Gelsenkirchen. In Gelsenkirchen sind 5938 Menschen auf Sozialleistungen angewiesen – obwohl sie eine Arbeit haben. Die NGG spricht von „alarmierenden Zahlen“.

Weil ihr Job nicht zum Leben reicht, sind in Gelsenkirchen aktuell 5938 Menschen auf Sozialleistungen angewiesen. Damit sei jeder sechste erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher in der Stadt ein „Aufstocker“ (17 Prozent), teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit. Sie beruft sich dabei auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

NGG-Regionalchef Martin Mura spricht von „alarmierenden Zahlen“. Es könne nicht sein, dass so viele Menschen trotz Arbeit zum Jobcenter gehen müssten. „Besorgniserregend ist vor allem der hohe Anteil von Kindern, die unter Armutsbedingungen aufwachsen“, so der Geschäftsführer der NGG-Region Ruhrgebiet. Weiteres Thema: Sozialverband zeigt in Gelsenkirchen Faktoren für Armut auf

Bei 3180 Hartz-IV-Aufstockern in Gelsenkirchen leben Kinder im Haushalt

Laut Arbeitsagentur leben bei 3180 Hartz-IV-Aufstockern in Gelsenkirchen Kinder im Haushalt. 723 dieser Haushalte werden von Alleinerziehenden geführt – 91 Prozent von ihnen sind Frauen. Nach Beobachtung des Gewerkschafters sind prekäre Arbeitsverhältnisse eine Hauptursache des Problems: „Wer an der Bäckertheke oder im Restaurant arbeitet und dabei nur einen Mini- oder Teilzeitjob hat, für den wird es am Monatsende sehr eng.“ Weiteres Thema:Zuwanderer und Flüchtlinge verstärken Armut in Gelsenkirchen

Laut NGG ist es kürzlich gelungen, im NRW-Gastgewerbe Lohnerhöhungen im zweistelligen Bereich zu erzielen. Allerdings müssten sich die Unternehmen auch an ausgehandelte Tarifverträge halten, fordert Mura. „Die von der Bundesregierung geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde ist ein wichtiger erster Schritt, um Niedriglöhne auf dem ganzen Arbeitsmarkt einzudämmen.“ Es komme jedoch auch darauf an, dass Arbeitgeber mehr sozialversicherungspflichtige Stellen anböten – statt unsichere Jobs mit nur wenigen Wochenstunden, wie sie für Aufstockende die Regel seien.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++

„Besonders wichtig ist es, die Lage von Kindern in Hartz-IV-Haushalten zu verbessern. Armut darf nicht vererbt werden“, unterstreicht Mura. Die von der Ampel-Koalition angekündigte Kindergrundsicherung sei ein „richtiger Schritt“. Mit der Reform sollen bisherige Leistungen für Kinder gebündelt und ein höheres Existenzminimum festgelegt werden. Wichtig sei zugleich, das Hartz-IV-System zu reformieren, damit auch Menschen, die derzeit keine Chance auf Arbeit hätten, in Würde leben könnten. Weiteres Thema:Risiko Altersarmut: Kaum Rente trotz lebenslanger Arbeit

Inflation „frisst“ die Erhöhung des Regelsatzes in Gelsenkirchen auf

„Der aktuelle Regelsatz für Alleinerziehende von 449 Euro im Monat ist viel zu niedrig. Für Lebensmittel sind gerade einmal 155 Euro vorgesehen – bei stark steigenden Preisen. Da Hartz IV der Inflation schon lange hinterherhinke, komme die aktuelle Erhöhung von 0,76 Prozent einer Kürzung gleich, so Mura. Mit einem menschenwürdigen Existenzminimum habe das nichts zu tun.

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Beim Thema Aufstocker stehen aus Sicht der Gewerkschaft NGG die Unternehmen ebenso in der Verantwortung. „Sie müssen armutsfeste, tariflich abgesicherte Jobs bieten, damit niemand überhaupt erst aufstocken muss“, so Mura weiter. Faire Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen seien zugleich der beste Schutz vor dem Fachkräftemangel in vielen Branchen.

  • Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung zum Coronavirus in Gelsenkirchen in unserem Newsblog
  • Lesen Sie mehr Geschichten aus Gelsenkirchen