Gelsenkirchen-Buer. Wie Gisela (80) und Manfred Kleinebudde (90) aus Gelsenkirchen-Buer zueinander fanden. Und was ihre Liebe im Seniorenalter ausmacht.

Keine Frage: Es war eine fantastische Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn, damals im März 1991. Diese drei Tage und vier Nächte im ruckelnden Zug ohne Heizung und am Ende sogar im Dunkeln waren für beide unvergesslich. Danach verloren sich Gisela Schümann und Manfred Kleinebudde aus den Augen – um 30 Jahre später, im Alter von 80 bzw. 90 Jahren, das zu werden, was sich als noch viel größeres Abenteuer herausstellen sollte: ein Liebes- und Ehepaar.

Dass es so kommen würde, „damit haben wir damals beide nicht gerechnet“, erzählt Gisela Kleinebudde lachend. Denn gefunkt hatte es 1991 nicht zwischen der Krankenschwester aus Buer und dem Malermeister aus Herten, die als zusammengewürfelte Gruppe zufällig im selben Vierer-Abteil gelandet waren. „Wir haben uns zwar oft auf dem Gang oder im Speisewagen unterhalten und gemeinsam in diese Taiga-Landschaft mit den endlosen Birkenwäldern geblickt, die da am Fenster an uns vorbeizog. Aber das war’s.“

Das erste Wiedersehen nach 30 Jahren in Gelsenkirchen-Buer war furchtbar

Der letzte Blick vor dem Schlafen und der erste nach dem Aufstehen gilt seiner Frau Gisela: Auf dem Nachtschrank von Manfred Kleinebudde im Seniorenheim in Gelsenkirchen steht ein Foto des Paares, das anlässlich des 90. Geburtstags des Seniors in diesem Jahr aufgenommen wurde.
Der letzte Blick vor dem Schlafen und der erste nach dem Aufstehen gilt seiner Frau Gisela: Auf dem Nachtschrank von Manfred Kleinebudde im Seniorenheim in Gelsenkirchen steht ein Foto des Paares, das anlässlich des 90. Geburtstags des Seniors in diesem Jahr aufgenommen wurde. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Im September 2020 klingelte dann bei ihr das Telefon: Manfred Kleinebudde, inzwischen verwitwet, wollte den alten Kontakt zu der mittlerweile ebenfalls alleinstehenden Frau wiederbeleben. „Anfangs haben wir nur telefoniert. Das erste Wiedersehen nach so vielen Jahren war dann frustrierend, richtig furchtbar“, erinnert sich der 90-Jährige. „Wir hatten einander einfach nichts zu sagen.“

Als Kleinebudde nach zwei Stunden mit vielen Gesprächspausen aufstand, „konnte ich sehen, wie erleichtert Gisela war. Aber an der Tür haben wir uns dann doch kurz umarmt. Und das hat den Bann wohl gebrochen.“

Erst die zweite Begegnung glückte – und wie

Sie nahmen die Telefonate wieder auf, kamen einander in Gesprächen immer näher. „Es wuchs von Tag zu Tag“, sagt die 80-Jährige und drückt die Hand ihres Mannes. So wagten sie ein zweites Wiedersehen – und das glückte. Und wie!

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Im Januar 2021 gestand sie ihrem Sohn: „Du, ich hab da wen...“, und auch Kleinebudde erzählte seinen fünf Kindern und deren Familien von dieser lebhaften, schlagfertigen Bueranerin, in die er sich nach 30 Jahren Pause verliebt hatte. Die Söhne und Töchter freuten sich mit dem jungen Glück. Sie waren es auch, die nach dem Kennenlernen dem Paar vorschlugen: „Heiratet doch!“

Die Familien ermunterten das Paar zu heiraten

Groß überzeugt zu werden brauchten die Zwei nicht. Allerdings machten sie sich schon ihre Gedanken, welchen Rahmen ihr gemeinsames Leben haben sollte, ohne dass einer überfordert wird: „Ein Lebensalter von 80 und 90 Jahren lässt sich nicht wegdiskutieren. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dass ich in meiner 46-Quadratmeter-Altenwohnung in Buer bleibe und Manfred in ein Seniorenzentrum zieht“, so Gisela Kleinebudde. Erst zog er in eine Hertener Anlage, seit August lebt er im Linden-Karree in Buer, in dem Stadtteil, wo er auch geboren wurde.

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Doch Akzeptanz der Familie hin oder her: Ihre standesamtliche Hochzeit am 25. Juni feierten sie bewusst zu zweit. „Wir wollten den Tag nur für uns genießen. Es war wirklich wunderbar“, berichtet die 80-Jährige und strahlt. Für die gläubige Katholikin, die sich auch ehrenamtlich in St. Urbanus engagiert, sollte freilich alles seine Ordnung haben. Und so trauten Propst Markus Pottbäcker und Pfarrer Stefan Iwanczik von der Evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde Buer das katholisch-protestantische Paar ökumenisch. Anschließend ging’s zur großen Feier ins Kolpinghaus mit 35 Erwachsenen und sechs Kindern. „Es war wunder-, wunderschön!“, so beide unisono.

Manfred Kleinebudde brachte seiner 80-jährigen Frau das Schach-Spielen bei

So richtig Alltag ist seither noch nicht eingekehrt bei den frisch Verliebten, dafür fühlt sich die Zweisamkeit noch zu neu an. Entweder besucht sie ihren Manfred in seinem Zimmer im Seniorenzentrum oder er macht sich auf den Weg zu ihr in ihre kleine Wohnung unweit der Innenstadt, Rollator und E-Mobil sei Dank. Dort lösen sie dann zu zweit Kreuzworträtsel oder spielen Schach.

„Das hat meine Frau im Alter von 80 Jahren erst von mir gelernt. Dabei ist sie so lernbegierig, dass sie mich sogar schon öfter geschlagen hat“, erzählt der 90-jährige Senior, sichtlich stolz. „Wenn ich durch die Tür komme, rappelt sie häufig bereits mit der Kiste voller Schachfiguren. Dann weiß ich, was an dem Tag ansteht.“

Dankbar, dass ihr Glück nach dem Fiasko eine zweite Chance bekam

Dass ihr spätes Glück trotz des Fiaskos beim ersten Wiedersehen eine zweite Chance bekam, dafür sind sie sehr dankbar. „Es ist ein Riesengeschenk, so etwas noch einmal erleben zu dürfen: Da ist jemand, der mir Halt gibt, auf den ich mich immer verlassen kann! Ein Kavalier noch dazu“, so Gisela Kleinebudde. Streit? Den haben sie nur, weil er „ein schlechter Esser“ ist, sagen sie. „Ansonsten gibt es kein Probleme, für das wir nicht gemeinsam eine Lösung finden würden.“

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen, nein, das ist ihre Liebe nicht. „Sie ist langsam gewachsen, dafür aber tiefer und intensiver als in jungen Jahren“, sagt sie. Ihr Manfred nickt heftig und schwärmt: „Es ist wunderschön mit ihr. Wir küssen und umarmen uns immer wieder, das muss sein! Das kribbelt immer so schön...“