Gelsenkirchen. Die Künstlerinnen Karin Brosa und Jannine Koch beleuchten in der „Werkstatt“ mit ihren Radierungen den Konflikt zwischen Mensch und Natur.

Ihre Technik stammt aus dem 16. Jahrhundert, ihre Themen aber sind allesamt heutig: Karin Brosa und Jannine Koch eint die Leidenschaft für die alte Kunst der Radierung und die kritische Sicht auf das aktuelle gesellschaftliche Geschehen. „Old school“ titeln die beiden Künstlerinnen ihre erste gemeinsame Ausstellung, die am Freitag, 8. Oktober, in der Galerie „Werkstatt“ an der Hagenstraße in Buer eröffnet wird. Altmodisch sind diese Werke allerdings nicht.

Seltsame Käfer wirken wie Zwitterwesen aus Maschinen und Insekten

Skurrile Käfer bevölkern die Blätter von Jannine Koch. Die Körper der seltsamen Insekten sind komponiert aus Zahnrädern, Zangen und Schrauben, sie wirken wie bizarre Zwitterwesen aus Natur und Maschine. Der Betrachter blickt ähnlich einem Insektenforscher aus der Vogelperspektive auf die tierisch konstruierten Wesen. Die in Cottbus geborene Malerin und Druckgrafikerin, die in Gelsenkirchen lebt und arbeitet, setzt sich in ihrem aktuellen Werk kritisch mit der fortschreitenden Digitalisierung und Technisierung der Welt auseinander. Dafür kombiniert sie Werkzeuge und Maschinen mit der geometrischen Struktur von Stadtplänen und Landkarten, um seltsame Wesen zu kreieren.

Absurde Szenen erzählen von Konflikten zwischen der Natur und dem Menschen

Auch diese Arbeit von Karin Brosa ist in der Ausstellung in der Galerie „Werkstatt“ in Gelsenkirchen-Buer zu sehen.
Auch diese Arbeit von Karin Brosa ist in der Ausstellung in der Galerie „Werkstatt“ in Gelsenkirchen-Buer zu sehen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auch Karin Brosas Interesse gilt der Beziehung von Natur- und Kulturräumen, von Mensch und Technik, von zerstörerischem Tun. In erzählerischen, absurden und surrealen Szenarien verschieben sich in ihren Grafiken die Wirklichkeitsebenen. Da kämpfen Polizisten mit übergroßen Stofftieren, da stehen junge Menschen mit Virtual-Reality-Brillen auf der Nase in einem leeren Gewächshaus. Die Natur entsteht lediglich noch im Kopf. Die Bilder wirken bei aller Gesellschaftskritik auch augenzwinkernd ironisch und humorvoll durch comicartige Szenen.

Die beiden Künstlerinnen lernten sich 2016 in Essen kennen und schätzen, entdeckten rasch Gemeinsamkeiten in ihrem Schaffen. „Wir nutzen beide die alte Technik des Tiefdrucks, um uns kritisch mit den Problemen der Zeit auseinanderzusetzen“, sagt Koch (40). Daneben verbindet beide die Freude an der Präzision und an der gegenständlichen, figürlichen Darstellung.

Tatsächliches Ergebnis der Radierung wird erst nach dem Andruck sichtbar

Brosa (43), die in Essen und Marburg lebt, mag wie ihre Kollegin die Technik der Radierung, „weil sie ein Handwerk ist, das entschleunigt, nahezu meditative Wirkung erzeugt“. Bei der Radierung werden die Linien mit einer Nadel in eine Druckplatte eingeritzt, eingefärbt und dann gedruckt. „Das ist spannend“, sagt Brosa, „weil das tatsächliche Ergebnis erst nach dem Andruck sichtbar wird.“ Spannend auch für den künstlerischen Nachwuchs: Brosa unterrichtet die Kunst der Radierung an der Uni Marburg.

Moderne Themen in alter Technik: Das wirkt überraschend neu, frisch und von großem kreativen Potenzial. Und wohin würden solche Werke besser passen als in die „Werkstatt“, zu deren markantem Inventar noch immer eine große alte Druckpresse gehört.

Die Ausstellung läuft bis 20. November zu. Es gelten die aktuellen Corona-Regeln. Geöffnet: dienstags bis freitags von 16 bis 18 Uhr. Infos: www.werkstatt-ev.de.