Gelsenkirchen/Herne. Die Zentraldeponie Emscherbruch wird erweitert. Die noch inoffizielle Entscheidung löst Kritik aus. Von einer Klage ist die Rede. Die Reaktionen.
Die Würfel sind gefallen. Die Bezirksregierung Münster hat offenbar bereits grünes Licht für die hoch umstrittene Erweiterung der Zentraldeponie Emscherbruch an der Stadtgrenze von Gelsenkirchen und Herne gegeben. Bemerkenswert dabei: Eine offizielle Bekanntmachung dazu ist auf der Seite der Münsteraner Behörde nicht zu finden, vielmehr lässt sich der Beschluss aus einer Pressemitteilung der SPD-Ratsfraktion herauslesen.
In dem Schreiben vom 24. September bringt der Vorsitzende des Gelsenkirchener Umweltausschusses, Manfred Leichtweis (SPD), seine „tiefe Enttäuschung“ zum Ausdruck, dass Münster zu dem Ergebnis gelangt sei, dass „die Erweiterung und Erhöhung der Zentraldeponie Emscherbruch (ZDE) als notwendig und verhältnismäßig angesehen wird“. Zugleich sprach Leichtweiß von einem „kleinem Lichtblick“, weil in dem an die Stadt versandten Bekanntmachungstext von einer „letztmaligen Erweiterung und Erhöhung“ der Sondermüll-Lagerstätte die Rede sei.
Ulrich Tückmantel, Sprecher der Bezirksregierung, bestätigte in einem kurzen Statement die Information: „Die Entscheidung wird am Freitag, 1. Oktober, im Amtsblatt veröffentlicht.“ Wann die Entscheidung fiel, ließ er offen.
Kritik: Öffentliche Information auf Internetpräsenz der Bezirksregierung nicht auffindbar
Die Entscheidung und die Art des Bekanntwerdens hat in der Gelsenkirchener Politik und bei den betroffenen Anwohnern heftige Kritik ausgelöst: „Wir haben diese Entscheidung leider kommen sehen“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Dennis Hoffmann. Spätestens mit den vorbereitenden Maßnahmen für den Baubeginn Anfang dieses Jahres, die man stark kritisiert habe, sei diese Entwicklung abzusehen gewesen.
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Aber nicht nur die Nachricht selbst ärgert die Grünen: „Es ist schon verwunderlich, dass uns die Information über eine Pressemitteilung der SPD erreicht, statt auf dem Verwaltungsweg. Und wenn die Unterlagen selbst noch nicht einmal dem Umweltreferat vorliegen sollen, wieso hat die SPD dann Kenntnis davon“, fragte Hoffmann. Eine öffentliche Bekanntmachung auf der Internetpräsenz der Bezirksregierung sei nicht auffindbar.
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Lagerstätte auch für gefährliche Raffinerie-Rückstände
Auf der Zentraldeponie Emscherbruch sollen bis zu 4,6 Millionen Kubikmeter zusätzliche Abfallmengen deponiert werden, darunter eben auch gefährlicher Müll.
Die Zentraldeponie verfügt auch über eine Sonderabfall-Deponie (Klasse III), wo gefährlicher Abfall – wie Raffinerie-Rückstände – entsorgt wird. Die Gelsenkirchener Deponie ist es eines der 24 Unternehmen in 20 Städten in der Rhein-Ruhr-Region, in denen seit 2008 Raffinerie-Rückstände „eingesetzt, umgeschlagen, gelagert bzw. abgelagert“ wurden. Das geht aus einer Information des Umweltministeriums hervor.
Der mit den krebserregenden Schadstoffen Vanadium, Nickel und Schwefel besonders hoch belastete Abfall wurde auch nach Gelsenkirchen geliefert. Und gefährlicher Abfall der Klasse III soll nach der geplanten Erweiterung weiter auf der Deponie gelagert werden.
Mit großem Unverständnis reagiert Birgit Lucht, umweltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, auf die Nachricht von Seiten des Koalitionspartners. „Bislang sind wir als CDU-Fraktion durch die Verwaltung über den aktuellen Planungsstand bei der Bezirksregierung in Münster nicht informiert worden. Ich denke, das geht uns als politische Verantwortungs-und Entscheidungsträger an, so dass wir hierüber rechtzeitig und umfassend informiert werden sollten. Vor allem dann, wenn es so ist, dass das Planungsverfahren nun doch wieder zu einer Deponieerweiterung führen könnte. Wir brauchen auf dem schnellsten Wege eine Sondersitzung des Umweltausschusses. Das andauernde Hick-Hack ohne das von uns seit langer Zeit angemahnte Ausstiegsszenario ist unerträglich.“
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Vorschlag: Gemeinsame Klage von Gelsenkirchen und Herne gegen Deponie-Erweiterung
Henning Mettge, Sprecher der Bürgerinitiative „Uns stinkt’s“, die Bürger in Gelsenkirchen und Herne vertritt, vermutet hinter dem Informationsfluss zwischen Münster und Gelsenkirchen „taktisches Kalkül“ anlässlich der stattgefundenen Bundestagswahlen. Mettge sagte: „Für die Anwohner rund um die über 50 Jahre alte Sondermülldeponie ist die Erweiterung nicht verhältnismäßig; keiner der entscheidenden Beamten hat jemals oder über Jahrzehnte neben einer solchen lebensbedrohlichen Anlage gelebt und kann das beurteilen. Zudem liegt die heutige Notwendigkeit für einen Ausbau auch in der Verantwortung der Bezirksregierung Münster, die es in den letzten Jahrzehnten nicht zustande gebracht hat, neue Deponiekapazitäten für den Regierungsbezirk Münster zu schaffen. Da könnte man sich fragen: War das bislang einfach nur grob fahrlässig oder mit Vorsatz?“
Darüber hinaus begrüßt es die Bürgerinitiative, dass die Gelsenkirchener SPD eine Klage gegen die Entscheidung Münsters in Erwägung zieht. Anna Lena Karl, Sprecherin der Gelsenkirchener SPD im Umweltausschuss, hatte zuvor die Entscheidung Münsters als „falsch“ bezeichnet und gefordert, dass „nach der Auslegung der Planfeststellungsunterlagen in einer Sondersitzung des Umweltausschusses eine mögliche gemeinsame Klage mit der Stadt Herne geprüft“ werde.
Bürgerinitiative klagt über auffällig viele Krebsfälle rund um die Deponie
Grünen-Politiker Dennis Hoffmann unterstrich des Weiteren die Forderung seiner Partei, „dass das vom Umweltausschuss geforderte Human-Bio-Monitoring schnellstmöglich umgesetzt“ wird. Beim Human-Bio-Monitoring werden die Menschen selbst beziehungsweise Körperflüssigkeiten und -gewebe unter die Lupe genommen. So wird zum Beispiel analysiert, wie viel Quecksilber bei Einzelpersonen oder Bevölkerungsgruppen in Blut oder Urin vorhanden ist. So kann relativ genau untersucht werden, wie sehr die Menschen durch die Schadstoffe belastet werden und welche Wirkungen diese Belastungen auf den Köper haben.
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Das reicht der BI aber bei weitem nicht. Dazu Henning Mettge: „Es sterben hier an der Deponie erfahrungsgemäß zu viele Menschen an Krebs, als dass das einfach Zufall sein kann“, so der BI-Sprecher. Eine Schließung der Deponie sei moralisch und ethisch die einzig richtige Lösung gewesen. Die Bezirksregierung Münster hat aber wieder gezeigt, dass ihnen die Menschen hier vor Ort vollkommen gleichgültig sind.”
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