Gelsenkirchen. Wo beginnt Sexismus? Gelsenkirchenerin Mandy „Monster“ Böhm, Deutschlands beste MMA-Kämpferin, zieht deutliche Linien. Und hat klare Ratschläge.

  • Mandy „Monster“ Böhm aus Gelsenkirchen ist Deutschland beste MMA-Kämpferin.
  • Im WAZ-Interview spricht sie über ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und Alltagssexismus.
  • Gerade in ihrem alten Job musste die UFC-Kämpferin einiges schlucken. Sie fordert andere Frauen dazu auf, ihre eigenen Grenzen zu setzen - richtet aber auch deutliche Appelle an das andere Geschlecht.

Eben erst ist sie wieder in den Flieger nach Las Vegas gestiegen, um dort für ihren nächsten Kampf in der UFC, der größten Organisation im Mixed-Martial-Arts (MMA) zu trainieren. Doch dieses Mal soll es nicht um das nächste Duell auf internationaler Bühne gehen. Nachdem Mandy Böhm, das „Monster“ aus Gelsenkirchen, zuletzt im Paid-TV beim DAZN-Format „Unstoppable“ offen über ihre Erlebnisse mit sexueller Belästigung gesprochen hat, wollen wir das Thema mit ihr vertiefen. Für sie eine Herzensangelegenheit. „Ich finde es enorm wichtig, dass Frauen lernen, ihre eigenen Grenzen zu setzen.“

Die Fliegengewichts-Weltmeisterin in einer der anspruchsvollsten Kampfsportarten, die heute so selbstbewusste und starke Frau findet: „Frauen, die sich für so einen Sport wie meinen entscheiden, entscheiden sich bewusst dafür, aus der Opferrolle zu steigen.“ Und das werde auch in der Szene so wahrgenommen.

Mandy „Monster“ Böhm kämpft gegen Klischees an: „Bin hundertprozentig eine Frau“

Auch wenn das „Monster“ von Sport-Fans und Männern, die Unterwürfigkeit als sexuellen Fetisch ausleben wollen, teils Kommentare im Netz erhalte, die Grenzen maßlos überschreiten, ist die Gelsenkirchenerin dem Sexismus mit ihrer Karriere im Sport also eher entflohen. „Im Kampfsport war der Sexismus nie so ein großes Thema – egal ob du Frau oder Mann bist, ob du homosexuell oder heterosexuell bist, ob du ein Gangster oder Polizist bist: Auf der Matte spielt das keine Rolle.“ Anders sei das bei anderen Männerdomänen. Wie zum Beispiel dem Handwerk.

Weltmeisterin Mandy „Monster“ Böhm 2019 mit ihrem goldenen Gürtel. „Ob ein Spruch oder ein Klaps auf den Hintern beim Training: Wenn ihr für euch entscheidet, dass es zu weit geht, dann stoppt es! Seid selbstbewusst und traut euch, eure Grenzen klar zu definieren“, appelliert sie.
Weltmeisterin Mandy „Monster“ Böhm 2019 mit ihrem goldenen Gürtel. „Ob ein Spruch oder ein Klaps auf den Hintern beim Training: Wenn ihr für euch entscheidet, dass es zu weit geht, dann stoppt es! Seid selbstbewusst und traut euch, eure Grenzen klar zu definieren“, appelliert sie. © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

Denn in einem früheren Leben war Mandy Böhm auf dem Weg, als Industriemechanikerin Fuß zu fassen. In einer anderen Männerdomäne. „Da war ich die einzige Frau unter 20 Männern.“ Mit Männernamen wie „Manni“ oder Bezeichnungen wie „Schnucki“ sei sie von Kollegen angesprochen worden, sogar der Schraubenschlüssel sei ihr selbst nach abgeschlossener Ausbildung von Männern aus der Hand genommen worden – mit dem Hinweis, der Mann könne es ja besser. Für die Gelsenkirchenerin wurde dabei eine Grenze überschritten. Jedes Mal. Gesagt habe sie jedoch nie etwas.

