Gelsenkirchen. Sergej Kotlovski ist in Kiew geboren und in Gelsenkirchen aufgewachsen. Der 33-Jährige macht sich Sorgen um seine Verwandten und die Ukraine.

In der Nacht zum Donnerstag begann Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und damit eine neue Zeitrechnung in Europa. „Dieser Angriff gefährdet das Leben von Millionen Menschen. Er stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht und gegen Russlands Verpflichtungen dar“, erklärten etwa die Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Helga Schmid, und der derzeitige OSZE-Vorsitzende, Polens Außenminister Zbigniew Rau, am Donnerstag.

Ähnlich scharf verurteilten auch zahlreiche Regierungen weltweit die Militärschläge der Russischen Föderation auf die Ukraine. Nachrichten und Statements prasseln im Sekundentakt über die Agenturkanäle.

Überfall auf sein Geburtsland – Gelsenkirchener Ukrainer in großer Sorge

Sergej Kotlovski verfolgt nicht erst seit Donnerstag jede Entwicklung im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nahezu in Echtzeit. Der Gelsenkirchener mit ukrainischer Abstammung ist wütend, entsetzt, traurig und besorgt angesichts des Überfalls Russlands auf das Heimatland seiner Eltern, auf sein Geburtsland.

1988 wurde Sergej Kotlovski als zweiter von zwei Söhnen in Kiew geboren, wenig später zogen seine Eltern nach Deutschland, wurden an der Uechtingstraße in Gelsenkirchen-Schalke heimisch. Die Jungs machten am Grillo-Gymnasium ihr Abitur, studierten, führten ein unbeschwertes Leben – bis zur Annexion der Krim durch Russland 2014. Der Krieg rückte näher, aus einer diffusen Dauer-Bedrohung wurde blutige Realität.

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    Noch heute leben zahlreiche Verwandte der Kotlovskis in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt oder in Kiew selbst. Sergej, sein Bruder und seine Eltern haben eine enge Beziehung zu ihren Verwandten. Über Whatsapp und andere Kanäle sind sie im ständigen Austausch. Bis zum Beginn der Pandemie war Sergej regelmäßig in der Ukraine zu Besuch, sein Bruder heiratete vor einigen Jahren eine Ukrainerin, deren Familie ebenfalls noch dort lebt.

    „Keine Panik haben, sonst bekommt Putin, was er will“

    In den Jahren nach der Annexion wurde es wieder ruhig, „einigermaßen normal“, berichtet Sergej im Gespräch mit der WAZ Gelsenkirchen. Bis Mittwochnacht habe er selber nicht für möglich gehalten, dass Russland tatsächlich die Ukraine angreifen wird. Er hatte es befürchtet, klar. Angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine wuchs auch in dem Gelsenkirchener, der inzwischen in Neuss lebt, zunehmend die Sorge, „die Angst“, auch wenn seine Verwandten in der Ukraine stets zur Besonnenheit ermahnt hätten. In Angst zu verfallen sei genau das, was Putin wolle, haben seine Tanten und Onkel Sergej immer wieder zu verstehen gegeben.

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    Der 33-Jährige hat stets gehofft, dass der russische Präsident den finalen Schritt letztendlich nicht wagen würde. Dass die Welt an diesem Donnerstagmorgen nun doch eine andere ist, ist für Sergej Kotlovski schwer zu verdauen. Der junge Mann versucht weiterhin möglichst besonnen zu sein, doch die Sorge um das Leben seiner Verwandten wächst und wächst.

    Just an diesem Tag, an dem nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes russische Bodentruppen aus mehreren Richtungen in die Ukraine vorgedrungen seien, russische Panzer und anderes schweres Gerät in mehreren nördlichen Gebieten und von der annektierten Krim aus die Grenze passiert hätten, sollten Sergej Kotlovskis Verwandte ihre vor einer Woche beantragten Pässe abholen.

    „Wir hoffen, dass sie gen Westen fliehen können“, erklärt der 33-Jährige. „Doch im Moment sind alle Straßen verstopft.“

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    Während die ukrainische Familie des 33-Jährigen den Entwicklungen des Krieges vergleichsweise hilflos ausgesetzt ist, ruft die deutsche Botschaft in Kiew abermals Deutsche in der Ukraine auf, sich in Sicherheit zu bringen und betont: „Eine Evakuierung durch deutsche Behörden ist derzeit nicht möglich“, heißt es in einer Mitteilung, die über eine Krisenvorsorgeliste per E-Mail an deutsche Staatsbürger geschickt wurde. „Falls Sie das Land verlassen möchten, prüfen Sie bitte, ob dies auf einem sicheren Weg möglich ist. Bringen Sie sich und andere Personen nicht in Gefahr“, steht in der Mail weiter. „Bleiben Sie an einem sicheren Ort. Meiden Sie Menschenansammlungen.“