Gelsenkirchen. Feuerwehrmann und Ingenieur in spe: Mit einem Umkippschutz für Pumpen will ein Gelsenkirchener Start-up-Gründer die Sicherheitsbranche erobern.
Dass Not erfinderisch macht, zeigt die Geschichte. Aus Katastrophen, Kriegen und Krisen sind nicht nur Leid und Zerstörung, sondern unter anderem auch das Rote Kreuz, Staudämme oder Kugelschreiber hervorgegangen. Für Denis Drosdzol bedeutete der Katastropheneinsatz bei der Jahrhundertflut die Initialzündung. Der 20-jährige ehrenamtliche Feuerwehrmann hat „LUK“, einen „Umkippschutz für Tauchpumpen“, entwickelt. Mit dem Patent und seinem Start-up „Lenz Technology“ will der angehende Ingenieur aus Gelsenkirchen nun durchstarten. Marktpotenzial nach eigenen Angaben: „Gut 45 Millionen Euro“.
„Das muss doch besser zu machen sein“ – dieser Gedanke schoss Denis Drosdzol durch den Kopf, als er inmitten des Flut-Chaos in Eschweiler die fieberhaften Bemühungen der Rettungsdienste sah, mit Tauchpumpen gegen das allgegenwärtige „Land unter“ anzukämpfen. Vor einem Krankenhaus sollten die Straßen von den Wassermassen befreit werden.
Auszeichnung für Gelsenkirchener: „Excellence Award“ der Weltleitmesse für Sicherheit
Das Problem dabei aber: Die Geräte kippten oft um, Schläuche knickten ab, im Prinzip standen Feuerwehr, THW und Co. ein ums andere Mal auf dem Schlauch, weil der Durchfluss zur Unzeit ins Stocken kam. „Ein Retter musste dann mit dem schweren Schlauch über der Schulter in den Fluten stehen, damit das Wasser abgepumpt werden konnte“, erinnert sich der 20-jährige Gelsenkirchener an den 23-stündigen Noteinsatz. Also mitten im Gefahrenbereich. Und das in einer Situation, wo jede Hand mehr gezählt hat.
Wieder daheim in Gelsenkirchen, setzte Denis Drosdzol, der aktuell an seiner Bachelor-Arbeit in Verfahrenstechnik schreibt, jede Menge Hirnschmalz und Rechnerkapazität ein, den Tauchpumpen das Kippen auszutreiben. Gelungen ist es ihm mit einem S-förmigen und 3,5 Kilogramm schweren Kupplungsstutzen aus Edelstahl und Aluminium, der so ausgelegt ist, dass „auch das Antriebsmoment der Pumpe“ das Gerät nicht aus dem Gleichgewicht bringt.
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Auf der „Interschutz“-Ausstellung, der Weltleitmesse für Feuerwehr, Rettungswesen, Bevölkerungsschutz und Sicherheit, erhielt Drosdzol im Mai 2022 für seine Erfindung den „Excellence Award für besondere Leistung in Forschung und Entwicklung“. Ein Ritterschlag. Spätestens da war für den 20-Jährigen klar, wohin die Reise geht.
Dazu muss man wissen: Drosdzol ist leidenschaftlicher Feuerwehrmann. Angefangen 2014 bei der Jugendfeuerwehr Gelsenkirchen, steht der 20-Jährige seit 2019 mit den Kameradinnen und Kameraden des Löschzugs Buer-Mitte regelmäßig bereit, um anderen aus der Not zu helfen. Zugleich ist der Gelsenkirchener schon seit frühester Jugend ein nicht minder engagierter Tüftler.
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Berufung und Beruf münden jetzt im Start-up „Lenz Technology“. Insgesamt vier Hersteller produzieren auf Anfrage nun den Kippschutz, zwei davon kommen aus der Emscherstadt. Der regionale Aspekt war Drosdzol wichtig, ebenso die Verwendung von Stahl und Aluminium aus der EU, um nicht in globale Abhängigkeit zu geraten und die heimische Wirtschaft zu stärken.
