Gelsenkirchen. Die Impfungen von Fünf- bis Elfjährigen sind gestartet. Haben die Familien keine Vorbehalte? Lief alles glatt? Die WAZ Gelsenkirchen war dabei.

Als die achtjährige Frida aus dem Behandlungszimmer herauskommt, laufen ihr ein paar Tränen auf den schwarzen Mund-Nasenschutz. Dabei habe die Impfnadel ja nur etwas gepikst, sagt sie. „Ich weine nur immer so schnell.“ Den Tapferkeits-Lolli gibt es natürlich trotzdem. Und nicht nur wegen dem ist sie froh. „Ich freue mich“, sagt die frisch geimpfte Drittklässlerin, „dass ich jetzt auch wieder öfter meine Freunde in der Siedlung treffen kann.“

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Frida ist eine von 20 Kindern unter zwölf Jahren, die an diesem Nachmittag ihre Corona-Schutzimpfung in der Kinderarztpraxis Dr. Rupieper erhalten. Es sind die ersten und die letzten Dosen für Impflinge ab fünf Jahren, die der Kindermediziner dieses Jahr noch verspritzt. Logistisch ist aktuell nicht mehr möglich, „aber die Nachfrage der Eltern ist riesig“, sagt Rupieper, der auch Sprecher der Gelsenkirchener Kinderärzte ist. „Kaum ein Elternteil verlässt die Praxis aktuell, ohne nach dem Impfstoff zu fragen.“

Elfjährige Gelsenkirchenerin erklärt, warum sie sich impfen lässt

Familie Kostrzewa gehört zu den Glücklichen, die als erstes einen Termin bekommen haben. Tochter Enny sitzt erwartungsvoll im Wartezimmer. Sich impfen zu lassen, das wird schnell klar, ist keine Entscheidung gewesen, die der Elfjährigen aufoktroyiert wurde „Ich will endlich meine Freiheit zurückbekommen“, sagt die Sechstklässlerin. Ein halbes Jahr lang habe sie kein Taekwondo machen können, für fast jede Freizeitaktivität habe sie sich testen lassen müssen. „Das stört mich sehr“, sagt sie. „Und das Homeschooling fand ich auch total doof.“

„Ich will endlich meine Freiheit zurückbekommen“, sagt die Sechstklässlerin Enny (11, r.), die von ihrer Mutter Melanie Kostrzewa zum Impftermin in der Praxis Dr. Rupieper begleitet wird.
„Ich will endlich meine Freiheit zurückbekommen“, sagt die Sechstklässlerin Enny (11, r.), die von ihrer Mutter Melanie Kostrzewa zum Impftermin in der Praxis Dr. Rupieper begleitet wird. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Mutter Melanie, beruflich Arzthelferin, erzählt: „Zwei Mal innerhalb von drei Wochen musste meine Tochter wegen eines Verdachtsfalls in Quarantäne.“ Das sei für sie das Schlimmste gewesen. Ennys Hoffnung ist, dass sich geimpfte Kinder bald die eine oder andere Schutzmaßnahme sparen können, dass sie bald wieder größere Geburtstage feiern kann. Aber will ihr Freundeskreis denn auch mitmachen? „Die meisten wollen nicht, weil sie nicht wissen, was im Impfstoff ist.“

Gelsenkirchener Mutter: „Ohne Impfung bekommen wir das nicht hin“

Als Familie Kostrzewa aufgerufen wird, nimmt gerade Hanna Schulz mit ihrem fünfjährigen Sohn Philipp im Wartezimmer Platz. Sie selber ist Ärztin. Ihr Bruder ist Biochemiker. Und so weiß sie: „Die mRNA aus dem Biontech-Impfstoff wird in kurzer Zeit von den Maschinen des Körpers verhackstückt.“ Sorge vor dem Vakzin zu haben, liegt ihr also fern. „Ich bin überzeugt, dass wir das ohne Impfung nicht hinkriegen und von einer Welle in die nächste geraten.“ Ihr Sohn Philipp wird nächstes Jahr eingeschult, davor solle er so gut wie möglich geschützt werden. Und Philipp spielt mit. Angst vor der dem Piks merkt man ihm nicht an – nur verschüchtert ist er, weil Mama mit Fremden redet.

Kinderarzt Christof Rupieper: „In zwei Jahren wird die Corona-Impfung auch bei Kindern so selbstverständlich sein wie heute die Impfung gegen Zecken.“
Kinderarzt Christof Rupieper: „In zwei Jahren wird die Corona-Impfung auch bei Kindern so selbstverständlich sein wie heute die Impfung gegen Zecken.“ © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Philipp und auch Frida und Enny sind kerngesund. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Covid-19-Impfung für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren allerdings bislang nur bei verschiedenen Vorerkrankungen. Oder für Kinder, die im ständigen Kontakt mit Risikogruppen wie Immunerkrankten sind. Eltern, auf deren Kinder diese Kriterien nicht zutreffen, müssen ohne klare Empfehlung abwägen.

Gelsenkirchener Kinderarzt-Sprecher: „Covid-Impfung wird in zwei Jahren selbstverständlich sein“

„Gerade die Eltern von Schulkindern sind weichgekocht, viele wollen endlich wieder ein normales Leben und nicht mehr in Homeoffice oder Quarantäne zurückkehren müssen. Und da liegt es natürlich nahe, auch sein Kind impfen zu lassen“, benennt Dr. Christof Rupieper einen häufigen Grund für die Impfung des Nachwuchses.

„Auf der anderen Seite sind die Vorbehalte bei einem neuen Impfstoff verständlicherweise nicht wenig.“ Dennoch erlebt der Innenstadt-Arzt die Diskussion um den Covid-Imfpstoff als ein Déjà-vu.

Die Einführung von sechs Impfstoffen habe Rupieper in seinen 27 Jahren als Kinderarzt erlebt. „Und es war jedes Mal dieselbe Diskussion. Auf der einen Seite haben die Eltern Angst vor der Erkrankung, auf der anderen Seite hinterfragen sie den Impfstoff.“ Mit Blick auf den Covid-Impfstoff verweist Rupieper dann gerne auf die Zahlen in den USA oder Israel, wo bereits viele junge Kinder geimpft worden sind.

„Und wenn dort überhaupt mal Nebenwirkungen aufgetreten sind, dann eigentlich nur bei Kindern mit bestimmten Vorerkrankungen.“ Rupieper ist sich deswegen sicher: „In zwei Jahren wird die Corona-Impfung auch bei Kindern so selbstverständlich sein wie heute die Impfung gegen Zecken.“

Kinder ab fünf Jahren werden ab dem 17. Dezember auch im Gelsenkirchener Impfzentrum geimpft. Anmelden kann man sich unter gelsenkirchen.de/impfanmeldung