Gelsenkirchen. Werden fast Volljährige geboostert? Warum dauert es so lange bis das Impfzentrum steht? Wirkt sich 2G schon aus? Die Corona-Lage in Gelsenkirchen

Die Corona-Situation in Gelsenkirchen verschärft sich zunehmend: Das Robert-Koch-Institut meldet einen Sprung des Sieben-Tage-Wertes von 210,7 am Montag auf 269,4 am Mittwoch. Im Vergleich zum Vortag stieg die Zahl der bestätigten Infektionen am Dienstag um 130 auf 1100 – und die Zahl der Todesfälle um weitere sechs auf nun 450.

Auch wenn die Montags-Statistik aufgrund der eingeschränkten Testungen und Meldungen am Wochenende nur bedingt aussagefähig ist, so wird doch immer zweifelhafter, ob die Prognose von Krisenstabsleiter Luidger Wolterhoff, man werde keine Inzidenz von 300 mehr erreichen, noch haltbar ist.

Gelsenkirchener Impfquote liegt nun insgesamt bei 74,6 Prozent

Der Kämmerer hatte dies am 5. November angesichts einer Impfquote von damals rund 73 Prozent gegenüber der WAZ gesagt. Inzwischen liegt der Wert bei 74,6 Prozent, aber die Inzidenz steigt und steigt.

Allerdings wirken die Verschärfungen der Corona-Schutzmaßnahmen offensichtlich auch langsam.

Deutlich mehr Erstimpfungen in Gelsenkirchen

Während sich zuvor für gewöhnlich 100 bis 150 Menschen pro Woche im Impfbus der Stadt – und dort finden inzwischen die meisten Erstimpfungen statt – die erste Dosis haben spritzen lassen, so waren es in der Woche zwischen dem 15. und 22. November 830 Erst- und 1150 Zweitimpfungen, die gezählt wurden, berichtet Wolterhoff. Dazu kommen noch 6350 Booster-Impfungen, die in Gelsenkirchen verabreicht wurden.

Der Krisenstabsleiter, der keinen Hehl daraus macht, dass er Bundes- und Landesminister dafür verantwortlich macht, in den letzten Tagen einen „Run auf die Boosterimpfung“ ausgelöst zu haben, der angesichts ausreichender Impfstoffmengen eher für unnötige Panik denn für besonnenes Handeln gesorgt habe, erklärt im Gespräch mit der WAZ auch, warum zwischen der Erklärung der Stadt, dass es wieder ein Impfzentrum geben wird, und der Eröffnung satte vier Wochen liegen.

Darum dauert der Aufbau des Gelsenkirchener Impfzentrums so lange

Da seien zum einen der Einbau der Impfboxen, die Verlegung der Strom- und Datenverkabelung, der Aufbau der Bauzaunabsperrungen, die Anlieferung der Möbel und des Inventars und der Aufbau der EDV-Arbeitsplätze, während gleichzeitig viele Firmen volle Auftragsbücher hätten und die Stadt deshalb schon mehr Zeit einplanen müsse.

Und zum anderen werde das Impfzentrum anders aufgebaut als zuvor. Statt eines großen Ruhe-Bereichs, in dem frisch geimpfte eine Weile abwarten können, wie sie auf das Vakzin reagieren, wird es im dem Mitte Dezember öffnenden Impfzentrum witterungsbedingt und der Entscheidung geschuldet, dass es keine Terminvergabe geben wird, vorne einen großen Wartebereich für Menschen geben, die sich impfen lassen wollen. „Weil die Emscher-Lippe-Halle aber dann eben anders aufgebaut sein wird, können wir nicht an unsere Genehmigung vom früheren Impfzentrum anknüpfen“, erklärt Wolterhoff. Der Aufbau muss also zusätzlich auch noch abgenommen und genehmigt werden, was wiederum Zeit koste.

