Gütersloh. Kinderarmut betrifft laut der Bertelsmann Stiftung 2,8 Millionen unter 18-Jährige. Die Corona-Krise könnte sie noch verschlimmern.

Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen laut einer neuen Analyse der Bertelsmann Stiftung in Armut auf – das ist mehr als ein Fünftel aller Minderjährigen. Der Kampf gegen Kinderarmut sei „eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland“, erklärten die Autoren der am Mittwoch veröffentlichten Studie.

Die Folgen für die Heranwachsenden sind erheblich. Sie schlügen sich unter anderem auf das Wohlbefinden, die Bildung und die Zukunftschancen nieder, teilte die Stiftung in Gütersloh mit. Die Corona-Krise könnte die Situation zusätzlich verschlimmern.

Für die Studie berücksichtigten die Autoren Kinder aus Familien, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des Durchschnitts aller Haushalte beträgt. Und es sind Heranwachsende im Grundsicherungsbezug eingerechnet, deren Familien Hartz IV erhalten. Darunter fallen 21,3 Prozent aller unter 18-Jährigen in Deutschland. Regional schwanken die Zahlen jedoch stark.

Stadtstaaten besonders von Kinderarmut betroffen

Nach Bundesländern werden in den Stadtstaaten Bremen und Berlin besonders viele Kinder und Jugendliche in finanziell schwachen Verhältnissen groß. In Bayern und Baden-Württemberg sieht es für sie im Vergleich am besten aus.

Auf kommunaler Ebene zeigt die Erhebung drastische Unterschiede. Besonders viele Jungen und Mädchen seien in Bremerhaven und Wilhelmshaven von Armut betroffen sowie in den Ruhrgebietsstädten Gelsenkirchen, Herne, Duisburg, Mönchengladbach und Dortmund. Hingegen sind in einigen Kommunen im Süden Deutschlands nur wenige durch Armut belastet.

Vor allem bei Freizeitgestaltung und sozialer Teilhabe bestehe eine starke Unterversorgung. Zwei Drittel der armen Kinder können laut Analyse mit ihrer Familie nicht einmal eine Woche im Jahr in Urlaub fahren. Bei vielen reiche das Geld nicht für einmal im Monat Kino, Konzert oder Essengehen. Klassenfahrten, Schüleraustausch oder Einladungen nach Hause seien schwierig.

Stiftung ruft Politik zum Handeln auf

„Kinderarmut in unserem reichen Land ist ein unfassbarer Skandal, weil sie Lebenschancen der Kleinsten verbaut“, kritisierte Linke-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch. Es sei ein schweres Versäumnis von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Bundesregierungen der vergangenen Jahre, hier keine entscheidende Verbesserung erreicht zu haben.

Es drohe zudem noch ein deutlicher Armutsanstieg, warnte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Die Folgen der Pandemie treffe Eltern benachteiligter Kinder besonders hart. Sie arbeiteten häufiger in Teilzeit oder als Minijobber und gehörten zu der Gruppe, die als erste ihren Job verliere, kaum oder kein Kurzarbeitergeld erhalte.

Zugleich fallen viele Unterstützungsangebote für bedürftige Heranwachsende weg, wie Dräger schilderte. „Die Vermeidung von Kinderarmut muss gerade in der Corona-Krise politische Priorität bekommen.“

Die Armut und ihre Folgen sind zugleich nicht die einzigen schwerwiegenden Probleme von Heranwachsende während der Pandemie. Bei einer Studie der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf stellte sich kürzlich heraus, dass Kinder durch die Corona-Krise vermehrt auch psychische Probleme haben. Kinderschützer befürchten zudem einen Anstieg der häuslichen Gewalt.

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(dpa/yah)