Gelsenkirchen. Die Polizeischulleitung würde Gelsenkirchen samt HSPV gerne Richtung Herne verlassen. Doch das Vergabeverfahren weist offenbar diese Fehler auf.

Wenn das Vergabeverfahren irgendwann einmal tatsächlich beendet und der neue Campus für die Hochschule für Polizei und Verwaltung (HSPV) gebaut ist, dann wird man im Zimmer des Präsidenten wohl einen extra großen Aktenschrank eingebaut haben, allein für die Dokumentation der Vorgeschichte dieses Vorhabens. Auch dieser Artikel kommt nicht um einen Rückblick umhin, um zu verdeutlichen, welche Verfahrensfehler die bei der Bezirksregierung Münster angesiedelte Vergabekammer Westfalen in einem Schreiben andeutet, der jüngst an alle Beteiligte geschickt wurde.

Rückblende:

Der Hauptsitz der NRW-Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) in Ückendorf und der Studienort Wanner Straße 158-160 sind in die Jahre gekommen, ein Neubau soll her. Nach einer europaweiten Ausschreibung beschränkte das Land die Zahl der Bewerber auf die vier Städte Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund und Herne; private Projektentwickler – für das Gelsenkirchener Areal am Standort des Zentralbades Kölbl und Kruse – reichten ihre Bewerbungen für das 150-Millionen-Euro-Projekt ein. Ursprünglich wollte das Land bereits im Sommer 2021 den Sieger verkünden und 2025 den Neubau in Betrieb nehmen.

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Unbeeindruckt davon, dass es seit Monaten Stimmen gibt, die behaupten, die Ausschreibung sei von Anfang an eine Farce gewesen, weil es dem HSPV-Präsidium nur darum gehe, Gelsenkirchen zugunsten Hernes verlassen zu wollen, lud die HSPV Anfang März kurzfristig zu einer Pressekonferenz ein, bei der sie den neuen Campus-Standort verkünden wollte. Nur wenige Stunden später wurde die Pressekonferenz wieder abgesagt. In der Zwischenzeit hatte es hinter den Kulissen mächtig geknallt. In letzter Minute hatte ein Bieter – nach Informationen dieser Redaktion Kölbl und Kruse – einen Nachprüfungsantrag gestellt. Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) zeigte sich nach zwei Jahren Verfahrensdauer angesichts des Hickhacks gegenüber der WAZ entsetzt. [Zum Thema: Polizeischule Gelsenkirchen: Vorgeschichte zum Millionendeal]

Doch wie es scheint, war der Einspruch wohl nicht unbegründet. Wie die WAZ am Donnerstag exklusiv erfuhr, mahnt die Vergabekammer in Richtung HSPV an, dass das ganze Verfahren zurückgesetzt werden könnte. Hintergrund ist, dass die HSPV ihrerseits Zweifel daran geäußert hat, ob Kölbl und Kruse tatsächlich noch berechtigt ist, am Vergabeverfahren teilzunehmen, weil das Essener Bauunternehmen beim Grundstückserwerb unerlaubterweise „staatliche Beihilfe von der Stadt Gelsenkirchen“ bekomme. Träfe das zu, läge insgesamt „keine Entscheidungsreife vor“.

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Denn die HSPV hätte Kölbl und Kruse schon vor Monaten aus dem weiteren Verfahren ausschließen müssen, wenn der Projektentwickler denn tatsächlich gegen die sogenannte „Beihilfenrechtskonformität“ verstoßen hätte. Stattdessen hat die HSPV offenbar zwar in ungewöhnlich scharfen Briefen – von unverschämten ist gar die Rede – von den Essener Projektentwicklern weitere Nachweise gefordert, selbst aber nicht mehr darauf reagiert und das Verfahren einfach fortgesetzt, was laut Vergabekammer ein Verstoß gegen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen darstelle. Schließlich dürften zum Verhandlungsverfahren zugelassene Unternehmen darauf vertrauen, dass der öffentliche Auftraggeber einen gleichbleibenden Sachverhalt später nicht abweichend beurteilt und dadurch der durch die Erstellung des Angebots entstandene Aufwand nachträglich nutzlos wird.

Vergabekammer verlängert Entscheidungsfrist bis 31. August 2022

Bis zum 27. April kann die HSPV ihren Antrag zurückziehen, Kölbl und Kruse sei gar nicht mehr verfahrensberechtigt. Andernfalls müsste das komplette Verfahren auf zurückgesetzt werden bis auf die 1. Stufe. Die Ergebnisse aus der 2. Stufe wären dann nicht verwertbar und der gesamte Prozess wohl um mehr als ein Jahr zurückgeworfen.

So oder so wird die Hängepartie um den neuen HSPV-Standort, das Ringen zwischen Herne und Gelsenkirchen, zwischen den Projektentwicklern Hochtief und Kölbl und Kruse, zwischen OB Frank Dudda und OB Karin Welge noch einige Monate dauern. Denn, so schreibt die Vergabekammer an alle Beteiligten: „Aufgrund der vorstehenden Sachlage ist die Frist für eine Entscheidung der Vergabekammer bis zum 31. August 2022 verlängert worden.“