Gelsenkirchen. Monopol von Lieferando: Der Lieferdienst ist für viele Gelsenkirchener Gastronomen unverzichtbar - was sie sich für die Zukunft wünschen.

Das Lieblingsessen bequem von der Couch aus zu bestellen ist für viele Menschen selbstverständlich geworden. Besonders seit der Corona-Krise sind die Nutzerzahlen von Lieferdiensten wie Lieferando noch einmal rasant gewachsen – nicht unbedingt zum Vorteil der Gastro-Betriebe. „Lieferando macht die Regeln. Da gilt: Friss oder stirb“, hieß es zuletzt aus dem Mülheimer Burgerrestaurant „The Hungry Poet“, das seine Zusammenarbeit mit dem Branchenprimus nun beendet hat. Den Frust können Gastronomen in Gelsenkirchen nachvollziehen, auch hier hört man von Restaurantbetreibern: „Lieferando nutzt seine Monopolstellung vollkommen aus.“

14 Prozent Provisionen für Lieferando sind Gelsenkirchener Gastronomen zu viel

Trotzdem ist der Bringdienst für viele Gastronomen unverzichtbar. Denn Lieferando schafft Bekanntheit und Werbung, die sich viele Restaurants aus eigener Hand nicht aufbauen könnten. Für seine Leistung verlangt Lieferando auch dementsprechend viel: Für die Nutzung der Plattform zur Bestellung fallen nach Angaben von Gelsenkirchener Gastronomen fast 14 Prozent Provision an. Für Onlinezahlung sogar noch einmal mehr.

„Die Provision ist eindeutig zu hoch“, ärgert sich die Inhaberin eines chinesischen Lokals, wo man aus Sorgen vor Geschäftsschädigung jedoch lieber anonym bleiben möchte. „Daher möchten wir es schaffen, unabhängig von Lieferando zu werden und Onlinebestellungen nur noch über unsere eigene Website anzunehmen“.

Auch in Gelsenkirchen steht der Lieferdienst Lieferando in der Kritik. Viele Gastronomen würden gerne auf die Zusammenarbeit verzichten.
Auch in Gelsenkirchen steht der Lieferdienst Lieferando in der Kritik. Viele Gastronomen würden gerne auf die Zusammenarbeit verzichten. © dpa | Carsten Koall

Auch für Gülsen Turpcu, Inhaberin des „Bizimmangal“, ist die Provision unverständlich hoch: „Jährlich geben wir 2000 bis 4000 Euro an Lieferando ab, je nachdem wie hoch unser Umsatz ist. Wir würden uns wirklich sehr freuen, wenn mehr Kunden persönlich bei uns bestellen würden“.

Lieber telefonisch oder auf Websites der Gelsenkirchener Restaurants bestellen

Diesen Wunsch teilen viele Gastronomen, unter anderem auch die Betreiber von „Mr. Wasabi" in der Innenstadt. Sobald ein Kunde im Restaurant telefonisch oder über die eigene Website bestellt, lohne sich das Geschäft viel mehr, heißt es von der Restaurantkette.

„Wir bieten auf unserer Website regelmäßig Rabattaktionen oder im Falle von Lieferverzögerungen Entschädigungen an. All dies geht bei Bestellungen über Lieferando nicht“, erklärt man auch bei einem Burger-Imbiss, wo man auch lieber unerkannt bleiben möchte.

Abgesehen davon könnten die Gastronomen mit ihren Kunden auch viel besser in Kontakt treten, wenn diese nicht über Lieferando bestellen. Das findet auch Achmed Naveed vom „Kashmir Garden“: „Durch die Bestellungen über Lieferando fehlen der direkte Kundenkontakt und die Verbindung zu den Kunden“, sagt Naveed. Außerdem biete die eigene Website viel mehr Flexibilität. Das bestätigt man bei dem chinesischen Restaurant: „Möchten Restaurants Änderungen an ihrer Karte bei Lieferando vornehmen, bedeutet dies eine lange Bearbeitungszeit“.

So reagiert Lieferando auf die Kritik der Gelsenkirchener Gastronmen

Neben der Kritik gibt es aber auch Lob. Viele der befragten Gastronomen berichten, dass Lieferando sehr zuverlässig sei, Zahlungen immer pünktlich überwiesen und vereinbarte Leistungen erbracht würden. Bei der Pizzeria Milano hat man es dennoch von Anfang an direkt anders gemacht: „Wir nutzen Lieferando nicht, da wir unsere Stammkunden haben und dieses vollkommen ausreichend ist“, erzählt man dort. Alternativlos ist die Zusammenarbeit mit Lieferando also nicht.

Die Kritik der Gastronomen kann man bei Lieferando selbst nicht nachvollziehen. Unternehmenssprecher Oliver Klug erklärt, dass Lieferando den Restaurants in Deutschland täglich mehrere hunderttausend Bestellungen vermittelt und ihnen durch „verbraucherfreundliche Shop- und Bezahlfunktionen“ durchschnittlich zu einem Erlös von 130.000 Euro verhelfe – nach Abzug der Provision. Diese sei im Übrigen bei keinem vergleichbaren Anbieter auf dem Markt geringer. Und schließlich gebe es für die Provision auch einen „großen Serviceumfang“, etwa eine Erleichterung der digitalisierten Geschäftsprozesse oder eine Beratung zu Liefergebieten. Anders formuliert: Die Gastronomen können darauf verzichten, eine eigene Website zu pflegen.

Die zubuchbare Auslieferung durch Lieferando-Fahrer erspare den Gastronomen zudem die Kosten und den Aufwand einer eigenen Logistik. „Dank des Serviceumfangs können sich die zumeist kleinen Betriebe voll auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.“

Lieferando schon lange in der Kritik

Schon seit mehreren Monaten steht der Essenslieferdienst Lieferando in der Kritik. Seitdem Just Eat Takeaway, der Mutterkonzern von Lieferando, Delivery Hero übernommen hat, ist Lieferando quasi zum Monopolisten in Deutschland geworden. Besonders kritisiert werden die Arbeitsbedingungen der Lieferando-Fahrer.

Arbeitswerkzeuge sind das eigene Fahrrad sowie das eigene Smartphone. Gearbeitet wird mit einer App, in der die Fahrer ihre Aufträge einsehen und verwalten können. Auf der einen Seite ist der Datenverbrauch der App sehr hoch und auf der anderen könnten Kunden die Fahrer stets verfolgen. In einer Umfrage von Plusminus und BR ging hervor, dass Fahrer aus ganz Deutschland sich aufgrund dieser Einsicht von Daten beobachtet fühlen.

Als Reaktion auf die Kritik kündigte Lieferando an, den Fahrern zukünftig ein Dienst-Fahrrad sowie ein Dienst-Smartphone mit Flatrate zur Verfügung zu stellen. Außerdem soll der Lohn steigen.