Gelsenkirchen. Zum Start in die neue Spielzeit servierte das Opernhaus Kostproben und Infos. Intendant Schulz fordert: „Seien Sie neugierig, vertrauen Sie uns!“

Die erste gesellschaftspolitisch relevante Botschaft gab’s schon vorm Betreten des Musiktheaters: „Kein Hass, kein Antisemitismus, kein Rassismus“ fordert das neue Banner weithin sichtbar vom Dach des Hauses aus. Einen wichtigen Appell gab Generalintendant Michael Schulz den Gästen auch am Ende der Gala zur Spielzeiteröffnung am Sonntagabend mit auf den Weg: „Gehen Sie wählen, und lassen Sie sich unbedingt impfen!“ Dazwischen: jede Menge Informationen, Interviews und Wohlklang bei kleinen musikalischen Häppchen aus der neuen Spielzeit.

„Vorhang auf!“, so der Titel des über dreistündigen Abends. Und war alles so wie früher? Nicht ganz! Nach der so langen Pandemie-Pause fehlten trotz spürbarer Erleichterung über den Neustart noch ein wenig Leichtigkeit, Esprit und Humor früherer Eröffnungsshows. Und es fehlte natürlich auch die traditionelle Verleihung des Gelsenkirchener Theaterpreises. Schließlich war die letzte Spielzeit fast komplett ins Wasser gefallen.

Effektvoller und schmissiger Start mit Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“

Einige Mitglieder des Opernchors behielten bei ihrem Auftritt am Sonntagabend im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier ihre Schutzmaske auf.
Einige Mitglieder des Opernchors behielten bei ihrem Auftritt am Sonntagabend im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier ihre Schutzmaske auf. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Dafür deckt das MiR-Team den Tisch des neuen Spielplans so reichlich, dass längst nicht alle Produktionen in der Gala präsentiert werden konnten. Stattdessen ermunterte Moderator Schulz das Publikum, beim Kartenvorverkauf einfach zuzugreifen: „Seien Sie neugierig, vertrauen Sie uns, denn wir wissen, was wir tun.“ Wenn sich der Vorhang dann endlich wieder öffnet!

Bei der Gala blieb der festlich beleuchtete, weinrote Theatervorhang noch geschlossen, wurde nur symbolisch dank musikalischer Appetithäppchen gelüftet. „Wir freuen uns wahnsinnig, wieder hier stehen zu dürfen“, betonte der Hausherr, auch wenn das Publikum noch mit Maske und auf Abstand Platz nehmen müsse. OB Karin Welge („Es ist ein erhabenes Gefühl, auf dieser Bühne stehen zu dürfen“) wünschte dem Haus einen guten Neustart: „Die Streaming-Angebote waren gut, besser ist es, wieder live Kultur erleben zu dürfen.“

Zum Beispiel mit Jacques Offenbachs satirischer Operette „Orpheus in der Unterwelt“, deren Ouvertüre die Neue Philharmonie Westfalen unter Leitung von Giuliano Betta effektvoll und mit spielfreudiger Leichtigkeit interpretierte und die am 30. Oktober in konzertanter Version Premiere feiern wird. Schulz: „Das Stück zeigt, dass Frauen sich nicht alles bieten lassen.“ Von politischer Relevanz sei auch Rossinis Oper „Otello“, die das Fremdsein thematisiere (Premiere 23. Oktober). Der junge südafrikanische Tenor Khanyiso Gwenxane glänzte als Otello in der Arie „Non m’inganno“ mit warm gefärbtem Timbre, Rina Hirayama gab eine starke Desdemona.

Der Opernchor bleibt trotz langer Pandemie-Pause eine sichere Bank

Leider nur im Film ließ das MiR die Puppen tanzen. Dafür plauderten die beiden Schauspieler Merten Schroedter und Daniel Jeroma, seit zwei Jahren am Musiktheater engagiert, über ihren Weg hin zum Puppentheater. Dass der sich gelohnt hat, dokumentieren beide aktuell im großartigen Musical „Avenue Q“, das bereits kürzlich Premiere gefeiert hatte.

Besonders gebeutelt hat die Corona-Pandemie den Opernchor. Schulz erinnerte an die Schlagzeile „Chorsingen tötet!“ Am Sonntag durfte die Sangesgemeinschaft, teilweise noch verstärkt durch Solisten des Hauses, wieder in voller Stärke auftreten. Einige Sängerinnen und Sänger behielten allerdings ihre Masken auf. Unter der Leitung von Alexander Eberle bewies der Chor trotz der langen Pause: Er ist eine sichere Bank hinsichtlich seiner starken künstlerischen Qualität. Dem Chor gelang ein jubelndes, freudvolles „Jauchzet, frohlocket“, auch wenn Bachs Weihnachtsoratorium derzeit noch ein wenig verfrüht scheint (Premiere 4. Dezember).

Lust aufs Tanztheater machte Giuseppe Spota mit der berührend poetischen Choreographie „Im Leben stehen“. Und Autor Ulf Schmidt plauderte über seine Arbeit an der Produktion „Stadt der Arbeit“ (Premiere 25. September). Schmidt verspricht einen politischen, wütenden, aber auch vergnüglichen Abend: „Wenn Sie den nicht gesehen haben, können Sie in der Stadt nicht mehr mitreden.“ Den Abend beendeten Ausschnitte aus einem echten Blockbuster des Opernrepertoires, aus Georges Bizets „Carmen“ (Premiere 6. März).