Gelsenkirchen. Zweimal im Monat rückt ein behördenübergreifendes Team in Gelsenkirchen zu Problemhäusern aus. Was das Interventionsteam EU-Ost dabei entdeckt.

Die jüngste Nachricht stammt vom 18. Juli 2022. „Sozialleistungsmissbräuche wurden aufgedeckt, Stromzähler gesperrt“, heißt es darin. Wiederholt hatte das sogenannte Interventionsteam EU-Ost Gebäude in der Haupt-, Uechting- und der Gildenstraße überprüft. Dabei deckte das Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen (IAG) in sechs Fällen Sozialleistungsmissbrauch auf. In einem weiteren Fall gibt es den Verdacht des unberechtigten Bezugs von Sozialleistungen.

Bilanzen wie diese schreibt das Pressereferat der Stadt Gelsenkirchen regelmäßig. Nämlich fast immer dann, wenn es zu berichten gilt, welche Ergebnisse die jüngsten „Objektprüfungen“ zutage gefördert haben, die das behördenübergreifende Team – eine Einheit aus Ordnungsamt, Baubehörde, Zoll, Feuerwehr und Polizei – durchgeführt hat.

Denn dann werden in und um Schrottimmobilien in Gelsenkirchen meist zahlreiche Verstöße aufgedeckt: von illegalen Werkstätten über Müllberge mit Rattenplagen bis hin zu abenteuerlichen Strom-Verkabelungen und eben nicht selten auch Fällen von Soziallleistungsmissbrauch.

Diese „Objektprüfungen“, wie sie in der Behördensprache genannt werden, gibt es in Gelsenkirchen bereits seit neun Jahren. Gleichwohl werden „die Prüfer“ weiterhin sehr, sehr oft „fündig“. Nicht zuletzt auch, weil die Fluktuation der Menschen hoch ist.

Wie der Name der behördenübergreifenden Einheit schon vermuten lässt, handelt es sich bei den Bewohnern der Problemimmobilien „meist um Personen aus Rumänien und Bulgarien“, bestätigt Stadtsprecher Martin Schulmann.

Wann das Interventionsteam EU-Ost tätig wird

Neben der regulären Zuwanderung aus den EU-2-Staaten berichten Kommunen und Behörden auch immer wieder von Varianten einer bedenklichen Nutzung des Arbeitnehmerfreizügigkeitsprivilegs. So würden weiterhin Schleusernetzwerke existieren, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, wie etwa angemessener Arbeits- und Wohnverhältnisse, bereits im Heimatland Menschen zur Zuwanderung nach NRW motivieren, vor Ort jedoch weder das eine noch das andere gewährleisten. In der Praxis finden sich die Neuzugewanderten dann oftmals in fingierten Arbeitsverhältnissen mit aufstockendem Sozialleistungsbezug und problematischen Wohnverhältnissen wieder.

Aktuell rückt das Interventionsteam EU-Ost in Gelsenkirchen etwa ein- bis zweimal pro Monat aus. „Die Stadt Gelsenkirchen geht dabei Hinweisen aus der Bevölkerung nach oder handelt aufgrund eigener Erkenntnisse“, berichtet Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage.

Über aufgedeckte Fälle von Sozialmissbrauch gebe es bei der Stadt allerdings keine Datenlage, „da die Fälle von beteiligten anderen Behörden wie dem Jobcenter, der Agentur für Arbeit oder der Kindergeldkasse bearbeitet bzw. dorthin weitergeleitet werden“, erklärt Schulmann auf eine aktuelle WAZ-Anfrage.

Im November 2021 wusste die Stadt allerdings noch zu berichten, dass allein zwischen 2019 und November 2021 bei Großprüfungen 88 Stromzähler abgebaut, 81 Verdachtsfälle von Sozialleistungsmissbrauch aufgenommen und 144 Baurechtsverstöße und Nutzungsuntersagungen ausgesprochen wurden. 50 Mal seien sogar ganze Immobilien „geschlossen“ worden, weil sie aufgrund baulicher Probleme (fehlende Rettungswege, ungenehmigte Aus- und Umbauten bis hin zu gefährlichen Verkabelungen) als nicht mehr bewohnbar gelten.

Hunderte Problemhäuser und Tausende Wohnungen überprüft

In den meisten Sozialleistungsmissbrauchsfällen seien die gemeldeten Personen (Erwachsene und Kinder) nicht mehr in den Häusern wohnhaft, erhielten aber unter der Adresse weiter Sozialleistungen. Der tatsächliche Aufenthaltsort sei in diesen Fällen nicht bekannt.

Allein seit 2016 wurden bei Großkontrollen in der Stadt an die 300 Problemhäuser und mehr als 2000 Wohnungen überprüft. Mehr als 680 Menschen wurden seitdem von Amts wegen abgemeldet.