Gelsenkirchen. Altschulden: Gelsenkirchen plant bereits konkret mit einem Schuldenerlass. Doch neueste Signale von der Regierung sind alles andere als positiv.
- Bundes- und Landesregierung haben in ihren Koalitionsverträgen einen Schuldenschnitt für überschuldete Kommunen wie Gelsenkirchen versprochen.
- Doch einen Gesetzesentwurf gibt es weiter nicht. Die Gelsenkirchener CDU findet: „Die Ampel lässt die Kommunen alleine.“
- Obwohl auch jüngste Signale der Bundesregierung zu der Frage eines Altschuldenschnittes wenig positiv sind, plant die Stadt Gelsenkirchen jedoch bereits recht konkret mit einem Schuldenerlass und erwartet diesen für 2024.
Für die Gelsenkirchener CDU gab es nur eine Botschaft, nachdem Oberbürgermeisterin Karin Welge vergangene Woche den Entwurf für den Haushalt 2023 vorgelegt hatte: „Die Ampelkoalition lässt die Kommunen in ihrer finanziellen Notlage mit der Altschuldenproblematik allein.“ Zwar standen insbesondere CDU-geführte Länder und Unionspolitiker der Entschuldung von armen und überschuldeten Kommunen wie Gelsenkirchen jahrelang äußerst kritisch gegenüber, aber jetzt kann es der CDU augenscheinlich nicht schnell genug gehen.
Bundesregierung: „Finanzielle Entlastung der Kommunen durch den Bund derzeit nicht geboten“
„Die Altschuldenproblematik bleibt ungelöst – und das, obwohl noch im Dezember ganz andere Töne zu vernehmen waren und Ankündigungen gemacht wurden“, kritisiert der Gelsenkirchener CDU-Chef Sascha Kurth und bezieht sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion zum Thema Kommunalfinanzen.
In dieser heißt es mit Blick auf die Folgen durch den Ukraine-Krieg: „Vor dem Hintergrund dieser fiskalischen Unwucht und angesichts der ab 2023 wieder einzuhaltenden Regelgrenze für die Nettokreditaufnahme des Bundes [...] sind weitreichende finanzielle Entlastungen der Kommunen durch den Bund derzeit nicht geboten.“ Weil der Bund also wieder zur Schuldenbremse zurückkehren will, sieht es mit der Altschuldenlösung schlecht aus.
Stadt Gelsenkirchen plant bereits fest mit einem Schuldenschnitt
Dabei heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eindeutig: „Es gibt viele Kommunen mit hohen Altschulden, die sich nicht mehr aus eigener Kraft aus dieser Situation befreien können [...] Wir wollen daher diese Kommunen von Altschulden entlasten.“ Und auch die neue NRW-Landesregierung aus CDU und Grünen fordert die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag auf, dass diese „klar angekündigte, einmalige gemeinsame Kraftanstrengung“ zur Entlastung der Kommunen „unmittelbar erfolgen“ müsse.
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Die Antwort der Bundesregierung auf die Linken-Anfrage legt aber nun nahe, dass dieser Schritt nicht in allzu naher Zukunft erfolgen wird. Dennoch plant die Stadt Gelsenkirchen bereits fest mit einem Altschuldenschnitt.
„Wir haben in diesem Haushalt auch zum ersten Mal Entlastungen mit eingeplant, auf die wir schon seit Jahren warten: eine Altschuldenlösung“, kündigte Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff bei seiner Rede zur Einbringung des neuen Haushalts an. Wegen der „konkreten politischen Absichtserklärungen sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene“ habe man, beginnend mit dem Haushaltsjahr 2024, einen Altschuldenschnitt berücksichtigt. Wolterhoff spricht von einer „jährlichen ertragswirksamen Entlastung in Form einer Schuldendiensthilfe in Höhe von 8,9 Millionen Euro, die wir auch unbedingt brauchen“.
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Stadt Gelsenkirchen hat in den vergangenen Jahren viele Schulden abgebaut
Die Liquiditätskredite der Stadt Gelsenkirchen, welche üblicherweise mit den Altschulden gemeint sind und vereinfacht gesagt den „Dispokredit“ des städtischen Kontos beschreiben, lagen im Haushaltsjahr 2021 bei etwa 553 Millionen Euro. Wie sehr die Stadt in den letzten Jahren Schulden abgebaut hat, zeigt sich mit Blick auf das Jahr 2016: Damals lagen die Liquiditätskredite noch bei 809,5 Millionen Euro.
Für Gelsenkirchen bedeuten die jedoch weiterhin hohen Schuldenberge: Für 2023 rechnet die Stadt mit knapp 9 Millionen Euro allein für die Zinsaufwendungen. Und da die Europäische Zentralbank (EZB) zur Bekämpfung der Inflation nun die Strategie eingeleitet hat, den Leitzins nach einer jahrelangen Niedrigzinsphase wieder anzuheben, droht die Zinsbelastung noch dramatischer zu werden.
EZB erhöht Leitzins – Gelsenkirchener CDU: „Brandgefährlich“ für die verschuldete Stadt
Kämmerer Wolterhoff sprach mit Blick auf die Zinssteigerung gegenüber der WAZ bereits von einer „tickenden Zeitbombe.“ Eine Zinssteigerung um einen Prozentpunkt könne eine zusätzliche Belastung von knapp 6 Millionen Euro für die Menschen in Gelsenkirchen bedeuten. Auch die CDU bezeichnet dies als „brandgefährlich“. Zuletzt erhöhte die EZB den Leitzins im Juli bereits kräftig von null auf 0,5 Prozent.
Etwas gemäßigter äußerte sich Wolterhoffs Kämmerei bei der Beantwortung einer Frage der WIN-Fraktion. Die Zinsen würden den Haushalt zwar „mittel- bis langfristig“ belasten, im Bereich der Liquiditätssicherungskredite seien die Zinssätze jedoch vertraglich bis in das Jahr 2028 festgeschrieben. Nur ein kleiner Teil sei variabel verzinst. Einzig Neuaufnahmen von Krediten unterlägen einem kurzfristigen Zinsrisiko.