Gelsenkirchen. Ab 2026 haben Gelsenkirchens Grundschüler nach und nach Anspruch auf Betreuung im Offenen Ganztag. Die Stadt ist unter Druck. Was sie fordert.

Viele Eltern wissen um die Schwierigkeiten, einen Platz im Offenen Ganztag für ihr Kind zu bekommen. Es ist ein Prozedere, das sich jedes Jahr aufs Neue wiederholt. Doch ab 2026 soll damit nun Schluss sein: Dann nämlich haben Grundschulkinder nach und nach einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Die Stadt Gelsenkirchen stellt das freilich vor Probleme – und erzeugt den besonderen Druck, nahezu sofort zu loszulegen.

Gelsenkirchen: Rechtsanspruch auf Offenen Ganztag setzt Stadt unter Druck

„Wir müssen jetzt anfangen zu handeln und aktiv werden, sonst rennt uns die Zeit davon“, warnt Stadträtin Anne Heselhaus im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. Sicher, noch sind es fünf Jahre bis zum Schuljahr 2026/27 – doch vieles ist noch zu regeln, anzustoßen, zu koordinieren, auf den Weg zu bringen und sei schlicht noch „im Unklaren“, so Heselhaus, die fordert: „Wir brauchen ganz schnell ein Ausführungsgesetz.“

Gelsenkirchens Bildungsdezernentin: „Wir müssen jetzt handeln, sonst rennt uns die Zeit davon“, sagt Anne Heselhaus über den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf Betreuung im Offenen Ganztag.
Gelsenkirchens Bildungsdezernentin: „Wir müssen jetzt handeln, sonst rennt uns die Zeit davon“, sagt Anne Heselhaus über den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf Betreuung im Offenen Ganztag. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Sieht sie die Kommune nun unter Druck? Heselhaus antwortet mit einem klaren „Ja“ – und auch mit dem Satz, dass der Druck auf die Kommunen überwälzt worden sei. Sie lässt keinen Zweifel: „Ich begrüße das ausdrücklich und halte das grundsätzlich auch für wichtig.“ Und meint damit etwa die Förderung der Kinder und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch das Instrument des Rechtsanspruchs. Aber es sei eben nicht zu Ende gedacht.

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Es sind die vielen einzelnen Stellschrauben, die schon jetzt Einfluss auf die Situation in ein paar Jahren haben werden. Da wäre zum einen die Ausstattung an den Schulen, die Größe der Räume. Schon jetzt würde bei allen Schulneubauten in Gelsenkirchen der Ganztag mitgedacht, so Heselhaus. [Lesen Sie auch: Gelsenkirchener Klassenzimmer verwandeln sich in OGS-Räume]

Ein Drei-Millionen-Euro-Fördertopf schafft derzeit etwas Spielraum und Verfügungsmasse. Das Projekt soll bis Ende dieses Jahres umgesetzt werden. Genau 3.028.599 Euro aus Bund- und Landesmitteln sollen in flexibles Mobiliar, Materialien für die Freizeitgestaltung und zwei kleine Baumaßnahmen fließen. 2,3 Millionen Euro konnten laut Heselhaus bereits genutzt werden. Ein Ziel bei der Nutzung des flexiblen Mobiliars: Die Schulräume werden so zu Hybriden, sind am Morgen Ort des Lernens und Klassenraum, und bieten am Nachmittag Platz für Differenzierung und Betreuung – eben einen Offenen Ganztag.

Gelsenkirchen: 10.600 Grundschüler an 39 Grundschulen in der Stadt

Wenn ab 2026 jedes Gelsenkirchener Grundschulkind einen Anspruch auf einen Platz im Offenen Ganztag hat, „müssten wir in der Tat an einigen Stellen ausbauen“, sagt die Dezernentin. Sie macht diese Rechnung auf: Im Schuljahr 2021/22 zählt die Stadtverwaltung 10.600 Grundschüler an den 39 Gelsenkirchener Grundschulen. 3780 Plätze im Offenen Ganztag gibt es auf dem gesamten Stadtgebiet.

Bund investiert bis zu 3,5 Milliarden Euro in den Ausbau

Mit dem Vorhaben will die Bundesregierung den Ausbau der Ganztagsbetreuung in den Grundschulen voranbringen. Nach und nach gilt für jedes Grundschulkind in Deutschland ab 2026 einen Rechtsanspruch auf eben jene Ganztagsbetreuung. Zunächst starten die zukünftigen Erstklässler, ab dem 1. August 2029 wird jedes Kind bis zur vierten Klasse einen Anspruch haben.

Etwa die Hälfte aller Grundschulkinder in Deutschland nutzt laut Angaben der Bundesregierung ein Ganztagsangebot. Insgesamt bis zu 3,5 Milliarden Euro will der Bund den Ländern für den Ausbau zur Verfügung stellen. Außerdem beteilige sich der Bund mit einer Quote von bis zu 70 Prozent am Finanzierungsanteil der Investitionskosten, heißt es auf der Homepage der Bundesregierung.

Mit dem Recht auf Betreuung will die Bundesregierung eine bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler gewährleisten und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen.

Würden alle Schüler, vielmehr die Eltern, auf eine Versorgung pochen, müsste die Stadt in Sachen Versorgungsquote ganz erheblich nachlegen. Laut dem aktuellen Schulentwicklungsplan fehlen bereits jetzt an fast allen Schulen Plätze, Räume und Küchen. Schon jetzt lassen sich die Eltern auf Wartelisten setzen, in der Hoffnung auf einen der teils begehrten Plätze.

Was das für die Jahrgänge ab 2026 bedeutet, in welche Richtung es gehen wird, bleibt abzuwarten. Nach vorläufigen Prognosen geht die Verwaltung davon aus, dass die Schülerzahlen wohl steigen werden. Zurückzuführen sei das, so Heselhaus, auf die EU-Ost-Zuwanderung, aber auch auf steigende Geburtenzahlen. [Lesen Sie auch: Taskforce treibt Gelsenkirchener Schulentwicklungsplan voran]

Ein großes Problem sieht sie in der menschlichen Komponente: „Es ist jetzt ganz, ganz dringend, dass wir den Fachkräftemangel in den Griff kriegen. Wir brauchen mehr Fachkräfte und müssen unbedingt vorbauen.“ Auf der anderen Seite gebe es in der Stadt „gute Strukturen“ des Offenen Ganztags, durch jahrelange und „gute Zusammenarbeit“ mit den freien Trägern vor Ort. „Wir können auf etwas aufbauen“, so Heselhaus. Aber: „Je eher wir wissen, was wir zu tun haben, desto eher können wir handeln.“ Über den Deutschen Städtetag soll nun Bewegung in die Sache kommen: „Wir müssen wissen, wie es weitergeht.“