„Ich habe gedacht, sowas muss man wegstecken, sowas muss man schlucken“, sagt sie. „Wenn du eine Handwerkerin bist, bist du in den Augen vieler Männer eine Lesbe. Wenn du keine Lesbe bist, dann bist du ein Kampfweib. Aber ich bin hundertprozentig eine Frau. Und eben auch Kampfsportlerin und Handwerkerin. Das kann ich jetzt selbstbewusst sagen mit 32.“

Gelsenkirchenerin Mandy Böhm: „Traut euch, eure Grenzen klar zu definieren!“

Ein dickes Fell habe sie zwar immer gehabt, sagt sie. Und auch früher sei es ihr bereits wichtig gewesen, sich nicht aufgrund der eigenen Geschlechtsmerkmale unterdrücken zu lassen. Aber heute kann Mandy Böhm klar und deutlich transportieren, wo ihre eigenen Grenzen sind. „Ich möchte nicht, dass jemand mit mir auf sexuelle Weise spricht, das geht zu weit. Für mich ist das kein Kompliment.“

Mandy „Monster“ Böhm im Ring mit Gelsenkirchener Flagge. „Frauen, die sich für so einen Sport wie meinen entscheiden, entscheiden sich bewusst dafür, aus der Opferrolle zu steigen.“
Mandy „Monster“ Böhm im Ring mit Gelsenkirchener Flagge. „Frauen, die sich für so einen Sport wie meinen entscheiden, entscheiden sich bewusst dafür, aus der Opferrolle zu steigen.“ © Bellator MMA

Physische sexuelle Gewalt, die zweifelsohne jegliche Grenzen missachtet, musste Böhm glücklicherweise nie in ihrem Leben erfahren. Wohl aber gute Freundinnen, damals bereits im Teenager-Alter. „Frauen, die so etwas erleben, sind danach gebrochen, für sie ist es total schwer, eine normale Sexualität zu entwickeln. Es ist wie ein Seelen-Raub, sexuelle Gewalt zerstört die Seelen der Frauen, die ihn erleben müssen.“

Damit es möglichst nie so weit kommt, hält Mandy Böhm es auch für sehr wichtig, dass auch andere Frauen klar definieren, wo ihre persönlichen Grenzen sind. „Ob ein Spruch oder ein Klaps auf den Hintern beim Training: Wenn ihr für euch entscheidet, dass es zu weit geht, dann stoppt es! Seid selbstbewusst und traut euch, eure Grenzen klar zu definieren“, appelliert sie.

Gewaltprävention: Mandy „Monster“ Böhm hat schon Pläne für die Zeit nach ihrer aktiven Karriere

Gelegentlich beobachte sie beim Training mit Jugendlichen, wie manch ein Junge die körperliche Situation ausnutzt, beispielsweise in Mädchen von hinten umarmt, das dies gar nicht möchte. „Manche kichern dann nur schamhaft. Aber man muss lernen, bestimmt aufzutreten, ohne die Situation direkt eskalieren zu lassen. Es ist wichtig, dass die Menschen lernen, ihre Bedürfnisse klar zu kommunizieren.“

Von Männern wiederum erwartet Mandy Böhm schlichtweg, diese deutlichen Worte dann auch zu akzeptieren. „Ich erwarte, dass sie Frauen so behandeln, wie sie ihre eigene Mutter und Schwester behandeln würden.“

Für das Gelsenkirchener „Monster“ ist die Prävention vor sexueller Gewalt ein Thema, das sie bereits in Workshops mit Schulklassen anspricht, aber spätestens nach ihrer Karriere als internationale MMA-Kämpferin noch weiter vertiefen möchte. „Meine Vision ist ein eigenes Kampfsportstudio, eine Art Familienzentrum, in dem bereits Kinder anfangen, selbstbewusst ihre Grenzen zu setzen.“ Damit hier die nächsten MMA-Kämpferinnen groß werden – oder auch die nächsten Handwerkerinnen.