Gelsenkirchen. Eine Auszeit für Eltern während die Kinder auf dem Trampolin hüpfen: Davor warnen Gelsenkirchener Ärzte. Die Unfallgefahr sei „extrem hoch“.
Viele Familien haben sich in den vergangenen Jahren das Schalker Trampolino oder den Ückendorfer Alma-Park in abgespeckter Form nach Hause geholt: Große Trampoline sind aus vielen Gelsenkirchener Gärten kaum mehr wegzudenken. Seit der Corona-Pandemie freuen sich die Hersteller auf steigende Umsätze. Doch der Hype hat seine Schattenseiten. „Die Unfallgefahr ist extrem hoch“, sagt der Buersche Kinderarzt Klaus Vogtmeier, der eine Zunahme von Trampolin-Verletzungen beobachtet. „Es wird übertrieben und nicht mit den richtigen Bewegungsabläufen gesprungen.“
Gelsenkirchener Ärzte berichten von regelmäßigen Trampolin-Unfällen
Erst vor kurzem sei bei Vogtmeier erst wieder ein drei Jahre junger Patient mit einer Ellbogen- und Unterarmfraktur aufgeschlagen. Auch Zerrungen, etwa am Sprunggelenk, seien in den letzten Monaten häufiger aufgetreten. „Am häufigsten kommen Armbrüche vor, weil es schnell passieren kann, dass ein Kind auf dem Trampolin unglücklich mit dem eigenen Körpergewicht auf den Arm stößt“, sagt Vogtmeier. Bei übergewichtigen Kindern gebe es hier ein besonderes Risiko.
Es sind jedoch nicht nur die akuten Verletzungen, auch die ständige Belastung durch exzessives Dauerhüpfen kann laut Vogtmeier zu Problemen führen. „Wir haben bereits Patienten gehabt, die dadurch im wachsenden Knochen einige Schäden hatten.“
Peter Kaivers, Chefarzt für Unfallchirurgie am Marienhospital Gelsenkirchen, kennt die typischen Trampolin-Unfälle ebenfalls gut – allerdings nicht ausschließlich bei Kindern, sondern immer mal wieder auch bei Erwachsenen. „Die meisten Verletzungen können wir aber gut operativ versorgen, langfristig anhaltende Schäden für Kinder gibt es eher weniger.“
Damit es nicht zu einem Trampolin-Unfall kommt: Das sollten Eltern beachten
Damit es jedoch gar nicht erst so weit kommt, sollten die Eltern ihre Aufsicht beim Trampolinspringen nicht vernachlässigen, appellieren die beiden Gelsenkirchener Mediziner. Sich eine Ruhezeit zu gönnen, während sich die Kinder auf dem Trampolin beschäftigen, sei der falsche Weg. „Eltern sollten aufpassen!“, sagt Kaivers. „Kinder werden auf dem Trampolin schnell übermütig und versuchen beispielsweise viel zu früh, einen Salto zu machen“, ergänzt Vogtmeier, der sich viele Unfälle auch dadurch erklärt, dass oft nicht nur – wie eigentlich von vielen Herstellern empfohlen – ein einziges Kind auf dem Trampolin hüpft.
- Lesen Sie auch: Spielplätze in Gelsenkirchen: Diese Dinge sind beim Bau wichtig
Was am gemeinschaftlichen Hüpfen so problematisch sein kann, erklärt Nicola Martens, Bewegungsspezialistin bei der AOK Nordwest. „Jedes Kind hat einen anderen Sprungrhythmus. Durch die Schwingung des Sprungtuchs werden die Sprünge unkontrollierbar, die Kinder stürzen oder stoßen stark zusammen“, so die Expertin der Krankenkasse.
Grundsätzlich gilt laut Martens: Je jünger das Kind, umso eher kann es zu Brüchen und anderen schweren Folgen kommen – weil die kleinen Körper den Kräften, die beim Springen entstehen, nicht gewachsen und die Knochen noch nicht hart genug seien. Doch auch die älteren Kinder verletzen sich häufig: Bei jeder dritten Verletzung bei Unfällen von Elf- bis 13-Jährigen im Zusammenhang mit Sport- und Fitnessgeräten handelt es sich um einen Trampolinunfall, wie das Robert-Koch-Institut schon 2016 feststellte.
Trampolino Gelsenkirchen: So sieht es hier mit der Unfallgefahr aus
Aber geht es dabei alleine um Gartentrampoline? Wie sieht es etwa in Hüpfparks wie dem Trampolino im Schalker Sportpark mit Unfällen aus? „Wir betreiben das Trampolino mittlerweile seit 18 Jahren und zu wirklich großen Verletzungen ist es bislang nicht gekommen“, sagt Sportpark-Chef Martin Rinke – was jedoch nicht heiße, dass es nicht auch im Trampolino schon zu dem einen oder anderen Vorfall gekommen ist. Rinke sieht diese aber vor allem als Folgen von Selbstüberschätzung – „wenn zum Beispiel ein adipöser Vater Mitte 30 mal zeigen will, wie ein Salto geht.“
Was die Aufsicht angeht, so bemühe man sich, „bestmöglich Obacht zu geben“, so Rinke. Zudem sei die Gefahr, sich im Trampolino zu verletzten auch deswegen geringer als im Garten, „weil unsere Trampoline ja an allen Enden ausgepolstert sind“. Zudem seien überall Netze vorhanden – was im Garten nicht selbstverständlich sei.
Positive Seiten des Trampolin-Hypes: „Das Springen stärkt die Muskulatur“
Darauf macht auch Unfallchirurg Peter Kaivers aufmerksam: „Ein Netz ist natürlich die erste Möglichkeit, um für mehr Sicherheit zu sorgen.“ Die allerschlimmsten Verletzungen aus großer Fallhöhe könne man so verhindern. Beachte man alles – die Aufsicht, das Netz, den kindlichen Übermut – dann müsse man das Springen nicht verteufeln. „Man kann die Kinder nicht in Watte einpacken.“ Bei der AOK sieht man das ähnlich: „Das Springen stärkt auch die Muskulatur, fordert koordinative Fähigkeiten und Ausdauer“, betont Nicola Mertens.
Kinderarzt Klaus Vogtmeier ist da etwas skeptischer. „Für mich ist es dasselbe wie beim Fahrradfahren: Man sollte die Kinder nicht zu früh an bestimmte Sachen heranführen“, warnt er vor falschem Ehrgeiz. „Es kommt dabei immer auf die individuelle muskuläre und geistige Entwicklung des Kindes an.“
Jede dritte Verletzung ist schwer
Dem 2021 durchgeführten Monitor der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie zufolge machen schwere Verletzungen wie Knochenbrüche, Frakturen entlang der Wirbelsäule oder Schädel-Hirn-Traumate etwa ein Drittel aller Trampolinunfälle bei Kindern bis 18 Jahren in Deutschland aus. Zu den leichteren Verletzungen mit einem Anteil von etwa 70 Prozent gehören Verstauchungen, Prellungen und leichte Gehirnerschütterungen.