Impfbusse seien das adäquate Mittel in Gelsenkirchen

Grundsätzlich ist die Stadtverwaltung aber auch weiterhin davon überzeugt, dass das niederschwellige, aufsuchende Angebot der Impfbusse ohnehin besser geeignet sei, um den Corona-Schutz zu denen zu bringen, die ihn haben wollen. „Der durch die Politik ausgelösten aktuell großen Nachfrage nach der Auffrischungsimpfung konnten die Hausärzte so nicht gerecht werden. Aber mit dem zweiten Impfbus, der in etwa zwei Wochen ebenfalls unterwegs sein wird, schaffen wir allein mit dem mobilen Angebot 1000 Impfungen am Tag, mit dem Impfzentrum dann noch einmal mindestens 500 mehr. Bis Jahresende schaffen wir in Gelsenkirchen 50.000 Impfungen. Ich finde, das ist eine ordentliche Zahl“, unterstreicht Wolterhoff.

Verimpft wird demnächst wegen der Rationierung des Biontech-Impfstoffes in den Impfbussen Moderna an über 30-Jährige und Biontech an Jüngere.

Impfzentrum als zusätzliches Angebot, wenn Kinder geimpft werden dürfen

Das Impfzentrum werde in Gelsenkirchen aber auch mit Blick auf die in Kürze erwartete Freigabe der Corona-Impfungen für 5- bis 12-Jährige wieder aufgebaut. Dann kämen in Gelsenkirchen noch einmal etwa 22.000 Impfberechtigte hinzu.

Für alle Impfangebote der Stadt gilt aber immer die aktuelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), so Wolterhoff – also die Maßgabe, dass eine Auffrischungsimpfung erst ab 18 Jahren und fünfeinhalb bis sechs Monaten nach der zweiten Impfung verabreicht wird.

17-Jährige kurz vor der Volljährigkeit werden im Impfbus nicht geboostert

Heranwachsende, die kurz vor der Volljährigkeit stehen, müssen noch warten, was auch Dr. Klaus Rembrink, Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), für richtig hält. „Geimpfte gesunde 17-Jährige sind die Letzten, die gefährdet sind, da sie eine sehr gute Immunabwehr haben“, betont er. Für Unter-30-Jährige reiche es aus, sich nach Ablauf von sechs Monaten nach der Zweitimpfung boostern zu lassen.

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Schon jetzt sei die Situation für die niedergelassenen Ärzte außerordentlich schwierig. „Wir können nicht mehr“, sagte er in Hinblick auf den großen Andrang von Booster-Willigen. „Viele Leute vereinbaren Auffrischungs-Termine in mehreren Praxen, nehmen den frühesten wahr und sagen die anderen nicht ab. Das erschwert unsere Arbeit massiv!“, appelliert er an das Verantwortungsgefühl von Patienten, nicht mehr notwendige Termine doch wenigstens rechtzeitig freizugeben – um anderen die Gelegenheit fürs Boostern zu ermöglichen.

Fast jede vierte Neuinfektion ist ein Impfdurchbruch

Dass die Auffrischungsimpfung grundsätzlich sehr bedeutsam ist, zeigt nicht zuletzt der Anteil der Impfdurchbrüche an den aktuellen Neuinfektionen in Gelsenkirchen. Etwa jeder Vierte ist nach Angaben der Stadt vollständig geimpft gewesen. „Die Impfung schützt eben nicht davor, dass man sich grundsätzlich nicht anstecken kann, sie verhindert aber in den allermeisten Fällen einen schweren Corona-Verlauf“, erklärt Wolterhoff, warum überall dort, wo die Stadt Veranstalter ist und in politischen Gremien neben 2G bzw. 3G nun auch eine Maskenpflicht am Platz gilt.

Hätte Wolterhoff es zu entscheiden, würden auch die Besucherkapazitäten wieder drastisch heruntergefahren und die Schalker Arena beispielsweise wieder nur noch zur Hälfte gefüllt. „Das wäre infektionsgerecht. Aber die Verantwortung liegt beim Land“, ärgert sich Gelsenkirchens oberster Corona-Krisenmanager.