Gelsenkirchen/Essen. Der Lockdown fördert die Landlust. Bauer Budde merkt das an seinen 150 „Meine Ernte“-Mietgärtnern. Bewerbung für 2022 läuft am Mechtenberg an.

Die Herbstsonne hat den Morgentau vertrieben, beleuchtet die Ackeridylle im idyllischen Landschaftspark Mechtenberg. Grünkohl und Porree, Mangold und Kürbisse konkurrieren mit Ringelblumen und Zinnien. Ein paar Salatköpfe sind ausgetrieben, Möhren ins Kraut geschossen. Über allem recken zahllose Sonnenblumen ihre Köpfe empor. Landwirt Hubertus Budde, der hier 75 Hektar Fläche bewirtschaftet, hat auf diesem kunterbunten Flurstück etliche Untermieter auf Zeit. Seit 2012 ist sein Hof einer von mittlerweile 26 bundesweit, die mit „Meine Ernte“ kooperieren. Dort kann man Mietgärten buchen, das Gärtnern erproben, die Selbstversorgung vorantreiben. Ganz nach dem Motto: „Nimm dein Essen selbst in die Hand“.

„Meine Ernte“ liegt mitten im Städtedreieck Essen, Gelsenkirchen und Bochum

Links und rechts von den Wiesenwegen stecken Schildchen in der Erde und zeugen davon, wer hier auf den Parzellen ackert: „Nerdige Gärtner“ haben offenbar ein wenig die Kontrolle übers Wildkraut verloren, ihre ausgedünnten Gemüsereihen wachsen gerade zu. Der „Feldversuch“ läuft schräg gegenüber, gleich neben „Gemüskarma“ oder dem „Mausgarten“, die auch zum Herbst noch reichlich Ernte versprechen. Die Mietgärten von „Meine Ernte“ liegen mitten im Städtedreieck Essen, Gelsenkirchen und Bochum. Aus den drei Städten kommt auch die Kundschaft.

45 Quadratmeter groß sind die keinen Gärten, 90 Quadratmeter die Familiengärten

Buddes Gartenmieter machen sich zum Herbst eher rar. Der Planwagen mit dem Gartenwerkzeug ist an diesem Vormittag verwaist. Keiner, der Bedarf an Hacke, Spaten oder Gießkanne hat. Das Gartenjahr pendelt so langsam aus. Viel ist nicht mehr zu tun, manch einen hat sichtbar auch der Ehrgeiz verlassen, sich um seine Scholle zu kümmern, andere haben ihre Parzelle für die Mitgärtner zum Abernten freigegeben. 45 Quadratmeter groß sind die „Kleinen Gärten“ (Saisonpreis 229 Euro), ausreichend, um zwei Personen eine Saison lang mit Gemüse zu versorgen. 90 Quadratmeter messen die „Familiengärten“ (439 Euro), üppig genug, um auch manche Nachbarn und Freunde mit Karotte, Kohl & Co. einzudecken oder nachhaltig die Tiefkühlfächer oder Einmachgläser zu füllen.

Nochj steht das Gemüse in einigen Gärten in Reih und Glied, in anderen sind die Wildkräuter auf dem Vormarsch. Über allem blühen derzeit auf dem Gelände am Mechtenberg unzählige Sonnenblumen.
Nochj steht das Gemüse in einigen Gärten in Reih und Glied, in anderen sind die Wildkräuter auf dem Vormarsch. Über allem blühen derzeit auf dem Gelände am Mechtenberg unzählige Sonnenblumen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Es ist ein buntes Publikum“, das Budde im Frühjahr und Sommer ackern sieht: „Junge Familien, Freunde, Senioren mit ihren Enkeln, Studenten“. Gerade in der Corona-Lockdownzeit schien die Landlust noch einmal gewachsen zu sein. „Da hatten alle mehr Zeit und was gesucht,was sie draußen machen können“, sagt Budde. Angefangen hat er mit 50 Mietgärten, heuer sind es 150. Wobei erfahrungsgemäß knapp die Hälfte der Mieter nach einem Jahr wieder abspringt. „Manchen macht es keinen Spaß, andere verändern sich beruflich oder familiär“, stellt Budde fest. Doch an Interessenten mangelt es nicht, auch nicht an Wiederholungs-Tätern.

