Gelsenkirchen-Buer. Gemeinde illustriert Jesu letzte Lebenstage coronakonform im Freien. Gelsenkirchener Besucher erwarten Blumen, Begegnungen und Erkenntnisse.

Das Leben feiern? Ganz so leicht dürfte das den Gläubigen der Evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde Buer in diesem Jahr nicht fallen, sind doch die Gottesdienste bis auf weiteres pandemiebedingt abgesagt. Und was machen die Verantwortlichen stattdessen? Sie laden zur „Gartenparty“ an der Apostelkirche ein samt Blumen, Überraschungseffekten und interessanten Begegnungen – ganz coronakonform, versteht sich.

Was rund zehn Haupt- und Ehrenamtliche da in diesen Tagen durch den „Ostergarten“ an der Horster Straße 35 wuseln lässt, es ist eine „Idee auf den letzten Drücker“, wie Pfarrer Stefan Iwanczik schmunzelnd erzählt. Vor etwa 14 Tagen „ploppte“ bei ihm die Idee auf, den Gemeindegliedern nicht nur ein ungeliebtes Streichkonzert im übertragenen Sinne zu bieten, sondern die Ostergeschichte von der Kreuzigung bis zur Auferstehung Jesu nachzuerzählen. Freilich nicht als staubtrockene Vorlesung, sondern als Erlebnis für alle Sinne.

Besucher baden Hände in Unschuld, oder besser: Desinfektionsmittel

Selbsterkenntnis erwünscht: Der Blick in den Spiegel soll bei der Beantwortung der Frage helfen, ob der Betrachter selbst schon mal als „Verräter“ im Kleinen aktiv war.
Selbsterkenntnis erwünscht: Der Blick in den Spiegel soll bei der Beantwortung der Frage helfen, ob der Betrachter selbst schon mal als „Verräter“ im Kleinen aktiv war. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Seither planen, zeichnen, sägen, malen, lackieren und schrauben die Akteure um die Wette, um die letzten Lebenstage Jesu an sieben Stationen im Kirchgarten zwischen Gottes- und Gemeindehaus zu illustrieren.

Wer Christus Spuren zu Zeiten von Pontius Pilatus folgen will, der muss sich allerdings vorher der Herrschaft des Corona-Infektionsschutzes beugen, online zur Kontaktnachverfolgung für ein halbstündiges Zeitfenster anmelden – und vor Ort seine Hände in Unschuld, Verzeihung: Desinfektionsmittel baden.

QR-Code-Technik hilft bei der Zeitreise zu den letzten Lebenstagen Jesu

Leonhard Timmermann (l.) und Arne Iwanczik (beide 10) genießen es, bei den Vorbereitungen für die Eröffnung des „Ostergartens“ in Gelsenkirchen-Buer helfen zu können, wenn auch immer auf Abstand. Sie haben Requisiten wie diese Sperrholzplatte bemalt und gestalten auch ein Kreuz.
Leonhard Timmermann (l.) und Arne Iwanczik (beide 10) genießen es, bei den Vorbereitungen für die Eröffnung des „Ostergartens“ in Gelsenkirchen-Buer helfen zu können, wenn auch immer auf Abstand. Sie haben Requisiten wie diese Sperrholzplatte bemalt und gestalten auch ein Kreuz. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Am gusseisernen Gartentor an der Horster Straße startet die Reise in die Ostergeschichte, mit Hilfe moderner Technik, wohlgemerkt. „An jeder Station können Smartphone-Nutzer per QR-Code die jeweilige Ostererzählung abrufen, die zwei Ehrenamtliche eingesprochen haben“, berichtet der Pfarrer. Aber auch wer kein solches Gerät dabei hat, wird nicht allein gelassen. Per Knopfdruck auf ein Wiedergabegerät ist die frohe Botschaft auch aus einem Lautsprecher zu hören.

So erfahren die Besucher, wo sie sich gerade befinden: Nicht nur am gusseisernen Gartentor im Coronajahr 2021, sondern im biblischen Jerusalem, dessen Bewohner Jesus bei seinem Einzug mit Palmwedeln zujubeln; oder vor einer kleinen Laube, in dessen Innern Jesus das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern feiert. Dargestellt durch hölzerne Gelenkpuppen, sitzen die Jünger wie an einem Lagerfeuer im Kreis, während sich Judas davonschleicht, um Christus zu verraten.

Überraschungseffekte gibt’s gratis dazu

Hinter dem Gartenhäuschen etwa, bewusst in einer Ecke platziert, „weil auch Jesus um die Ecke gebracht wurde“, so Iwanczik, befindet sich ein hochformatiger Spiegel, flankiert von einer weißen und einer schwarzen Holzfigur. „Beim Blick auf sein Spiegelbild kann sich der Betrachter dann fragen, wann er selbst schon mal ein Verräter war und ob er eher der hellen oder eher der dunklen Silhouette entspricht“, erläutert der Pfarrer.

Weitere Stationen bilden ein überdimensionaler, fröhlich bunter Holzhahn, der auf die dreimalige Verleumdung Jesu durch Petrus anspielt und am Ende mit einem Überraschungseffekt aufwartet; oder eine mit einem Herzen bemalte Leinwand, die die Hilfe eines Zuschauers für Jesus beim Tragen des Kreuzes aufgreift; dann die Kreuzigungsstätte, markiert durch farblich akzentuierte Fensterkreuze im Gemeindehaus; und schließlich das Ostergrab, das mit einem fröhlich bemalten Holzkreuz, -Vögeln und bunten Federn geschmückt wird.

Projekt „Ostergarten“ hilft, Gläubigen doch noch einen Kirchen-Besuch zu ermöglichen

„Dorthin gelangt man nur durch ein Tor, das wir mit einer transparenten Gardine verhängen werden als Bild für den Tränenschleier der Trauernden“, so Iwanczik. Es soll deutlich machen: „Ins Leben gelangen wir nur durch den Tod. Ohne Sterben gibt es keine Auferstehung.“

Bis der „Ostergarten“ fertiggestellt ist, werden die Akteure noch einige Tage an Vorbereitungszeit investieren müssen. Nicht nur für die Ehrenamtliche Natalie Timmermann und ihren Sohn Leonhard (10) ist das ein Glück. Sie genießen es sichtlich, mit den anderen auf etwas Positives hinzuarbeiten. Auch der Pfarrer selbst ist froh, „endlich etwas tun zu können“: „Dieses Projekt ersetzt zwar nicht die gut besuchten Gottesdienste mit Musik und Gesang, aber es ermöglicht den Gläubigen, doch noch zur Kirche zu gehen. Gerade an Ostern ist es vielen doch ein Bedürfnis. Das macht auch uns hinter den Kulissen froh.“