Gelsenkirchen-Erle. Der Automobilzulieferer Bleistahl spürt die Mobilitätswende massiv. Die Produktion in Gelsenkirchen wird geschlossen, 96 Stellen sind betroffen.

Im Frühjahr 2018 hat der Automobilzulieferer Bleistahl seine Produktion am früheren Vaillant-Standort mit zunächst 15 Kräften aufgebaut. Gut drei Jahre später ist die wirtschaftliche Lage des weltweit tätigen Herstellers von Ventilsitzringen und Ventilführungen mit Standorten in Wetter und Gelsenkirchen maximal angespannt.

An der Emscherstraße 62 in Erle ist die Aufbruchsstimmung nüchterner Bewertung gewichen. „Wir haben den Weg weg vom Verbrenner hin zur E-Mobilität damals völlig falsch eingeschätzt. Eine Entwicklung in dieser Wucht und Schnelligkeit habe ich nicht erwartet“, sagt Ekkehard Köhler, der geschäftsführende Gesellschafter. Die Folge: Die Produktion in Erle wird geschlossen. 80 festen Kräften – überwiegend Facharbeiter – und 16 Zeitarbeitern droht der Jobverlust. Weiteres Thema:Unternehmenskrise von Bleistahl in Wengern auf vielen Ebenen

Für das laufende Geschäftsjahr drohen in Gelsenkirchen erhebliche Verluste

Im Ausland, so Köhler, sei Bleistahl „voll im Budget“. Doch für das laufende Geschäftsjahr geht das Unternehmen von erheblichen Verlusten an den beiden deutschen Standorten aus. Bleistahl müsse in Deutschland dringend seine Kosten senken sowie Abläufe und Strukturen straffen, umfangreiche Sofortmaßnahmen seien dafür nötig. Dazu zählt der Personalabbau in den deutschen Werken. Existenzgefährdend würde die Situation, „wenn wir jetzt nichts tun“, betont Köhler. „Wir haben eine echte und dauerhafte Überkapazität. Aber ich bin sicher, wenn wir die Restrukturierung durchziehen, wird Bleistahl wieder auf Kurs kommen.“

IG-Metall kritisiert: Die Entwicklung wurde völlig falsch eingeschätzt

An der Emscherstraße 62 sind die Flächen des früheren Vaillant-Werks vermietet. Der Automobilzulieferer Bleistahl wird sich allerdings 2022 aus Gelsenkirchen mit seiner Produktion verabschieden. Das Werk schließt.
An der Emscherstraße 62 sind die Flächen des früheren Vaillant-Werks vermietet. Der Automobilzulieferer Bleistahl wird sich allerdings 2022 aus Gelsenkirchen mit seiner Produktion verabschieden. Das Werk schließt. © Jörn Stender

„Die haben die Entwicklung völlig falsch eingeschätzt“, ist Ralf Goller, Geschäftsführer der Gelsenkirchener IG Metall sicher. Die Belegschaft wurde Freitag vor einer Woche über das drohende Aus informiert. Mit dem Bleistahl-Betriebsrat haben derweil Gespräche über den Interessenausgleich, Sozialplan und die Gründung einer Transfergesellschaft begonnen. Der Arbeitgeber scheine kooperativ zu sein, wird dort auf Nachfrage der WAZ betont. „Wir versuchen, das Beste für jeden herauszuholen und die Schließung sozial gerecht abzuwickeln.“

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Die Produktionsstätten Gelsenkirchen und Wengern sollen zusammengeführt werden. Der Bereich „Innovation“ ist von der Maßnahme nicht betroffen und verbleibt am Gelsenkirchener Standort. Werkstoff-Entwicklung betreibt Bleistahl in Erle, verfolgt dort (laut Köhler „allerdings noch weit weg von der Serie“) Projekte für Energiespeichermöglichkeiten, Ladeinfrastruktur oder auch Brennstoffzellen.

Werk in Gelsenkirchen ist die technisch beste Fabrik des Mittelständlers

Die Produktion in Erle wird dagegen im Laufe des kommenden Jahres eingestellt. Zur Zeitachse kann Köhler nichts sagen, die hänge auch von den Verhandlungen ab. Dass dem Geschäftsführenden Gesellschafter des in dritter Generation geführten Mittelständlers der Schritt schwer fällt, wird deutlich: „Wir waren noch nie in solch einer Situation. Die Entscheidung ist schwer gefallen. Das hier ist technisch die beste Fabrik. Ich habe den Menschen, die das hier mit aufgebaut haben, viel zu verdanken. Da ist sehr viel Energie und Emotion hineingeflossen.“

Bleistahl sucht Nachmieter für den Werksstandort in Gelsenkirchen

Vaillant kündigte 2015 den Rückzug vom Standort Gelsenkirchen-Erle an. Über 200 Arbeitsplätze gingen damals beim Heizungs-Spezialisten verloren, der 2017 das Werk räumte.

„Bleistahl kann und will den Standort halten“, betont Ekkehard Köhler, bis Mieter gefunden werden. Die weiteren Büros und Hallen seien vermietet. Weltweit beschäftigt Bleistahl über 950 Mitarbeiter, davon etwa die Hälfte in Deutschland.