Gelsenkirchen. Viele spenden für die Ukraine. Doch die Chance, dass die Spenden wirklich ankommen, sei schlecht, warnt ein Gelsenkirchener im Kriegsgebiet.

  • Spenden für die Ukraine: Auch viele Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener wollen die Menschen in der Ukraine unterstützen.
  • Die Spendenbereitschaft ist groß, aber die Chance, dass die Spenden tatsächlich auch ins Krisengebiet kommen, ist aktuell eher klein.
  • Der SPD-Ratsherr Jürgen Hansen warnt bei Spenden in die Ukraine vor blindem Aktionismus.

Die Spendenbereitschaft der Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener für die ukrainische Bevölkerung ist ungebrochen. Allerdings stehen die Chancen derzeit schlecht, einen Hilfskonvoi mit 150 Feldbetten, Decken, Kissen und Medikamenten tatsächlich auch ins Kriegsgebiet zu bekommen. „Aufgrund der sich zuspitzenden Sicherheitslage scheint es uns leider derzeit nicht mehr möglich, den Konvoi mit vertretbarem Risiko auf den Weg zu bringen“, teilte OB Karin Welge mit.

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Die Oberbürgermeisterin unterstützt gemeinsam mit dem Verwaltungsvorstand ihren SPD-Parteikollegen Jürgen Hansen, der sich derzeit in der Mittelukraine befindet, um dort für eine Hilfsorganisation zu arbeiten. Die Stadt will auch einen 18-Tonner der Feuerwehr für den Hilfstransport zur Verfügung stellen. Die Idee: Sobald Hansen einen Weg findet, an die Grenze zu reisen, soll er die Hilfsgüter dort entgegennehmen und ins Land bringen.

Spenden für die Ukraine: Vor allem medizinisches Material wird benötigt

Hansen, der auch Vorsitzender des Vereins „Task Force Flüchtlingshilfe“ ist, hatte von Switlowodsk nahe Krementschuk aus mitgeteilt, welche Hilfsgüter dort aktuell dringend gebraucht werden – weniger Kleidung, sondern aktuell eher Schlafsäcke oder Matratzen, vor allem aber medizinisches Material, also Infusionsbestecke, Schmerztabletten, Tabletten gegen Durchfall oder Mullbinden. Die „Task Force“ sammelt die Spenden an der Von-der-Recke-Straße 3 und an der Adenauerallee 102.

Spenden für die Ukraine. SPD-Ratsherr Jürgen Hansen befindet sich derzeit in der Ukraine. Er meint: Wer keine verlässliche Kontaktperson vor Ort hat, riskiert, dass Spenden auf dem Schwarzmarkt landen.
Spenden für die Ukraine. SPD-Ratsherr Jürgen Hansen befindet sich derzeit in der Ukraine. Er meint: Wer keine verlässliche Kontaktperson vor Ort hat, riskiert, dass Spenden auf dem Schwarzmarkt landen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Der Gelsenkirchener Unternehmer Claus Reich dagegen ist entschlossen, am Wochenende Richtung Ukraine aufzubrechen. Auch er hat eine private Spendeninitiative gestartet und nach eigenen Angaben mittlerweile zwei Pkw und einen Sprinter voll bekommen – von Medikamenten bis Kartoffelsäcken. „Ich will den Leuten an der Grenze helfen“, sagt Reich. Derzeit versucht er herauszufinden, an welcher Landesgrenze seine Hilfe besonders gebraucht werden könnte.

Täglich gründen sich zudem weitere Hilfsinitiativen in Gelsenkirchen – angestoßen von Kneipenbesitzern oder Kleingartenvereinen. Die Stadt hat jüngst eine eigene „Task Force“ (nicht zu verwechseln mit dem Verein) gegründet, um die Hilfsangebote besser zu koordinieren.

Gelsenkirchener warnt vor „blindem Aktionismus“ bei Ukraine-Spenden

Jürgen Hansen warnt jedoch davor, „in blinden Aktionismus zu verfallen.“ Gerade Spenden, die an die ukrainische Grenze gebracht werden, würden selten dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Kriminelle würden sich allzu häufig an den gesammelten Gütern zu schaffen machen, sich als Mitarbeiter von Hilfsorganisationen ausgeben und die Spenden anschließend verkaufen. „Das ist natürlich eine Schweinerei, aber es sind nun mal die Begleiterscheinungen eines Krieges“, sagt uns Hansen am Mittwochnachmittag per Telefon.

Volle Lager: Bei der „Task Force Flüchtlingshilfe“ stapeln sich die Spenden. Besonders gebraucht werden noch Medikamente.
Volle Lager: Bei der „Task Force Flüchtlingshilfe“ stapeln sich die Spenden. Besonders gebraucht werden noch Medikamente. © Task Force Flüchtlingshilfe | Mandy Hansen

Wer die Hilfsgüter einfach an der Grenze entlade, könne nicht sicher sein, dass sie dort ankommen, wo sie ankommen sollen. „Wer keine verlässliche Kontaktperson vor Ort hat, riskiert, dass die Spenden auf dem Schwarzmarkt landen.“ Der 64-Jährige will deshalb sichergehen, dass die an seine „Task Force“ gespendeten Hilfsgüter auch wirklich dort ankommen, wo sie benötigt werden – und will sie deshalb persönlich entgegennehmen.

Vor-Ort-Bericht aus der Ukraine: Die Lebensmittel werden knapp

Knapp werden vor Ort mittlerweile auch die Lebensmittel. „Weißkohl, Blumenkohl und Gurken habe ich auch noch bekommen – aber Brot und Nudeln gibt es kaum mehr. Und Mehl zu bekommen, ist ein Glückstreffer“, erzählt uns Hansen. „Nur Bonbons gibt es massenweise, weil wir hier in der Nähe eine große Fabrik für Süßwaren haben.“ Notfalls, sagt Hansen, der sein Lachen längst noch nicht verloren hat, müsse man eben Süßkram essen, um über die Runden zu kommen. „Viel wichtiger“, sagt er, „ist, dass wir ausreichend Medikamente haben!“