Pflanzenschutzmittel oder Kunstdünger sind tabu – auch für die Mietgärtner

Landwirt Hubertus Budde und seine Gärtner bleiben da am Boden. Er bereitet nach dem Winter die Ackerflächen vor, sorgt für die Startsaat. 20 Gemüsearten kommen auf die Mini-Äcker, dazu bleibt noch für jeden Platz für ein Wunschbeet. Zudem sorgt Budde für Gartengeräte und Wasser, bietet, nicht unwichtig, eine Toilette. Aufgedüngt wird die „Meine Ernte“-Fläche von ihm mit Pferdemist. Pflanzenschutzmittel oder Kunstdünger sind tabu – auch für die Mietgärtner. Ebenso größere Aufbauten auf den Äckern. So bleibt es bei ein paar Folientunneln oder Netzen. Gerade im Frühjahr seinen die durchaus ein sinnvoller Schutz, findet Budde. „Wenn der Fasan mit seinen Damen zum Kontrollgang durch die Beete streift, bleibt sonst nicht viel von einem sprießenden Salat.“

Café mit Hofladen ist beliebte Anlaufstelle für Besucher aus der Region

Aus dem geplanten Hofladen mit Café wurde längst ein Café mit Hofladen. Der Schwerpunkt liegt längst auf der Gastronomie - in den urigen Innenräumen oder auf den Freiterrassen. Birgit Olesch bedient im Hof am Mechtenberg.
Aus dem geplanten Hofladen mit Café wurde längst ein Café mit Hofladen. Der Schwerpunkt liegt längst auf der Gastronomie - in den urigen Innenräumen oder auf den Freiterrassen. Birgit Olesch bedient im Hof am Mechtenberg. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Budde und seine Frau Andrea Maas betreiben den Hof am Mechtenberg seit 2007. Sie haben sich bewusst breit aufgestellt, bauen Weizen und Gerste, Hafer, Mais und Zuckerrüben an, betreiben erfolgreich ein Cafè mit Hofladen, bieten Kita-Workshops und Kinderbetreuungen. Ein paar Minischweine, Ziegen und Schafe am Spielplatz erfreuen vor allem die jungen Besucher. Im Strohauslauf des offenen Stallbereichs picken etliche Hühner. „Die haben hier ihren Wintergarten“, sagt Budde, der 2000 Legehennen auf dem Hof hält.

Neben den Mietparzellen steht noch der Mais. „Der zählt die Sonnenstunden. Dieses Jahr wird er vier Wochen später reif als 2020“, sagt Landwirt Budde. Auch die Zuckerrüben wird er bald ernten. Und irgendwann ab November wird er unterpflügen, was die Mietgärtner stehen gelassen haben. Und die nächste Gartensaison vorbereiten.

„Meine Ernte“ betreut 3000 Mietgärten in ganz Deutschland

Bewerbung, Vergabe und Abrechnung läuft über „Meine Ernte“. Die neue Bewerbungsphase für 2022 beginnt am 4. Oktober. Mit Partnerbetrieben an 26 Standorten von Berlin bis Wuppertal arbeitet das Unternehmen, liefert zudem von digitalen Gärtenerwissen über Anbautipps und Fachberatung, Saatgut, Gartenhelfern und Bauanleitungen bis zu Küchen-Rezepten alles für eine ertragreiche Saison.

„Wir machen das in der zwölften Gartensaison“, sagt Natalie Kirchbaumer, die Ende 2009 mit Wanda Ganders „Meine Ernte“ gründete. Idee und Firma sind gewachsen. „Angefangen haben wir in sechs Städten mit 250 Gärten, aktuell sind wir bei 3000“, so Kirchbaumer. Längst gibt es einen Online-Shop, auch dringen die beiden mit ihrem achtköpfigen Team in neue Grünzonen vor, propagieren das Gärtnern in Hochbeeten oder an Hausfassaden. Info: meine-ernte.de