Gelsenkirchen. Bei der Tafel Gelsenkirchen sind die Auswirkungen von Krieg und Inflation deutlich spürbar. Zuletzt gab es einen „sehr erhöhten Zulauf“.

Szenen wie jüngst in Essen – es gibt sie bei der Gelsenkirchener Tafel (noch) nicht. Doch die Situation hat sich auch in dieser Stadt erheblich verändert: Mit den steigenden Preisen, des sich verändernden Preisniveaus – Lebensmittel, Sprit, später dann Gas werden teurer und teurer – haben auch die Ausgabestellen der Tafel auf Gelsenkirchener Stadtgebiet in den vergangenen Wochen immer mehr Zulauf bekommen.

Tafel Gelsenkirchen: Hunderte Kunden mehr in den vergangenen zwei Monaten

Blick in die Nachbarstadt: Auch in Essen wenden sich immer mehr Bedürftige an die Tafel – doch nicht jeder erhält dort auch die Möglichkeit, Nahrungsmittel zu bekommen. Der Andrang war am vergangenen Mittwoch so groß, dass ein Aufnahmestopp für die kommenden acht Wochen bis August verhängt werden musste. Erneut – denn bereits über den gesamten Mai hinweg konnten keine neuen Kunden aufgenommen werden. Wahrscheinlich, und das könnte eine der Ursachen sein, ist der Aufnahmestopp Grund für den Andrang zuletzt.

Die Essener Tafel am Mittwoch, 1. Juni: Der Andrang war so groß, dass erneut ein Aufnahmestopp bis in den August verhängt werden musste.
Die Essener Tafel am Mittwoch, 1. Juni: Der Andrang war so groß, dass erneut ein Aufnahmestopp bis in den August verhängt werden musste. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Auch in Gelsenkirchen sei ein „sehr erhöhter Zulauf zu verzeichnen“, wie Hartwig Szymiczek auf Nachfrage berichten kann. Zwar sei dieser nicht so drastisch wie in Essen, dennoch kämen seit Anfang April nun etwa 400 bis 500 Haushalte mehr, so der Geschäftsführer der Gelsenkirchener Tafel. Waren es vor knapp zwei Monaten noch rund 2500 Haushalte, ist die Zahl nun auf rund 2900 pro Woche gestiegen.

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Einer der Gründe: Mit den Wochen seien mehr Geflüchtete aus der Ukraine in die Stadt gekommen, so Szymiczek. Doch es gibt noch weitere Faktoren, die eine Rolle spielen: Nun steuern die insgesamt sechs Ausgabestellen auf Stadtgebiet auch Menschen an, die gerade jetzt merken, „dass sie mit ihrem Geld nicht mehr klar kommen und es bisher vermieden haben zur Tafel zu kommen.“ Meist seien es Kunden, die von Sozialleistungen leben. Ein weiterer Punkt: Die Corona-Lage sorge aktuell für Entspannung – aus Angst vor einer möglichen Infektion hätten viele einen Besuch der Tafel in der Vergangenheit eher gelassen.

Die Situation bezüglich der Verfügbarkeit der Lebensmittel hat sich zuletzt ebenfalls verändert: „Obst und Gemüse werden zur Mangelware“, so Szymiczek weiter. Das sei häufig in der Sommerzeit so, doch nun schlagen eben auch die Preissteigerungen- und Erhöhungen, vor allem bedingt durch den Krieg in der Ukraine, tüchtig durch.

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Obschon die Lage angespannt ist, bereitet sie Szymiczek „keine grundlegende Sorge“ – dennoch versuche man, den „Betrieb in Gang und das Angebot aufrecht zu erhalten“. Schließlich müsse das auch eine gewisse Attraktivität für die Kunden haben. Anfang April hatte der Tafel-Geschäftsführer im Gespräch mit der WAZ erläutert, dass eine finanzielle Schräglage für die Gelsenkirchener Tafel trotz der teilweise explodierenden Kosten nicht drohe: „Als relativ große Tafel haben wir das Glück, auf einen breiten Rückhalt in der Stadtgesellschaft, bei Unternehmen und Bürgern setzen zu können. Wir haben auch noch einige Rücklagen, die wir für die Aufrechterhaltung unserer Infrastruktur gebildet haben“, so Szymiczek damals.

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Das sei auch heute noch so, sagt er und verweist zudem noch auf einen weiteren Anker: die Tafel Nordrhein-Westfalen. Überörtliche Handelswege im Blick kümmert sich der Verein unter anderem auch um die Akquise von Großspendern und die Verteilung von Großspenden – die dann eben auch bei der Gelsenkirchener Tafel ankommen und abgeben werden können.

Bei den Kunden sei mittlerweile eine „gewisse Verärgerung über die Angespanntheit der Lage“ zu spüren, auch das Thema der steigenden Energie-Preise schwebe wie ein Damoklesschwert über den Menschen. „Das drückt auf die Stimmung der Leute“, so Szymiczeks Eindruck.