Wobei Lenz übrigens eine Verbeugung vor dem Physiker Emil Lenz ist, dessen Lenz’sche Regel die Grundlage für die heutigen Wirbelstrombremsen für Schienenfahrzeuge bildet, auch eine Apparatur, die für Sicherheit sorgt.
Dem Kugelschreiber gelang der Durchbruch während des Zweiten Weltkriegs. Der Brite Henry George Martin erkannte ihn als ideales Schreibwerkzeug für Flugzeugbesatzungen, weil er nicht kleckste wie ein Füller und nicht zu radieren war wie ein Bleistift. Sein Unternehmen lieferte 30.000 Stück an die Royal Air Force. Der Beginn eines Siegeszuges, das Schreibutensil ist heute nirgendwo mehr wegzudenken.
Ein schönes Beispiel ist auch der Teebeutel. Weil Blechdosen zu schwer waren, verschickte der amerikanische Händler Thomas Sullivan während des Ersten Weltkriegs seinen Tee in kleinen Seidenbeuteln.
Gelsenkirchener Denis Drosdzol: Marktpotenzial liegt bei 45 Millionen Euro
Auf eine Erfolgsgeschichte hofft auch Denis Drosdzol. Die Feuerwehr Gelsenkirchen hat bereits zwei solcher Kippschutze im Testbetrieb, wie Ansgar Stening berichtet. „Einfache technische Lösungen sind in unserer Branche hochwillkommen“, sagt der stellvertretende Feuerwehrchef. „Wir sind stolz auf unseren Kollegen.“ Schließlich gehe es darum, die Arbeit der Retter so effektiv wie möglich zu machen. Überschwemmte Keller und Unterführungen sind ja auch in Gelsenkirchen nach Starkregen keine Seltenheiten mehr.
Das Verkaufspotenzial bei den Feuerwehren in Deutschland scheint zumindest groß. „Es gibt laut Feuerwehr-Magazin mehr als 50.000 Löschfahrzeuge von Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr in Deutschland“, rechnet der 20-Jährige selbstbewusst vor. Technisches Hilfswerk und andere Organisationen seien dabei noch nicht berücksichtigt. Drosdzol denkt zudem noch an Industriezweige wie den Tiefbau und auch an die Bundeswehr mit ihren Pionier-Einheiten.
Mehr als 20 weitere technische Ideen für die Feuerwehr
Denis Drosdzol studiert im fünften Semester Ingenieurwesen im Bereich Verfahrenstechnik. Seine Bachelor-Arbeit beinhaltet ebenfalls eine Erfindung mit Patentschutz: „Simba“. Damit soll es nach Angaben des 20-jährigen Gelsenkircheners möglich sein, brennende und unter Spannung stehende Bereiche mit normalem Löschwasser zu löschen, ohne einen Stromschlag zu riskieren. Anwendungsbeispiele wären ihm zufolge Photovoltaik-Anlagen oder E-Autos.
Bei seiner Abschlussarbeit wird Denis Drosdzol von Ansgar Stening betreut. Der stellvertretende Feuerwehrchef hat bereits die Anfänge dieser Arbeit des Gelsenkirchener freiwilligen Feuerwehrmannes in der elften Klasse beim Wettbewerb „Jugend forscht“ begleitet. Drosdzol: „Ich habe noch mehr als 20 Ideen für weitere technische Verbesserungen bei der Feuerwehr.“
„Sie alle nutzen solche Pumpen und haben das gleiche Problem mit dem Kippen“, so der Jung-Unternehmer, der bundesweit von einem Markt mit rund 90.000 Abnehmern ausgeht. Macht bei einem Stückpreis von 499 Euro rund 45 Millionen Euro. Vielleicht ein neuer Bestseller – Made in Germany Gelsenkirchen.