Gelsenkirchen. Die Diagnose „akute Leukämie“ reißt Dominik Roßdeutscher (26) urplötzlich aus dem Leben. Wie seine Schule in Gelsenkirchen-Buer ihm helfen will.
„Meine Diagnose akute Leukämie hat mich von heute auf morgen aus dem Leben gerissen. Auch wenn der Weg bis zur vollständigen Genesung schwer und lang sein wird, kämpfe ich jeden Tag mit Zuversicht. Aber alleine kann ich den Krebs nicht besiegen“ – mit diesen Worten ruft Dominik Roßdeutscher, dieser junge Mann von 26 Jahren, zur Stammzellspende auf, die sein Leben retten soll. Seine Schule, das Hans-Schwier-Berufskolleg (HSBK) in Buer, will am Mittwoch, 23. Februar, mit einer besonderen Aktion helfen.
Stammzell-Spender gesucht: So kämpft eine Gelsenkirchener Schule um ihren Schüler
Rückblick: Das neue Jahr 2022 hatte gerade erst begonnen, da erhält Dominik Roßdeutscher die erschütternde Diagnose. „Verzweifelt“ sei er in diesem Moment gewesen, „hilflos“ – heute, knapp sechs Wochen danach klingt der junge Bochumer zuversichtlich, positiv. Wir erreichen ihn an diesem Mittwochmorgen in einem Bochumer Krankenhaus, das er seit der Krebs-Nachricht nicht mehr verlassen durfte.
Er hat bereits die erste Chemotherapie hinter sich, wird nun mit Hilfe von Tabletten eingestellt auf das, was da noch kommt: die Stammzellspende. Es ist ein langes, manchmal zähes, einsames Warten, in diesem Krankenhauszimmer, es ist ein Auf und Ab. „Heute geht’s mir ganz gut“, sagt der 26-Jährige dann auch, in der Woche vor der großen Aktion an seiner Schule.
Es ist das letzte Ausbildungsjahr, Dominik Roßdeutscher steht kurz vor den Abschlussprüfungen in seinem Ausbildungsgang „Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft“. Schon jetzt ist klar: Er wird nicht antreten können. Doch diesen Gedanken schiebt er weit weg, hat alles geregelt, mit seinem Betrieb, einem großen Umweltunternehmen in Herten, mit seiner Schule.
Das, was jetzt zählt, worum es so sehr geht, ist die passende Stammzellspende. Am HSBK haben sie kurzerhand die Ärmel hochgekrempelt: Die beiden Klassenlehrerinnen Ina Hermanns und Julia Iacona überlegten sich recht spontan, eine Registrierungsaktion an der Schule zu starten. Mit der gesamten Schulgemeinschaft im Hintergrund. Denn über die Aktion hinaus rufen Schulleitung und Schülervertretung in einem Elternbrief und einem Brief an die Ausbildungsbetriebe zur Teilnahme auf. Und schon bald soll der Aufruf auch an andere Gelsenkirchener Schulen gehen – je mehr Menschen erreicht werden, desto besser.
„Die Diagnose war für uns alle erstmal ein ganz schöner Schlag“, berichtet Lehrerin Ina Hermanns. Dominik Roßdeutscher bezeichnet sich selbst als topfit, treibt ausgiebig Sport, ist aktiver Fußballschiedsrichter in Bochum, fühlte sich ja auch nicht so schwer krank – bis zu diesem 7. Januar, bis mit dem Befund klar war, womit er und sein gesamtes Umfeld niemals gerechnet hätten. „Das ist ja auch das Kuriose an dieser Krankheit“, sagt der junge Mann, ein Stück weit abgeklärt. Es gehts ums Ganze und doch spürte er nicht, wie schlecht es um ihn stand.
Umso wichtiger, dass nun alle Wege und Kanäle genutzt werden, um einen Lebensretter für den jungen Bochumer zu finden. „Wir haben hier die Möglichkeit, ein großes Publikum zu erreichen, wir müssen unsere Reichweite nutzen“, erklärt Ina Hermanns. „Es betrifft uns direkt, er ist einer unserer Schüler, viele kennen ihn“, so die Fachlehrerin weiter. 250 Test-Kits werden am Mittwochmorgen bereit stehen – an der Heegestraße 14 hoffen sie nun, dass so viele Menschen, Schülerinnen und Schüler, aber gerne auch Außenstehende kommen, um sich registrieren zu lassen.
Coronabedingt mussten die Fachlehrerinnen und ihre Schule die Registrierung komplett in Eigenregie auf die Beine stellen, haben Kontakt zur DKMS (ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei) aufgenommen, die die Registrierung von Stammzellspendern ermöglicht und koordiniert. Eigentlich war die Aktion schon früher angesetzt, für Donnerstag, 17. Februar. Doch Sturmtief Ylenia und der damit verbundene NRW-weite Schulausfall sorgte dafür, dass die Aktion um eine Woche verschoben werden musste.
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Aufgeben wollten Ina Hermanns, ihre Kollegin Julia Iacona und all die anderen helfenden Hände drumherum also nicht – genau wie Dominik Roßdeutscher. „Ich denke immer positiv, ich bin ein positiver Mensch“, sagt er über sich selbst. Man müsse das Beste aus der Situation machen, sagt er auch. Halt geben ihm Familie, Freunde, sein Bekanntenkreis, Unterhaltung bieten mal die Spielkonsole, mal der Streamingdienst, wenn die Zeit im Krankenhaus-Einzelzimmer nicht fortschreiten will. Besuch darf er für eine Stunde am Tag bekommen, „Telefonieren ist aber mittlerweile zu meinem zweiten Hobby geworden“, erzählt der Bochumer und lacht.
Hier findet die Registrierungsaktion statt
Die DKMS-Registrierungsaktion für Dominik Roßdeutscher findet am Mittwoch, 23. Februar, ab 10 Uhr (bis ca. 13.15 Uhr) am Hans-Schwier-Berufskolleg (HSBK) an der Heegestraße 14 statt. Alle Freiwilligen, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, aber ausdrücklich auch Menschen, die nicht der Schulgemeinschaft angehören, sind eingeladen, sich an besagtem Tag im Schüleraufenthaltsraum des HSBK ein Testset abzuholen. Das Set enthält einen Registrierungsbogen und drei Wattestäbchen, mit denen ein Wangenabstrich gemacht werden muss. Die Methode ist schnell und einfach.Zuletzt hatte es auch schon andere Aufrufe in den sozialen Medien zur Mithilfe auf der Suche nach dem lebensrettenden Stammzellspender für Dominik Roßdeutscher gegeben. Auch in Bochum hat die WAZ schon über ihn berichtet.Weitere Informationen gibt es auch im Netz unter dkms.de/dominik .
Für Dominik Roßdeutscher hängt nun alles von der entscheidenden Stammzellspende ab. Ärzte hätten ihm versichert, dass sich mit 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Spender finden wird, sagt er. Und wenn die erlösende Nachricht kommt? „Das wird noch ein langer Weg und eine richtig harte Zeit“, ist er überzeugt. Doch auch das sieht der junge Mann positiv – voller Hoffnung, dass bald sein genetischer Zwilling auftaucht und beide gemeinsam den Krebs besiegen können.