Gelsenkirchen. Gelsenkirchener Grundschuleltern fordern gemeinsam Unterstützung beim Infektionsschutz von Stadt und Land. Wie die Stadt darauf reagiert.

Mehr als jeder zehnte Schüler in Gelsenkirchen konnte schon in der vergangenen Woche, als die Inzidenzen noch um ein Drittel niedriger lagen, nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, weil er in Quarantäne oder infiziert war. Wie viele Schülerinnen und Schüler es aktuell sind, wird das Land erst in der nächsten Woche vermelden – es dürften deutlich mehr sein. Die untere Schulaufsicht, die für die Grundschulen zuständig ist, führe darüber keine Statistik, dies sei Landessache, heißt es auf Nachfrage. Man könne und wolle die Schulen durch eine weitere Meldepflicht an die Aufsicht vor Ort nicht zusätzlich belasten, begründet Schulrat Fridjof Unger das Vorgehen. Aber die Zahlen steigen weiterhin, bestätigt er. An den weiterführenden Schulen ist die Situation durchaus vergleichbar. Eine Schulleiterin spricht aktuell von rund 15 Prozent der Schülerschaft in Quarantäne.

4279 Schulkinder müssen wegen Quarantäne zu Hause bleiben

4279 Schülerinnen und Schüler konnten in Gelsenkirchen in der vergangenen Woche (Stand: 26. Januar) aufgrund von Quarantäne oder eigener Covid-19-Infektion nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, das waren 12,3 Prozent der 34.000 Schüler Gelsenkirchener Schulen, die an der Abfrage teilnahmen. Von den Lehrkräften waren knapp sechs Prozent betroffen. [Lesen Sie auch: Test-Chaos – Diese Grundschule schafft eine Lösung]

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Besonders hart trifft die alltägliche Unsicherheit bei der Infektionslage Eltern von Grund- und Förderschulkindern. Letztere sollen zwar laut Landesanordnung eigentlich weiterhin auch Einzeltest-Auswertungen von positiven Pooltests bekommen. Doch in der vergangenen Woche kam es auch hier bei der Auswertung zu langen Verzögerungen bei der Ergebnisübermittlung.

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„Ein häufiger Fall: Es gibt einen positiven Pooltest, die Selbsttests sind aber alle zunächst negativ. Im Laufe der Woche dann gibt es in der Klasse immer mehr positive Einzeltests“, berichtet eine Mutter. Alexandra Richter, Schulpflegschaftsvorsitzende an der Lindenschule in Buer, hat in einem Brief an die Oberbürgermeisterin den täglichen Balanceakt detailliert beschrieben, wenn um 20.15 Uhr per Whatsapp die Meldung zum positiven Pooltest der Gruppe kommt. „Um die Zeit schlafen Grundschulkinder in der Regel, können also nicht mehr per Selbsttest überprüft werden. Und der Arbeitgeber der Eltern kann auch nicht mehr informiert werden“, schildert sie. Auch für die Lehrer sei die Situation unzumutbar, die Kinder seien völlig verunsichert.

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Mit der ersten schriftlichen Antwort der Oberbürgermeisterin auf ihr Schreiben ist sie nicht zufrieden: „Wie sich meinen Ausführungen entnehmen lässt, entzieht sich die Situation einer unmittelbaren Einflussnahme durch die Stadt Gelsenkirchen und damit letztlich auch durch mich als Oberbürgermeisterin. Hierfür bitte ich um Ihr Verständnis“, heißt es darin unter anderem, verbunden mit dem Verweis auf die Landesentscheidung. Auf die konkreten Bitten um die Ausgabe von kostenlosen FFP2-Masken, die viele Eltern sich nicht leisten könnten, oder Unterstützung beim Testen außerhalb der Schulräume sei die OB zunächst gar nicht eingegangen, klagt die Mutter. [Lesen Sie auch: Die Lernkurve der Ministerin ist empörend flach]

Grundschuleltern vernetzen sich für den Protest

Große Verunsicherung auf allen Seiten

Das Bildungsministerium des Landes sammelt immer bis donnerstags die Quarantäne-Meldungen aus den Schulen. Frühestens in der Woche danach werden diese Zahlen veröffentlicht. Dabei wird nicht nach Schulformen differenziert.

Die Situation an Grundschulen ist nach der Abschaffung der Einzelauswertungen bei positiven Pooltests besonders dramatisch. In vielen Fällen sind nach positiven Gruppentests keine positiven Einzelfälle ermittelbar. Eltern und Lehrer klagen über große Verunsicherung auch bei den Kindern und im Nachgang auch vermehrte Infektionen wegen verspätetem Anschlagen der Tests.

14 Schulpflegschaften von Grundschulen in der Stadt haben sich nun vernetzt, unter anderem den gemeinsamen Hilferuf mit der Stadtschulpflegschaft an die OB auf den Weg gebracht, um gemeinsam Verbesserungen von Landesregierung und Stadt einzufordern. Am Mittwochabend dann kam die von der WAZ schon vor Tagen erbetene Stellungnahme von Oberbürgermeisterin Karin Welge zu dem Hilferuf der Eltern. Sie habe „Krisenstabsleiter Luidger Wolterhoff, Bildungsdezernentin Anne Heselhaus und Gesundheitsdezernentin Andrea Henze beauftragt, mögliche Lösungen für die missliche Situation zu prüfen. Auch wenn wir die Entscheidungen des Landes leider nicht aufheben können, halten wir die Strategie, die PCR-Nachtests aufzugeben, für falsch. Das schafft nur zusätzliche Verunsicherung. Ich stehe ohne Wenn und Aber an der Seite der Eltern, Schüler- und Lehrerschaft. Wir sehen uns vor Ort genauso allein gelassen wie die Betroffenen in den Schulen.“

Abendliche Zoom-Konferenz der Elternvertreter

Bei einer abendlichen Zoomkonferenz von Elternvertretern wiederholten diese ihre Forderung nach einer landesweiten Priorisierung von PCR-Einzeltests auch für Schulen und Kitas, um den Unterricht und die Gesundheit aller Beteiligten zu sichern. Auch bei der erbetenen Ausgabe von FFP2-Masken hoffe man, noch konkrete Antworten von der Stadt zu bekommen.

Bildungsdezernentin Anne Heselhaus hatte sich noch am Mittwoch persönlich bei den Elternvertretern gemeldet und ihnen zugesichert, sich im Rahmen der Möglichkeiten um möglichst schnelle Unterstützung für Eltern, Lehrer und Kinder zu bemühen.

Ministerin Gebauer: Schulen dürfen selbst über Distanzunterricht entscheiden

Unterdessen räumte die Ministerin Yvonne Gebauer am Mittwoch den Schulleitungen das Recht ein, bei Bedarf selbst über den vorübergehenden Wechsel in Distanzunterricht zu entscheiden. Ob die Schulleitungen, Lehrer, Eltern und Schülerschaft sich dadurch entlastet fühlen werden, wird sich zeigen. [Lesen Sie dazu: Schulen können über Distanzunterricht entscheiden]