ihr fällt, nun öffentlich über ihren Entschluss zu reden. Judith Neuwald-Tasbach wird nach 15 Jahren im Amt im kommenden Jahr nicht mehr für den Vorsitz der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen kandidieren. „Diese Entscheidung ist mir sehr, sehr schwer gefallen“, sagt sie. Doch es sei nun an der Zeit, dass sie sich Zeit für sich nehme, um zu reisen, zu lesen, und ja, „vielleicht sogar noch mehr über die Jüdische Geschichte zu lernen.“

Ihre Gemeinde und einige Menschen darüber hinaus wissen bereits von ihrer Entscheidung, im kommenden Frühsommer die Amtsgeschäfte an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergeben zu wollen. Seither spricht es sich in Gelsenkirchen zunehmend herum, dass in der Jüdischen Gemeinde nichts weniger als einen Zeitenwende ansteht. Im Gespräch mit der WAZ erklärt Neuwald-Tasbach, wie sehr sie ihre Arbeit liebt, wie glücklich sie darüber ist, dass sie die Arbeit ihres Vaters hier über zwei Jahrzehnte fortführen konnte. Die Arbeit von Kurt Neuwald, dessen Familienmitglieder während der NS-Diktatur nahezu alle von den Nazis ermordet wurden, und der dennoch nach seiner Befreiung nach Gelsenkirchen zurückkehrte und den Grundstein für ein neues jüdisches Leben in der Stadt legte.

Judith Neuwald-Tasbach ist seit 22 Jahren im Dienste der Jüdischen Gemeinde tätig

Seit 2007 ist Judith Neuwald-Tasbach die Gemeindevorsitzende in Gelsenkirchen. Sie wuchs als Nachfahrin von in der Nazizeit verfolgten Juden inmitten der wieder gegründeten, kleinen Gemeinde auf. Die studierte Betriebswirtin gab Mitte 2000 ihre Arbeit auf, um ihren kranken Vater, der 36 Jahre lang der Gemeinde vorsaß, zu unterstützen. Sie übernahm zunehmend Aufgaben für die zu dieser Zeit wieder stark wachsende Gemeinde und setzte sich ehrenamtlich für den Neubau des Gemeindezentrums ein. Als Vorsitzende sorgte sie für eine enge Einbindung der jüdischen Gemeinde in die städtische Gesellschaft. Judith Neuwald-Tasbach ist darüber hinaus auch Delegierte in der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorstandsmitglied im Bund traditioneller Juden.

„Ich habe meine Arbeit immer geliebt“, sagt die 62-Jährige, weshalb es ihr auch nicht leicht fallen werde, kürzer zu treten. Schließlich ist die Geschichte jüdischen Lebens in Gelsenkirchen – eine Geschichte voller Leid und Hoffnung – auch ihre ganz persönliche Familiengeschichte und ein Stück Stadtgeschichte.

In einem Gastbeitrag für die WAZ Gelsenkirchen hat Judith Neuwald-Tasbach diese Geschichte für Sie, liebe Leserinnen und Leser niedergeschrieben. Zum Text: Leid und Hoffnung der Familie Neuwald